Denklehre
,
s. v. w. Logik.
Denklehre
6 Wörter, 48 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Denklehre,
s. v. w. Logik.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Denklehre,
s. Logik. ^[= (grch.) oder Denklehre, die Wissenschaft von den allgemeinen Gesetzen des richtigen, zur Erkenntnis ...]
(lat. Logica, v. griech. logos, »Vernunft, Vernunftschluß«),
Denklehre, Lehre [* 4] von den Normal- (wie die Psychologie von den Natur-) Gesetzen des Denkens. Dieselbe wendet die Denkgesetze auf die Naturprodukte des Denkens, die thatsächlichen Begriffe, Urteile, Schlüsse und Schlußketten, an und gestaltet sie, denselben entsprechend, zu Kunstprodukten des Denkens, d. h. zu logischen Begriffen, Urteilen, Schlüssen und Schlußreihen, um. Je nachdem die Normalgesetze des Denkens selbst verschiedener (formaler: auf die Form, realer: auf den Ursprung des Denkprodukts bezüglicher) Art sind, nimmt auch die Logik verschiedenen (formalen oder realen) Charakter an. Da jedes Denken (s. d.) Zusammenfassen eines Mannigfaltigen und folglich jedes Produkt desselben Zusammenfassung (Synthese) eines solchen ist, so besteht die Verrichtung der Logik darin, die Notwendigkeit, Erlaubtheit oder Unerlaubtheit letzterer zu prüfen, die notwendigen oder erlaubten zuzulassen, die unerlaubten auszuschließen. Da ferner an jeder Verknüpfung die Form (das Verhältnis des Verknüpften unter sich seinem Inhalt nach) von dem Ursprung (d. h. von der Ursache derselben) zu unterscheiden ist, so kann das Denkgesetz, welches über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit derselben entscheidet, entweder deren Form (formales) oder deren Ursache (reales Denkgesetz) beteffen ^[richtig: betreffen].
Nach jenem, welches der formalen Logik zu Grunde liegt, sind diejenigen Synthesen notwendig, deren Manigfaltiges identisch oder eins durch das oder die andern begründet ist (Denkgesetz der Identität und des zureichenden Grundes), diejenigen zulässig, deren Manigfaltiges einstimmig (Denkgesetz der Einstimmigkeit oder Widerspruchslosigkeit), dagegen diejenigen unzulässig, deren Mannigfaltiges unverträglich ist (Denkgesetz des Widerspruchs). Nach diesem, welches der realen Logik zu Grunde liegt, sind alle Synthesen gültig, deren Ursache eine reale (entweder in der Vernunft: apriorische, oder in der Erfahrung: aposteriorische Synthesen, gelegene) ist.
Jene heißt reale Vernunft-, diese reale Erfahrungslogik; nach der erstern sind alle aposteriorischen (Erfahrungs-) Begriffe (Urteile, Schlüsse), nach der letztern alle apriorischen (reinen Vernunft-) Begriffe (Urteile, Schlüsse) ungültig. Bei dem gänzlich verschiedenen Charakter dieser drei Arten von ist die Verrichtung derselben dem thatsächlichen Denken gegenüber eine gänzlich verschiedene. Die formale Logik weist, um die Notwendigkeit der Verknüpfung gewisser Merkmale ¶
zum Begriff (Begriffe zum Urteil, Urteile zum Schluß) darzuthun, nach, daß zwischen denselben das Verhältnis der Identität oder der Abfolge, um ihre Erlaubtheit darzuthun, daß jenes der Einstimmigkeit, um ihre Unerlaubtheit darzuthun, daß jenes des Widerspruchs zwischen ihnen herrsche; der Übergang vom Gleichen zum Gleichen, von dem Begründenden zum Begründeten gilt ihr als denknotwendig, die Vereinigung des Einstimmigen als denkmöglich, jene des Widersprechenden als undenkbar und folglich als ungültig.
Die reale Vernunftlogik begnügt sich, den Ursprung einer thatsächlichen Synthese auf die Vernunft, die reale Erfahrungslogik, denselben auf die Erfahrung zurückzuführen, um sie dadurch (auch wenn sie formal undenkbar wäre) als real gültig darzuthun. Vom Standpunkt der erstern ist jedes formell tadellose Denken (Begriff, Urteil, Schluß), es mag im übrigen aus der Vernunft oder aus der Erfahrung stammen, vom Standpunkt der Vernunftlogik nur das aus der Vernunft, von jenem der Erfahrungslogik nur das aus der Erfahrung stammende Denken logisches Denken.
Jenes hat nur formale, dieses nur so weit materiale Wahrheit, als die Vernunft oder Erfahrung als Erkenntnisquelle Anspruch auf solche besitzt. Wo der Ausspruch der Vernunft oder der Erfahrung mit den Anforderungen der formalen Logik in Widerspruch gerät, d. h. Synthesen als durch die Vernunft oder durch die Erfahrung gegeben gelten läßt, welche die formale Logik als undenkbar, also unerlaubt, erweist, da beginnt, im Gegensatz gegen die Extreme der reinen Vernunft- (Apriorismus) und der reinen Erfahrungs- (Empirismus), die Aufgabe der echten (rational-empirischen) Philosophie, welche sowohl die »göttlich rasende« Vernunft als die »blind gehorchende« Erfahrung »zu Verstand zu bringen« sich bemüht.
Thatsächlich wird unter Logik die formale Logik verstanden, die durch Aristoteles im wesentlichen eingeführt, der aber schon durch Platon, der das Kriterium der Wahrheit im »Schauen« der Ideen erblickte, eine Vernunft- sowie durch Epikuros, der dasselbe in der sinnlichen Wahrnehmung fand, eine Erfahrungslogik entgegengestellt worden ist. Jene erhielt durch den Umstand, daß Platon den Vernunftbegriff (die Idee) zugleich für das wahrhaft Seiende erklärte, einen ontologischen Charakter; dialogischen Synthesen (die thatsächlichen Vernunftbegriffe) fielen mit dem thatsächlich Seienden als »Ideen«, die »Dialektik« fiel mit der Metaphysik als »Ideenlehre« zusammen.
Die formale Logik sowie die Erfahrungslogik, die den Begriff nur als »Gedankending«, d. h. als Zusammenfassung eines Mannigfaltigen im Denken, ansahen, behielten den Charakter einer »Denklehre« bei. Im Mittelalter, wohin die Platonische Logik durch die neuplatonisierenden Kirchenväter, die Aristotelische Logik durch die Araber verpflanzt wurde, bildete sich dieser Gegensatz zu dem zwischen realistischer und nominalistischer aus, deren erstere den Begriff (das Allgemeine, universale) als »Sache« (res),
die letztere ihn aber nur als »Namen« (nomen) oder »Zusammenfassung« (conceptus, daher Konzeptualismus) im Denken betrachtete. Aus der letztern ging nach dem Sieg des Nominalismus aufs neue der Kampf zwischen formaler und realer, sowohl Vernunft- als Erfahrungslogik hervor, in welchem die Cartesianische Lehre von den angebornen Ideen der Vernunft die Vernunft-, die Lehre Bacons vom Sinn als ausschließlicher Erkenntnisquelle die Erfahrungs-, Leibniz mit seiner die letztere einschränkenden Berufung auf den Intellekt (»nisi ipse intellectus«) die formale Logik vertrat.
Kant, indem er erklärte, die Logik habe seit Aristoteles keine nennenswerte Veränderung erfahren, hat durch seine Behauptung, daß nur die Materie, niemals aber die Form der Erfahrung gegeben sei, der Erfahrungslogik, welche sich gerade auf das Gegebensein ihrer Synthesen (dem Stoff und der Form nach) stützt, den Boden weggenommen, dagegen durch seine Behauptung, daß nicht nur die Vernunft-, sondern auch die Verstandes- und (reinen) Anschauungssynthesen apriorisch seien, die Vernunftlogik begünstigt.
Kants idealistische Nachfolger von Fichte [* 6] an sind dazu fortgeschritten, das gesamte Denken in die Vernunft zu verlegen und diese endlich (wie Platon) mit dem Seienden selbst (Hegels Panlogismus) für Eins zu erklären, wodurch die Logik abermals mit der Metaphysik zusammenfiel. Kants realistischer Nachfolger (Herbart) hat der Erfahrungslogik ihr berechtigtes Gebiet, die realen Erfahrungsbegriffe, zurückgestellt, dagegen den Anspruch erhoben, daß diese sich, wo sie Widersprüche aufweisen, also vom Standpunkt der formalen aus undenkbar erscheinen, einer Bearbeitung nach dem formalen Denkgesetz unterwerfen sollen. Die reinen Empiriker, welche diesem Anspruch der formalen Logik ebensowenig wie die reinen Vernunftphilosophen nachzugeben gewillt und in der reinen Erfahrung, ebenso wie diese in der reinen Vernunft, eine dem bloßen Verstand weit überlegene Autorität zu verehren geneigt sind, haben in J. St. ^[John Stuart] Mills »induktiver (s. unten) eine neue (eigentlich alte) Erfahrungslogik aufgestellt.
Von den zahlreichen Lehrbüchern der Logik heben wir hervor: Drobisch, Neue Darstellung der Logik nach ihren einfachsten Verhältnissen (Leipz. 1836, 5. Aufl. 1887);
Bolzano, Wissenschaftslehre (Sulzb. 1837, 4 Bde.);
Ulrici, System der Logik (Halle [* 7] 1852);
Derselbe, Kompendium der Logik (2. Aufl., das. 1872);
Trendelenburg, Logische Untersuchungen (Berl. 1840; 3. Aufl. 1870, 2 Bde.);
Überweg, System der Logik (Bonn [* 8] 1857, 5. Aufl. 1882);
Lotze, Logik (2. Aufl., Leipz. 1880);
Bergmann, Allgemeine Logik (Berl. 1879);
Wundt, eine Untersuchung der Prinzipien der Erkenntnis (Stuttg. 1879-83, 2 Bde.);
Harms, Logik (Leipz. 1886).
Die induktive Logik bearbeiteten: Herschel, Preliminary discourse on the study of natural philosophy (Lond. 1831; deutsch von Weinlig, Leipz. 1836);
J. St. ^[John Stuart] Mill, A system of logic rationative and inductive (Lond. 1843, 9. Aufl. 1875; deutsch von Schiel, 4. Aufl., Braunschw. 1877, und von Th. Gomperz, 2. Aufl., Leipz. 1886, 3 Bde.).
Vgl. Prantl, Geschichte der Logik im Abendland (Münch. 1855-61, 2 Bde.);
Harms, Geschichte der Logik (Heilbronn [* 9] 1880);
M. J. ^[Marcus Jacob] Monrad, Die Denkrichtungen der neuern Zeit (Bonn 1879).