Deutsche
Partei
,
Name der nationalliberalen Partei
in
Württemberg.
[* 2]
Deutsche
[* 3]
Philologie. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. hatten die prot. Theologen Flacius Illyricus
(«Catalogus testium veritatis», Basel
[* 4] 1556) und Konrad Geßner
(«Mithridates», Zür. 1555) angefangen, sich wissenschaftlich mit
der mittelalterlichen Litteratur und den german.
Sprachen zu beschäftigen. Besonders anregend wirkten
die niederländ.
Philologen
Bonaventura Vulcanius, Scaliger,
Paulus Merula und Justus Lipsius, welche eine Anzahl mittelalterlicher
Litteraturwerke herausgaben. In ihrem
Sinne waren in
Deutschland
[* 5] namentlich Melchior
Goldast (1576-1635) und Marquard
Freher
(1665-1714) thätig.
Schon früher hatten praktische Bedürfnisse zur Behandlung der neuhochdeutschen
Sprache
[* 6] geführt. In der Reformationszeit wurde epochemachend
Val.
Ickelsamers
«Teutsche Grammatika» (wahrscheinlich zuerst 1534 gedruckt;
Neudruck, 3. Aufl., Freiburg
[* 7] 1881).
Der bedeutendste Grammatiker des 17. Jahrh. ist J. G. ^[Justus Georg] Schottelius (1612-76),
sein Hauptwerk «Ausführliche
Arbeit von der
Teutschen Haubt
Sprache» (Braunschw. 1663). Der erste wirkliche deutsche
Philologe ist Franciscus
Junius (1589-1671). Er ist der erste, der das
Studium der altdeutschen
Denkmäler nicht bloß als Nebenbeschäftigung und aus
Liebhaberei getrieben, und der die Methode der klassischen
Philologie auf die deutsche
angewandt hat. Für die
Grammatik und
Etymologie hat
Leibniz anregend gewirkt, besonders auf J. G.
^[Johann
Georg] Eckhart (1674-1730), der in
seiner
«Historia studii etymologici linguae Germanicae» (Hannov. 1711) eine Geschichte der
gesamten germanistischen Thätigkeit gegeben und eine Reihe von altdeutschen
Litteraturdenkmälern veröffentlicht hat.
Die bedeutendste Publikation jener Zeit war der von Joh. Schilter und J. G.
^[Johann
Georg] Scherz herausgegebene
«Thesaurus
antiquitatum Teutonicarum» (3 Foliobände,
Ulm
[* 8] 1728), der alle damals bekannten althochdeutschen
Litteraturdenkmäler
nebst einem Wörterbuch enthält. Nachfolger des
Junius ist für das
Altenglische der engl. Theologe G. Hickes (1642-1715),
an dessen großem Sammelwerk
«Antiquae Literaturae Septentrionalis libri duo» (Bd. 1 des
«Linguarum veterum Septentrionalium
Thesaurus grammatico-criticus et archaeologicus», 6
Tle. in 2 Bdn., Oxf. 1703-5) verschiedene
andere Gelehrte mitgearbeitet haben, und nach ihm Edw.
Lye (gest. 1767).
In den
Niederlanden fanden
Junius und Hickes einen ebenbürtigen Nachfolger in Lambert ten
Kate (1674-1731),
der die Hauptergebnisse seiner Untersuchungen in dem großen zweibändigen Werk «Aenleiding
tot de Kennisse
van het verhevene Deel der Nederduitsche Spraeke» (Amsterd. 1723) niederlegte. In
Deutschland nahmen die Führer der litterar.
Bestrebungen, Gottsched («Grundlegung einer deutschen
Sprachkunst», Lpz.
1748),
Bodmer und Breitinger («Sammlung von Minnesingern aus dem schwäb. Zeitpunkte», 2 Bde., Zür. 1758-59),
Lessing u. a. auch in der
Entwicklung der Deutsche Partei
einen ehrenvollen Platz ein. Von größerer Bedeutung ist Herder
gewesen, dessen erste größere
Schrift
«Über die neuere deutsche
Litteratur» (3 Sammlungen, I und II
o. O., III
Riga
[* 9] 1767) bereits eine Fülle von Anregung zu geschichtlicher Behandlung nicht nur der Litteratur, sondern auch
der
Sprache bietet, und dessen Preisarbeit
«Über den Usprung der
Sprache» (Berl. 1772) die
Sprache mit
Notwendigkeit aus der
menschlichen Natur entspringen läßt.
Herder wies ferner mit Nachdruck auf unsere Volkspoesie hin. Das Zeitalter der Romantik lenkte die Blicke auf die Vorzeit unseres Geisteslebens zurück. Unter den Häuptern der romantischen Schule erwarben sich die Brüder Schlegel das Verdienst der Begründung einer eigentlichen Litteraturgeschichte. Arnim und Brentano danken wir die Volksliedersammlung «Des Knaben Wunderhorn» (3 Bde., Heidelb. 1806-8),
Görres «Die deutschen
Volksbücher» (ebd. 1807). In der
Romantik wurzelt der fachmännische Betrieb deutsch-philol.
Studien, der von
Berlin
[* 10] ausging, und zwar von Fr. H. von der
Hagen
[* 11] (1780-1856). Seine unermüdliche Betriebsamkeit hat das Material
der Wissenschaft vermehrt und die Ausbreitung des
Studiums befördert. Im Mittelpunkt seines Interesses
stand das
Nibelungenlied, dessen
Studium ihn auf die Edda als
Quelle
[* 12] der german.
Heldensage führte. Zusammen mit
Docen, dessen
Arbeiten in seinen «Miscellaneen zur Geschichte der teutschen
Literatur» (2 Bde.,
Münch. 1809) zusammengefaßt sind, und mit
Büsching gab er das «Museum für
Altdeutsche Litteratur und Kunst» (3 Hefte, Berl. 1809-12) heraus.
Noch heute wertvoll ist sein und
Büschings «Litterarischer Grundriß zur Geschichte der
Deutschen
Poesie» (ebd. 1812).
In den
Bestrebungen dieser
Männer, auf dem Gebiete der Rechtsgeschichte besonders denen von Fr. C. von Savigny, wurzeln die Anfänge
der
Brüder
Grimm.
Durch die
Brüder
Grimm, durch
Benecke und Lachmann wurde die Deutsche Partei
erst zum Range einer exakten Wissenschaft
erhoben. An dieser
Wendung haben die von A. W. Schlegel ausgegangenen Anregungen, dessen überlegene philol. Methode mehrere
glänzende kritische Leistungen bezeugen, einen hervorragenden Anteil gehabt.
Jakob und Wilhelm
Grimm (ersterer 1785-1863,
letzterer 1786-1859), 1829-37 Professoren in Göttingen,
[* 13] seit 1840 in
Berlin, umfaßten das Ganze der
Deutsche Partei
und schufen den meisten Disciplinen derselben die Grundlage, auf der wir immer noch weiter bauen.
Von der kränkelnden, phantastisch dilettantischen Art der Romantiker hebt sie eine echte, frische Natur, ein einfaches und reines Gefühl für Poesie ab und der Geist echter Wissenschaftlichkeit. Ihr Interesse drehte sich zunächst um die Geschichte der Poesie und der Sage. Zusammen herausgegeben haben sie die «Kinder- und Hausmärchen» (2 Bde., Berl. 1812 u. 1814; 2. Ausg., 3 Bde., 1819-22; neu hg. von Herm. Grimm, 25. Aufl., ebd. 1892; kleine Ausg., 41. Aufl., Gütersloh 1893),
die, wie beabsichtigt war, ein Gemeingut des deutschen
Volks geworden sind und die Märchenforschung
zugleich auch für alle andern Nationen begründet haben. Gemeinsam haben sie gleichfalls die
«Deutschen Sagen» (2 Bde., Berl.
1816-18; 3. Aufl., ebd. 1891) veröffentlicht. Im übrigen gehen die beiden
Brüder zu selbständigen Leistungen auseinander.
Um dem
Volke den Schatz
¶
mehr
seiner frühern geistigen Erzeugnisse wieder zu erschließen, ging Jakob, der Vielseitigere und Genialere, daran, zunächst
die ältere deutsche Sprache zu erforschen, nach der vergleichenden Methode, die gleichzeitig Franz Bopp auf die indogerman.
Sprachen überhaupt in Anwendung brachte und nach der der Däne Rask die altnord. Grammatik bearbeitet hatte, und er
schuf, zum Erstaunen der Zeitgenossen, ein Werk, das an Bedeutung von keinem andern ähnlichen auch nur annähernd erreicht
worden ist, seine «Deutsche
Grammatik» (Bd. 1, Gött.
1819; 3. Aufl. 1840; Bd. 2-4, 1826, 1831 u. 1837; neuer Abdruck, Bd. 1-3, Berl. 1870, 1878 und
Gütersloh 1890). Er legte in diesem seinem Hauptwerke mit bewundernswürdiger Gelehrsamkeit und Klarheit
die Geschichte aller german. Sprachen, von dem Gotischen des 4. Jahrh. bis auf die Neuzeit, genau dar, sowohl die Laut- und
Formenlehre als auch die Wortbildungslehre und die Syntax des einfachen Satzes.
Die Grammatik ist durch dies Werk zu einer selbständigen Wissenschaft geworden. Nun erst war ein wirkliches, wissenschaftliches, geschichtliches Begreifen der Sprache möglich geworden. J. Grimms Grammatik ist das Vorbild für Diez' roman., Miklosichs slaw. und Zeuß' kelt. Grammatik gewesen. Es folgte ein neues Fundamentalwerk «Deutsche Rechtsaltertümer» (Gött. 1828; 3. Ausg. 1881), das einen Einblick bot auf eine neue, bis dahin völlig unbeachtet gebliebene Seite des geistigen und Kulturlebens, und das durch ein neues Werk zu ersetzen bis heute auch nicht der Versuch gemacht worden ist.
Eine Ergänzung dazu waren die «Weistümer», eine Sammlung von Rechtsbelehrungen, die er selber auf 4 Bände gebracht hat (Bd. 1-4, Gött. 1840-63; Bd. 5-7, hg. von Schröder, 1866-78). Auch eine Geschichte der Sitte hatte er zu schreiben geplant. Das nächste Gebiet, dem J. Grimm seinen Entdeckungstrieb zuwandte, war die Tiersage: «Reinhart Fuchs» [* 15] (Berl. 1834). Er entdeckte in den verschiedenen Erzählungen und Dichtungen des Altertums und Mittelalters einen geschichtlichen Zusammenhang.
Schon im folgenden Jahre erschien ein neues grundlegendes Werk, die «Deutsche Mythologie» (Gött. 1835; 2. Aufl., 2 Bde., 1843-44; 4. Ausg., 3 Bde., Berl. 1875-78). Hier war der poetisch nachempfindende J. Grimm recht eigentlich auf seinem Gebiet. Sein fünftes großes Fundamentalwerk ist die «Geschichte der deutschen Sprache» (2 Bde., Lpz. 1848; 4. Aufl. 1880), in dem zum erstenmal die Sprache methodisch herbeigezogen wurde, um über Geschichte und Kultur vorgeschichtlicher Zeiten Auskunft zu geben.
Neben diesen Werken gehen eine große Menge bedeutsamer kleinerer Schriften (Abhandlungen und Ausgaben) her. Es sei hier nur noch der von den Brüdern herausgegebenen und auch beinahe allein verfaßten «Altdeutschen Wälder» (3 Bde., Cassel und Frankf. 1813-16) gedacht. Sein letztes Werk unternahm Jakob, wie sein erstes, gemeinsam mit seinem Bruder, das «Deutsche Wörterbuch» (fortgeführt von R. Hildebrand, K. Weigand, M. Heyne, M. Lexer und E. Wülcker, Lpz., seit 1852 erscheinend; fertig bis 1894 Bd. 1-4, 1. Abteil., 1. Hälfte, Bd. 4, 2. Abteil. bis Bd. 8, A bis schiefe umfassend). Wilhelm Grimm verdanken wir außer seiner ersten glänzenden Leistung «Altdän. Heldenlieder, Balladen und Märchen» (Heidelb. 1811),
eine große Reihe mit peinlicher Genauigkeit ausgeführter Ausgaben unserer ältern Dichtwerke. Von seinen größern Schriften sind die bedeutendsten die «Über Deutsche Runen» [* 16] (Gött. 1821),
«Zur Geschichte
des Reims»
[* 17] (Berl. 1852) und besonders «Die
deutsche Heldensage» (Gött. 1829; 2. Aufl., Berl.
1867; 3. Aufl., Gütersloh 1890), eine sorgfältige Zusammenstellung aller Quellen, aus denen über die Geschichte dieses
Gegenstandes etwas zu entnehmen ist, und noch heute die Grundlage für alle einschlägigen Arbeiten. Nächst J. Grimm sind
Benecke, Lachmann und Gervinus die Begründer der Deutsche Partei
gewesen. G. Fr. Benecke (1762-1844), Professor
in Göttingen, begründete das philol. Verständnis der mittelhochdeutschen Litteratur. Er hob an mit dem genauesten Studium
einzelner Dichter, deren Texte er mit peinlichster kritischer Sorgfalt und mit eindringendem Verständnis herausgab («Beyträge
zur Kenntnis der altdeutschen Sprache und Literatur», 2 Bde., Gött.
1810-32; Ausgabe von Bonerius' «Edelstein», Berl. 1816; Ausgabe des «Wigalois», ebd. 1819) und gelangte endlich zur Herrschaft
über den mittelhochdeutschen Wortschatz, den er bis in die feinsten Schattierungen der Wortbedeutung darlegt im «Wörterbuch
zu Hartmanns Iwein» (Gött. 1833; 2. Ausg. 1874),
einem für die mittelhochdeutsche Lexikographie epochemachenden Werke. Sein großartig angelegtes «Mittelhochdeutsches Wörterbuch» blieb nur ein Entwurf, dessen Ausarbeitung W. Müller und Fr. Zarncke übernahmen (3 Bde., Lpz. 1854-66). Bedeutender war Beneckes Schüler Karl Lachmann (1793-1851), seit 1825 Professor in Berlin. Von Hause aus klassischer Philolog, hat Lachmann die Textbehandlung als den Mittelpunkt philol. Thätigkeit angesehen und seine Kraft [* 18] und seinen Scharfsinn auf die Kritik verwandt. Diese seine der der Brüder Grimm entgegengesetzte Art trat bereits in seiner Erstlingsschrift «Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Not» (Berl. 1816) klar zu Tage, in der er, durch Fr. A. Wolfs «Prolegomena» angeregt, das Nibelungenlied nach der Analogie Homers in eine Anzahl ursprünglicher selbständiger Lieder auflösen wollte. Rastlos war er bemüht, nach seinen kritischen Grundsätzen die Hauptwerke der mittelhochdeutschen Litteratur zu bearbeiten. Auf Grund des von Benecke gelieferten Materials arbeitete er den «Iwein» aus (Berl. 1827; 4. Aufl. 1877). Ferner gab er heraus «Der Nibelunge Not mit der Klage» (ebd. 1826; 5. Aufl., ebd. 1878),
«Die Gedichte Walthers von der Vogelweide» (ebd. 1827; 5. Aufl. 1875) und «Wolfram von Eschenbach» (ebd. 1833; 5. Ausg. 1891). Als Ergänzung der Nibelungenausgabe erschienen seine kritischen Bemerkungen «Zu den Nibelungen und zur Klage» (ebd. 1836). Auf einen neuhochdeutschen Schriftsteller wandte Lachmann die kritische Methode an in seiner Ausgabe von «Lessings Schriften» (13 Bde., Lpz. 1838-40; 3. Aufl., besorgt von Muncker, Stuttg. 1886 fg.). Auch auf dem Gebiete der Metrik waren Lachmanns Arbeiten bahnbrechend, indem er dieselbe der Grammatik und Textkritik nutzbar machte.
Bis in die Gegenwart hinein hat sich der Kampf über das Handschriftenverhältnis und die Entstehung des Nibelungenliedes gezogen, den Lachmanns Theorie hervorgerufen. Der Bau der Wissenschaft war auf fast allen Gebieten aufgeführt. Nur die Litteraturgeschichte war seit A. W. Schlegel noch arg vernachlässigt worden, wiewohl «Goethes Dichtung und Wahrheit» ein klassisches Beispiel litterargeschichtlicher Biographie gegeben hatte. Nachdem Ludwig Uhland, dessen ¶
mehr
bekanntestes germanistisches Werk die «Alten hoch- und niederdeutschen Volkslieder» (Stuttg. 1844; 2. Aufl. 1881) sind, eine ganz vorzügliche Charakteristik Walthers von der Vogelweide veröffentlicht (ebd. 1822) und 1830-31 Vorlesungen über «Geschichte der altdeutschen Poesie» gehalten hatte («Schriften zur Geschichte der Dichtung und Sage», 8 Bde., ebd. 1865-73), nahm die deutsche Litteraturgeschichte einen gewaltigen Aufschwung durch G. G. Gervinus (s. d.), der es zum erstenmal wagte, die ganze deutsche Litteraturgeschichte von Anfang an darzustellen, dem Mittelalter freilich nicht gerecht werdend. Der Schlosserschen Schule angehörend, daher stark subjektiv, suchte er jede litterar. Erscheinung aus ihrer Zeit, im Zusammenhange mit der ganzen übrigen Kultur zu verstehen, indem er die Erscheinungen allerdings nicht an und für sich begründete, sondern sie voneinander ableitete. Seine geniale Darstellung gipfelt in Lessing, Goethe und Schiller.
Die Wissenschaft der Deutsche Partei
war nunmehr nach allen Richtungen hin fest begründet und wurde allmählich als eine der klassischen
Philologie gleichberechtigte Wissenschaft anerkannt. Nach und nach sind an allen deutschen Universitäten
besondere germanistische Lehrstühle errichtet worden. Die Zahl der Forscher ist fortwährend gewachsen. Es galt für dieselben,
den ausgeführten Bau nach allen Seiten hin auszubauen. Wir leben seit den letzten Jahrzehnten in der Zeit der Spaltung der
Deutsche Partei
in eine Reihe von selbständigen Wissenschaften.
Hatte schon J. Grimms universale Thätigkeit sich weniger auf das Gebiet der Litteraturgeschichte erstreckt und galten Lachmanns
Arbeiten wesentlich der Textkritik, so macht heutzutage die wachsende Ausdehnung
[* 20] der Wissenschaft es dem Einzelnen fast nicht
mehr möglich, alle Seiten derselben zu pflegen, auch abgesehen von der persönlichen Veranlagung des
Forschers. Vielleicht der einzige, dessen Genialität seit J. Grimm wiederum fast das ganze Gebiet der Deutsche Partei
umspannt hat,
ist Wilhelm Scherer (1841-86) gewesen, seit 1877 Professor in Berlin.
Der Lachmannschen Berliner [* 21] Schule angehörend, hat er sich in kritischen Arbeiten auf dem Felde der ältern und neuern Litteratur versucht. Es sei hier namentlich der erschöpfenden Behandlung der «Denkmäler deutscher Poesie und Prosa aus dem 8. bis 12. Jahrh.» (Berl. 1864; 3. Aufl., 2 Bde., 1892) gedacht, die er zusammen mit K. Müllenhoff herausgab. Seine Bedeutung liegt auf denjenigen Gebieten, auf denen er von Lachmann ganz unabhängig war, der Sprach- und Litteraturgeschichte.
Sein Buch «Zur Geschichte der deutschen Sprache» (Berl. 1868; 2. Ausg., neuer Abdruck 1889) ist von epochemachender Bedeutung gewesen durch die Fülle von neuen Gedanken für die Auffassung und Erklärung der sprachgeschichtlichen Thatsachen. Am meisten entsprach seiner Begabung die Charakterisierung litterar. Schöpfungen und Persönlichkeiten. Er ist mehr und mehr zu der Beschäftigung mit der neuern Litteratur, besonders dem 16. Jahrh. und Goethe, übergegangen.
Seine künstlerisch angelegte «Geschichte der deutschen Litteratur» (Berl.
1883; 6. Aufl., hg. von Edw.
Schröder, 1891) ist die neueste selbständige wissenschaftliche Darstellung unserer Litteraturgeschichte, deren Glanzpunkt
die Charakterisierung im einzelnen ist. Der Sprung von J. Grimm zu W. Scherer ist ein weiter. Allein es
läßt sich zur Zeit noch keine abschließende Geschichte der Deutsche Partei
seit
J. Grimm geben. Überblicken läßt sich allein die
Entwicklung der einzelnen Disciplinen.
Für die sprachliche Seite s. Germanische Sprachwissenschaft, für die litterargeschichtliche s. Deutsche Litteratur. Es bleibt hier also nur übrig, die Fortschritte der philol. Forschung im engern Sinne des Wortes (Textkritik) und der kulturgeschichtlichen zu besprechen. Was die erstern anbetrifft, so haben sich um die Veröffentlichung und Erklärung alt-, mittel- und neuhochdeutscher Texte nach J. Grimm zunächst besonders verdient gemacht: E. G. Graff («Diutiska», 3 Bde., Stuttg. und Tüb. 1826, 1827 u. 1829),
Hoffmann von Fallersleben («Fundgruben für Geschichte deutscher Sprache und Litteratur», 2 Bde., Bresl. 1830-37; «Horae Belgicae», 12 Bde., Bresl. und Hannov. 1831-62; Bd. 1, 2 u. 7 in 2. Ausg., 1856-57),
J. A. ^[Johann Andreas] Schmeller, H. Hattemer («Denkmale des Mittelalters», 3 Bde., St. Gallen 1842-49),
H. Fr. Maßmann («Deutsche Gedichte des 12. Jahrh.», 2 Tle., Quedlinb. 1837),
Jos. Diemer («Deutsche Gedichte des 11. und 12. Jahrh.», Wien [* 22] 1849; «Kleinere Beiträge zur ältern deutschen Sprache und Litteratur», 6 Bde., Wien 1851-67),
Moritz Haupt (durch seine vorzüglichen Ausgaben mittelhochdeutscher Dichtungen seit 1839, u. a. «Des Minnesangs Frühling», mit Lachmann, Lpz. 1857; 4. Ausg., ebd. 1888),
Ed. von Kausler («Denkmäler altniederländ. Sprache und Litteratur», 3 Bde., Tüb. und Lpz. 1840-66),
Friedrich Zarncke (Musterausgabe von «Brants Narrenschiff», Lpz. 1854; «Das Nibelungenlied», ebd. 1856; 6. Aufl. 1887),
Franz Pfeiffer, Karl Bartsch, letzterer der fruchtbarste («Untersuchungen über das Nibelungenlied», Wien 1865) und K. Goedeke (kritische Ausgabe von «Schillers sämtlichen Schriften», 15 Tle. in 17 Bdn., Stuttg. 1867-76); ferner El. Steinmeyer, Ed. Sievers (von beiden herausgegeben die «Althochdeutschen Glossen», 2 Bde., Berl. 1879 u. 1882),
A. Schönbach («Altdeutsche Predigten», 3 Bde., Graz [* 23] 1886-91),
W. Wilmanns «Leben und Dichten Walthers von der Vogelweide», Bonn [* 24] 1882; «Beiträge zur Geschichte der älteren deutschen Litteratur», Heft 1-4, ebd. 1885-88),
H. Paul («Zur Nibelungenfrage», Halle [* 25] 1877),
G. Roethe («Die Gedichte Reinmars von Zweter», Lpz. 1887),
K. Burdach, E. Schröder, Ph. Wackernagel («Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des 17. Jahrh.», 5 Bde., ebd. 1864-77),
R. von Liliencron («Die histor. Volkslieder der Deutschen», 4 Bde., ebd. 1865-69),
Joh. Bolte, B. Suphan («Herders sämtliche Werke», 31 Bde., Berl. 1877-93; Bd. 14 ist noch nicht erschienen) und M. Bernays. Eine Musterausgabe ist die von «Goethes Werken» (Weim., seit 1887 erscheinend). Über größere Sammlungen von Textausgaben s. Deutsche Litteratur (Sammlungen, S. 26 b). Ferner gehören hierher: «Bibliotheck van Middelnederlandsche Letterkunde», hg. von H. E. Moltzer u. a. (seit 1868) und «Zwolsche Herdrukken» (Zwolle, seit 1891 erscheinend). - Die deutsche Metrik haben nach W. Grimm und Lachmann besonders W. Wackernagel, Vetter, Rieger, Bartsch, Wilmanns, Paul, Minor und am meisten Sievers gefördert. - Im Anfang unsers Jahrhunderts wurden die verstreuten handschriftlichen Schätze unserer ältern Litteratur gesammelt. So ist namentlich München [* 26] ein wichtiger Centralpunkt geworden. Von großer Bedeutung war auch die Heimführung der altdeutschen Handschriften aus dem Vatikan [* 27] nach Heidelberg [* 28] 1816. Dazu kamen die Bemühungen einzelner ¶