Desintegrator
[* 1] (Schleudermühle), von Carr erfundene Maschine [* 2] zur Zerkleinerung aller Arten nicht faserigen Materials, besteht aus zwei gegenübersitzenden Scheiben ab [* 1] (Fig. 1 u. 2), welche sich mit großer Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung um eine horizontale Achse c drehen und mit in konzentrischen Kreisen stehenden Stäben dd versehen sind, die fast von einer Scheibe bis zur andern reichen, aber nur an dem einen Ende befestigt sind. Das zu zerkleinernde Material wird der Maschine nahezu im Mittelpunkt der Scheiben zugeführt und alsbald durch die Zentrifugalkraft [* 3] nach außen getrieben.
Dabei langt es nach immer wiederholtem heftigen Zusammenprallen mit den
Stäben zerkleinert an der
Peripherie der
Scheiben an.
Der Desintegrator
wirkt also lediglich durch
Stoß, denn da die
Stäbe sich nicht gegenseitig berühren, so kann von einem
Mahlen durch
Reibung
[* 4] zwischen zwei
Flächen nicht die
Rede sein. In einem Desintegrator
von 1,25 m
Durchmesser ist bei 400
Umdrehungen
in der
Minute die
Geschwindigkeit jedes Schlagstabes im innersten
Ring 16 m, im zweiten 19, im dritten 22 und im vierten 25 m
pro
Sekunde.
Trifft nun ein Teilchen, von einem Schlagstab des innern Ringes zurückgestoßen, auf einen Schlagstab des zweiten Ringes, der in entgegengesetzter Richtung sich bewegt, so wird es mit einer Geschwindigkeit von 19-16, also 3 m, auf den dritten wieder in entgegengesetzter Richtung sich bewegenden Stab [* 5] prallen und von diesem mit einer Geschwindigkeit von 22-3, also 19 m, auf den vierten Stab geschleudert werden, von welchem es endlich mit 25-19, also 6 m, Geschwindigkeit die Maschine verläßt und von der hölzernen Umhüllung aufgefangen wird.
Durch diese wiederholte teilweise Aufhebung der
Geschwindigkeiten wird die
Kohäsion des in die
Maschine gebrachten
Materials
überwunden. Die Leistung ist eine so außerordentliche, daß man den Desintegrator
in vielen
Fällen verwenden kann, wo gewöhnliche
Mühlen
[* 6] versagen. Am häufigsten findet er Benutzung zum Zerkleinern von
Quarz,
Thon,
Knochen,
[* 7]
Erzen,
Kohlen (zur Fabrikation von
Briketten),
Zucker,
[* 8]
Zement,
Schamotte,
Porzellanerde, in der Düngerfabrikation, aber
auch als
Mahlmühle für
Getreide.
[* 9]
Durch manche Verbesserung hat man dem
Apparat größere
Stabilität und Dauerhaftigkeit zu verleihen gewußt.
Indem man den Trommeldurchmesser vergrößerte, ward es möglich, die Umdrehungszahlen für die stark beanspruchten
Wellen
[* 10] zu reduzieren; immerhin aber machen die größten bis jetzt gebauten Desintegra
toren von 1,5
^[richtig: 1,5 m]
Durchmesser 400-500
Touren in der
Minute; sie erfordern dann 15-20
Pferdekräfte zum Antrieb, leisten aber
auch 20,000 kg pro
Stunde selbst von sehr hartem
Material. Desintegra
toren der gewöhnlichen
Größe von 1 m
Durchmesser verarbeiten mit einer Betriebskraft von 7
Pferdekräften durchschnittlich 7000 kg Rohmaterial zu
Pulver von ganz
bedeuten-
Fig. 2. Desintegra
tor.]
¶
mehr
der Feinheit. Als Mischapparat für verschiedene Thonsorten ist der Desintegrator
trefflich geeignet, ebenso als Vorbereitung
für Maschinen, die trocknen Thon zu verarbeiten, oder für Ziegelmaschinen, die grubenfeuchtes Material zu formen haben. Namentlich
kalksteinhaltige oder schotterige Thonsorten werden auf solche Weise billig und zweckmäßig gereinigt und die störenden
Beimengungen so gut verteilt, daß sie in der ganzen Masse unschädlich werden. Für die Verwendung des
Desintegrators
zum Mahlen von Getreide (dann auch Dismembrator genannt) ist besonders hervorzuheben, daß er ganz vortreffliches,
gleichsam zart granuliertes Mehl
[* 12] liefert, und daß sogen. totgemahlenes Mehl nicht vorkommen kann.
Fügt man den Desintegrator
in den Mechanismus der Mühle ein, so fällt ihm die Aufgabe zu, ein sehr mehlreiches
Schrot zu liefern. Der Weizen wird geputzt, zwischen Walzen leicht zerquetscht und dann in den Desintegrator
gebracht. Das von diesem gelieferte
sehr mehlreiche Schrot wird abgebeutelt, so daß man Mehl, Grieß und reines Schrot erhält, welche dann weiter verarbeitet
werden. Das Produkt des Desintegrators
soll enthalten 33 Proz. Mehl, 20 Proz. Dunst, 14 Proz. Grieß und 31 Proz. Schrot; das
Mehl gehört aber nicht zu den sogen. feinen Auszügen, die bei der Hochmüllerei aus geputzten Grießen hergestellt werden,
und da die Grießausbeute beim Desintegrator
sehr gering ist, so eignet er sich nicht für Zwecke der Hochmüllerei.
Besser verwendbar ist er für die Flachmüllerei, welche die feinen Mehle ebenfalls nicht liefert; doch sind auch hier die Vorteile
fraglich, und gegenüber der österreichischen Hochmüllerei wäre die Einführung des Desintegrators
, welcher allerdings
bei richtiger Benutzung einen Fortschritt in der Flachmüllerei gewähren würde, immer nur eine halbe
Maßregel.
Vgl. Th. Carr, History and description of the desintegrating flour mill (Birmingham [* 13] 1872);
Kick, Die neuesten Fortschritte in der Mehlfabrikation (Leipz. 1883).