Titel
Destillation
,
Abdestillieren, eine im chem. Laboratorium,
[* 2] wie in der
Technik vielfach vorgenommene
Operation, die darin
besteht, daß man unzersetzt flüchtige Körper in geeigneten
Apparaten in
Dampf
[* 3] verwandelt und die
Dämpfe an andern
Stellen
wieder verdichtet. Man unterscheidet zwischen einfacher D.und fraktionierter Destillation.
[* 4] Erstere
wird ausgeführt, wenn es sich um die
Trennung flüchtiger
Stoffe von nicht verdampfbaren handelt; z. B. bei der
Darstellung
der reinen
Essigsäure bringt man essigsaures Natrium und eine äquivalente Menge Schwefelsäure
[* 5] in eine
Retorte, mischt und
destilliert; es entsteht dabei freie
Essigsäure und saures schwefelsaures Natrium, von denen die erstere
abdestilliert (übergeht), während das letztere in der
Retorte zurückbleibt. Im gewöhnlichen Brunnenwasser sind Erden,
Salze, organische
Stoffe gelöst, wodurch es für manche Zwecke unbrauchbar wird. Um das Wasser von diesen
Bestandteilen zu
befreien, unterwirft man es der Destillation
, wobei jene Beimengungen als
Rückstand im Destillati
onsgefäß verbleiben.
Würde man hierbei die Destillation
so lange fortsetzen, bis alles Wasser verdampft wäre, so
würden die organischen
Bestandteile durch die größere Wärme
[* 6] zersetzt werden, die Zersetzungsprodukte würden sich dem
Destillat beimengen und dieses wieder verunreinigen, Um dies zu vermeiden, unterbricht man in diesem und in ähnlichen
Fällen die Destillation
, ehe alle verdampfbare Flüssigkeit übergegangen ist, destilliert nicht
«bis zur
Trockne». Die fraktionierte Destillation
dient dazu, bei einem Gemisch von flüchtigen Körpern verschiedener
Siedepunkte diese Körper voneinander zu trennen.
Hat man z.B. ein Gemisch zweier Flüssigkeiten, von denen die eine bei 80°, die andere bei 150° C. siedet, so kann man beim Erhitzen beobachten, wie ein in die Flüssigkeit getauchtes Thermometer [* 7] längere Zeit zwischen 80 und 90° zeigt; alsdann beginnt ein plötzliches Steigen, bis zwischen etwa 140 und 150° wieder ein Stillstand des Quecksilberfadens eintritt. Wechselt man die Vorlage, sobald man ein plötzliches Steigen des Quecksilbers im Thermometer beobachtet, so ist das Gemisch in eine Fraktion von niederm und eine von höherm Siedepunkt getrennt. Auf gleiche Weise werden dann beide Fraktionen für sich wieder behandelt, wodurch es gelingt, die beiden Bestandteile ¶
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voneinander zu trennen und beide chemisch rein darzustellen. Untenstehende
[* 8]
Fig. 1 zeigt einen Destillation
sapparat,
wie er im chem. Laboratorium zur fraktionierten Destillation
gebraucht wird. Die zur Aufnahme der zu destillierenden Flüssigkeit bestimmte
Retorte a ruht auf einem Sandbade, das mittels einer Heizvorrichtung erwärmt wird. Der Retortenhals ist aufwärts gerichtet,
um die sich schon hier verdichtenden Dämpfe zurückfließen zu lassen, was für die fraktionierte Destillation
wesentlich
ist. b ist der Liebigsche Kühler, ein von einem Blechmantel umhülltes Glasrohr, in dessen oberes Ende der in der Retorte
gebildete Dampf eintritt; dieser wird dadurch abgekühlt, daß aus dem Behälter c mittels des Trichterrohres
e kaltes Wasser durch den Blechmantel geleitet wird.
In dem Gefäß
[* 9] d, der Vorlage, sammelt sich die kondensierte Flüssigkeit (Destillat). Der in
[* 8]
Fig. 2 dargestellte Apparat dient
zur Destillation
im größern Maßstab,
[* 10] z. B. zur Darstellung der Salpetersäure aus einem Gemisch von Salpeter und Schwefelsäure.
Die Retorte ist hier in einen eisernen, zur Aufnahme des Halses mit einem Ausschnitt versehenen Kessel (Sandkapelle)
versenkt, der über einer Feuerung eingemauert ist. Der Retortenhals ist abwärts gerichtet, um die kondensierte Flüssigkeit
direkt in die Vorlage abfließen zu lassen. Aus Blech hergestellte Destillation
sgefäße, z. B. der Spiritusfabrikation,
[* 11] heißen
Blasen.
Die mehrmalige Destillation
einer Flüssigkeit bezeichnet man als Rektifikation. Hiervon macht
man in umfangreichstem Maße in der Spiritusfabrikation (s. d.) Gebrauch, um den in der vergorenen Maische enthaltenen Alkohol
von dem Wasser und seinen sonstigen Begleitern zu trennen und konstruiert die dazu bestimmten Apparate so, daß innerhalb
derselben sogleich eine wiederholte Destillation
stattfindet. Die hierbei zur Geltung kommenden
Grundsätze sind folgende: der in den Maischen enthaltene Alkohol siedet bei 78° C., also wesentlich niedriger als Wasser.
Beim Erwärmen eines Gemisches von Alkohol und Wasser (Maische, Rohbranntwein, Wein) ist es aber nicht möglich, den Alkohol vom Wasser vollständig zu trennen, sondern es bilden die übergehenden und wieder verdichteten Dämpfe nachher wieder ein Gemisch von Alkohol und Wasser, in welchem jedoch der Alkoholgehalt höher ist als in der ursprünglichen Flüssigkeit. Zwischen dem Alkoholgehalt verschiedener Gemische von Alkohol und Wasser und demjenigen des daraus entwickelten Dampfes besteht ein bestimmtes, durch Groening zuerst in folgender Tabelle aufgestelltes Verhältnis:
Alkoholgehalt in 100 Maßteilen der kochenden Flüssigkeit | Siedetemperatur (Temperatur des Dampfes) ° C. | Alkoholgehalt in 100 Maßteilen des kondensierten Dampfes | Alkoholgehalt in 100 Maßteilen der kochenden Flüssigkeit | Siedetemperatur (Temperatur des Dampfes) ° C. | Alkoholgehalt in 100 Maßteilen des kondensierten Dampfes |
---|---|---|---|---|---|
90 | 78,8 | 92 | 15 | 90 | 66 |
80 | 79,4 | 90,5 | 12 | 91,3 | 61 |
70 | 80 | 89 | 10 | 92,5 | 55 |
60 | 81,3 | 87 | 7 | 93,8 | 50 |
50 | 82,5 | 85 | 5 | 95 | 42 |
40 | 83,8 | 82 | 3 | 96,3 | 36 |
30 | 85 | 78 | 2 | 97,5 | 28 |
20 | 87,5 | 71 | 1 | 98,8 | 13 |
18 | 88,8 | 68 | 0 | 100 | 0 |
Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, daß der Siedepunkt von Alkoholwassermischungen von dem Mischungsverhältnis abhängig ist und zwar so, daß der Siedepunkt mit zunehmendem Alkoholgehalt fällt. Wenn man z. B. eine Mischung von 10 Proz. Alkoholgehalt erwärmt, so wird nach obiger Tabelle bei 92,5° C. ein Dampf entwickelt werden, der 55 Proz. Alkohol enthält. Hierdurch wird aber sofort das Mischungsverhältnis der kochenden Flüssigkeit geändert und zwar dadurch, daß mehr Alkohol als Wasser entweicht, in dem Sinne, daß die kochende Mischung immer alkoholärmer wird; es wird daher der Siedepunkt beständig steigen und der Alkoholgehalt der Dämpfe dem Alkoholgehalte der Flüssigkeit entsprechend immer abnehmen. Es ergeben sich hieraus folgende beiden Sätze:
1) Die Siedetemperatur ist abhängig von dem Mengenverhältnis der Mischung; ändert sich das
letztere durch die Destillation
, so geschieht es stets in der Richtung, daß damit ein Steigen der Siedetemperatur eintritt, bis entweder
eine unveränderliche Mischung oder ein isolierter Bestandteil erreicht ist.
2) Das Mengenverhältnis im Dampfgemisch ist abhängig vom Mengenverhältnis der flüssigen Mischung; wo beide gleich sind, bleibt auch die Siede-
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temperatur unverändert; sind sie ungleich, so ist stets derjenige Bestandteil im Dampfe stärker als in der Flüssigkeit vertreten,
dessen Abnahme in der flüssigen Mischung die Siedetemperatur derselben erhöht. Dem Umstande, daß die Zusammensetzung der
aus einer alkoholhaltigen Flüssigkeit entweichenden Dämpfe beständig alkoholärmer wird, ist es zuzuschreiben, daß bei
einer einfachen Destillation
alkoholhaltiger Flüssigkeiten, bei welcher man aus einem Gefäß überdestilliert,
der Alkoholgehalt des Destillats nicht der obigen Tabelle entspricht, sondern wesentlich niedriger ist. Um das gewonnene Destillat
zu verstärken, leitet man die aus einer Blase entwickelten Alkoholdämpfe sofort in eine zweite mit Maische (oder Wein, oder
verdünntem Branntwein) gefüllte Blase; hierdurch wird zunächst, solange der Inhalt der zweiten Blase noch
kalt ist, der aus der ersten Blase übertretende Alkoholwasserdampf kondensiert unter gleichzeitiger Erwärmung des Blaseninhalts;
dieser wird alkoholreicher und entwickelt, wenn seine Temperatur bis zum Siedepunkt des nunmehr stärkern Alkoholgemisches
gestiegen ist, einen Dampf, der wesentlich alkoholreicher ist, als der aus der ersten Blase entwickelte
Dampf. Dieses zuerst von Pistorius angewandte Princip, welches den Vorzug großer Kostenersparnis hat, ist dann bei den neuern
Apparaten wesentlich verbessert worden.
Eine erhebliche Unterstützung findet die Destillation
durch die Dephlegmation. Darunter versteht man die Verflüssigung
eines Teils der Alkoholdämpfe durch Berührung der letztern mit kältern Körpern. Während man früher
annahm, daß, wenn gemischter Dampf von Alkohol und Wasser mit einer kältern Oberfläche in Berührung kommt, sich zunächst
die Wasserdämpfe und etwaige hochsiedende Beimengungen (Fuselöl) verdichten, sodaß ein alkoholreicherer Dampf übrig bleibt,
wird neuerdings die Ansicht vertreten, daß nur dann eine Verstärkung
[* 13] der alkoholischen Dämpfe durch
Abkühlung erfolge, wenn nach dem Verdichten wiederholtes Wiederverdampfen stattfindet.
Der thatsächliche Erfolg ist unbeschadet der theoretischen Anschauung derselbe, da durch die fortwährend den Dephlegmatoren zuströmenden neuen Alkoholdämpfe ein Aufkochen der in den Dephlegmatoren niedergeschlagenen Flüssigkeit stattfindet. – Manche Stoffe haben die Eigenschaft, bei Gegenwart anderer Dämpfe (z. B. Wasserdämpfe) weit unter ihrem Siedepunkt überzugehen. Dies benutzt man in der Fabrikation der ätherischen Öle [* 14] derart, daß man die zu verarbeitende Pflanzensubstanz in zerkleinertem Zustande in den Destillierapparat bringt und nun Wasserdampf durch das Material strömen läßt; das in der Pflanzensubstanz enthaltene Öl dunstet dabei in dem Wasserdampf ab und wird mit diesem zugleich verdichtet.
Von der gewöhnlichen unterscheidet man die Trockne Destillation (s. d.). Irrtümlich wird das Wort Destillieren im gewöhnlichen Leben bisweilen für die Bereitung gewisser Extrakte angewandt: Man «destilliert» gewisse Kräuter mit Branntwein in einer verschlossenen Flasche [* 15] eine Woche lang an der Sonne. [* 16] Der richtige Kunstausdruck dafür ist Macerieren oder Maceration (s. d.). Die Destillation der Körper, die aus dem dampfförmigen Zustand unmittelbar in den festen krystallinischen übergehen, bezeichnet man als Sublimation (s. d.).
Destillation ist auch eine ziemlich gebräuchliche Bezeichnung für Spirituosenhandlung, sowie Destillateur für Liqueurfabrikant.