Titel
Dessoir
(spr. -ssŏahr), 1) Ludwig, eigentlich Leopold Dessauer, berühmter Schauspieler, geb. zu Posen [* 2] als der Sohn eines Kaufmanns, betrat hier schon mit 14 Jahren als Nanky (»Toni«) die Bühne, bei der er, nebenbei als Sekretär [* 3] und Rollenabschreiber, 1½ Jahre verblieb. Dann führte er bei ambulanten Truppen und Sommertheatern ein Wanderleben, bis er in Mainz [* 4] und Wiesbaden [* 5] ein festes Engagement, 1834 ein solches in Leipzig [* 6] fand, wo Laube zuerst auf ihn aufmerksam machte.
Von 1836 bis 1837 spielte er in
Breslau
[* 7] und unternahm darauf seine erste große Gastspielsreise nach
Prag,
[* 8]
Brünn,
[* 9]
Wien
[* 10] (Burgtheater)
und
Pest und verweilte in der ungarischen Hauptstadt zwei Jahre, bis er einem
Ruf nach
Karlsruhe
[* 11] als Nachfolger
K.
Devrients folgte. Er wirkte dort zehn Jahre und gastierte in dieser Zeit in
Mannheim,
[* 12]
Stuttgart,
[* 13]
Wien,
Berlin,
[* 14]
Leipzig und
Hamburg,
[* 15] wo
er den
Antrag erhielt,
Hoppés
Stellung in
Berlin einzunehmen, in der er bis zu seiner Pensionierung
(Oktober
1872) verblieb. Dessoir
starb in
Berlin.
Eine schwere
Krankheit hatte ihm seit 1867 nicht mehr die
Darstellung großer
Rollen
[* 16] gestattet. Von seinen alljährlichen Gastspielen
war besonders das im
Verein mit
Emil
Devrient und Lina Fuhr unternommene in
London
[* 17] epochemachend.
Lewes stellte Dessoir
als
Othello
über
Edmund
Kean, das
»Athenäum« über
Macready und
Brooks. Bis zu seinem
Engagement in
Berlin spielte Dessoir
alle
ersten Liebhaberrollen, von da ab lenkte er ins Charakterfach ein; zuletzt spielte er fast ausschließlich die ersten
Charakterrollen
in klassischen
Dramen. Selten hat ein
Schauspieler in gleicher
Weise wie Dessoir
durch die Tiefe und Folgerichtigkeit
seiner Auffassung die Gebildeten befriedigt und die
Menge durch das Überwältigende, durchaus Innerliche seiner
Darstellung
hingerissen. Am besten gelangen ihm die
Charaktere, in denen eine dämonische Naturkraft mit philosophischer
Reflexion
[* 18] sich
paart. - Seine
Gattin
Therese, geborne
Reimann, geb. zu
Hannover,
[* 19] war bis 1832 Mitglied der Hofbühne
daselbst und kam dann als erste Liebhaberin an das Stadttheater zu
Leipzig, wo sie sich mit Dessoir
vermählte. Sie folgte letzterm 1835 nach
Breslau, kehrte dann, nach der Trennung von ihm, an das
Leipziger
Theater
[* 20] zurück und folgte 1845 einem
Ruf nach
Mannheim, wo
sie starb.
2) Ferdinand, Sohn des vorigen, ebenfalls Schauspieler, geb. zu Breslau, war erst Landwirt, bildete sich dann in Mannheim für die Bühne aus und debütierte 1852 in Freiburg [* 21] i. Br. als Fürst in »Dorf und Stadt«. Nachdem er mehrere Jahre sich in den verschiedensten Rollen auf kleinern Bühnen versucht hatte, finden wir ihn 1856-57 in Stettin [* 22] in ersten komischen, auch in Charakterrollen und Buffos beschäftigt. Er gastierte dann in Kassel [* 23] und Leipzig, wo er ein längeres Engagement annahm. 1861 verheiratete er sich mit Jenny Jenke und ging nach Riga [* 24] und Bremen, [* 25] von wo er 1863-64 als Regisseur und Darsteller für erste komische und ernste Charakterrollen in Weimar [* 26] engagiert wurde, und kehrte auch nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Berlin 1867 dahin als Oberregisseur und Darsteller zurück. 1868-1869 war er Mitglied des Lobetheaters zu Breslau, trat 1870 in den Verband [* 27] der Hofbühne zu Dresden, [* 28] 1877 in den des Thaliatheaters zu Hamburg und leitete von 1878 bis 1879 das Dresdener Residenztheater, worauf er 1880 ein Engagement in Prag annahm. Zu seinen hervorragenden Rollen zählen: Vansen, Mephistopheles, Jago, Karlos, Shylock, Narziß, Argan, Falstaff.