Dendrologīe
(griech.), die
»Wissenschaft von den
Bäumen«, aber mit der Beschränkung auf diejenigen, welche in einem
bestimmten Land im
Freien aushalten und zu Anpflanzungen benutzt werden können. Die gut durchforschte
Flora eines
Landes hat
es nur mit einer ziemlich sicher abgeschlossenen Zahl von
Arten zu thun; aber die Dendrologie
erhält jährlich
neuen und sehr bedeutenden
Zuwachs an
Arten,
Varietäten,
Formen, da Reisende und
Gärtner bemüht sind, neue Gehölze einzuführen
und die Zahl der vorhandenen durch Kulturvarietäten zu vermehren.
Eine der schwierigsten Aufgaben der Dendrologie
ist es nun, eine richtige
Nomenklatur der Gehölze herzustellen,
die
Synonyme zu ermitteln und die nicht selten von gewinnsüchtigen
Handelsgärtnern aufgestellten falschen
Namen als solche
nachzuweisen. Die
Arbeit des Dendrologen ist aber um so schwieriger, als die Gehölze wegen ihres spätern und seltenern Blühens
viel schwieriger zu bestimmen sind als krautartige
Gewächse und überdies die Kulturvarietäten mehr oder weniger
leicht aus ihrem geschlossenen Formenkreis heraustreten und je nach den herrschenden Kulturverhältnissen variieren.
Manche Gehölze bewahren auch bei sehr langer Kultur mit großer Zähigkeit die ursprüngliche Form; andre bilden schon nach wenigen Jahrzehnten Varietäten, die dann sogar geschlechtlich aufeinander einwirken und die Zahl der Formen noch weiter vermehren helfen. Kreuzungen zwischen verschiedenen Arten kommen gleichfalls sehr häufig vor, und so läßt sich die spezifische Natur mancher Pflanzen erst nach jahrelanger Beobachtung feststellen, und oft gelangt man nur durch immer wiederholte Aussaaten und Auswahl der erhaltenen Pflanzen zum Ziel.
Der Kunstgärtner macht auch solche Aussaaten, aber er wählt von den Sämlingen zu weiterer Behandlung immer diejenigen aus, welche sich am meisten von der ursprünglichen Form entfernen, und erhält dadurch sein immer wechselndes Material für den Markt. Der Dendrolog verfährt in seinem Baumgarten (Arboretum) umgekehrt: er sucht bei seinen Aussaaten nach denjenigen Exemplaren, welche am meisten der ursprünglichen Form sich zu nähern scheinen, und ermittelt auf solche Weise die Abstammung unsrer Zier- und Nutzgehölze.
Blutbuche und Pyramideneiche konnten die Gärtner vor 10-15 Jahren nur auf ungeschlechtlichem Weg vermehren; gegenwärtig sind die Varietäten schon so konstant geworden, daß bei der Aussaat nur 20, höchstens 50 Proz. der Sämlinge zurückschlagen, und bei rationellem Verfahren wird man sie in 40-50 Jahren ganz konstant erhalten, so daß nur sehr lange im entgegengesetzten Sinn fortgeführte Aussaaten die ursprünglichen Arten werden erkennen lassen.
Die Dendrologie
steht im
Dienste
[* 2] der Landschaftsgärtnerei und
Landesverschönerung und hat dieser ein möglichst reiches
Material zu
liefern.
Baumpflanzungen finden sich in den ältesten
Zeiten; die
Schönheit und
Majestät der
Bäume hat
überall und zu allen
Zeiten mächtig auf das
Gemüt der
Menschen eingewirkt, und dem
Baumkultus (s. d.) begegnet man schon in
den ersten Anfängen aller
Kultur.
Früh entwickelte sich auch bei semitischen, indischen und iranischen Völkern im mittlern
und südlichen
Asien
[* 3] die
Gartenkunst, und von den
Chinesen haben die
Engländer die ersten Anregungen zur
Ausbildung jenes Gartenstils erhalten, welchen man jetzt als den vollkommensten schätzt.
Die
Römer
[* 4] gefielen sich in geschmacklosem
Verschneiden von
Bäumen und Gesträuchern zu Tiergestalten, Namenszügen etc., und
die
Franzosen trieben diese
Richtung durch
Lenôtre auf eine geistlose
Spitze. Während dieselbe aber im
Norden
[* 5]
Europas nur allzu willige
Nachahmung fand, ging
man in Südfrankreich ganz andre
Bahnen und suchte in glücklicher
Erkenntnis
der eigentümlichen
Schönheit verschiedenartiger Gehölze den Bestand durch Einführungen aus dem
Süden und
Osten
Europas und
besonders aus
Nordamerika
[* 6] zu vergrößern. Das erste dendrologische
Werk,
Duhamels
»Traité des arbres et
arbustes« (Par. 1755, 2 Bde.),
konnte schon 250 Gehölze von diesem
Terrain beschreiben und abbilden.
In den
Niederlanden gelangte gleichzeitig die Landschaftsgärtnerei
zu bedeutender
Entwickelung, und Knoop lieferte in seiner »Dendrologie«
(Leeuwarden 1763, Amsterd. 1790) eine wissenschaftliche
Übersicht des vorhandenen
Materials. Als dann der englische Gartenstil auch in
Deutschland
[* 7]
Anerkennung
und
Nachahmung fand, entstanden, namentlich im Südwesten, mehrere noch jetzt berühmte
Anlagen, von denen besonders die in
Harbke bei Helmstedt und
Schloß
Weißenstein (jetzt
Wilhelmshöhe) wichtig sind, weil sie für die Dendrologie
epochemachend wurden.
Der
Braunschweiger Duroi gab 1771-72 das erste klassische dendrologische
Werk: »Die Harbkesche wilde Baumzucht« (Braunschw., 2 Bde.;
mit
Vermehrungen und Veränderungen von
Pott, das. 1791-1800, 3 Bde.),
heraus, und Mönch lieferte ein »Verzeichnis ausländischer Bäume des Lustschlosses Weißenstein« (Leipz. u. Frankf. 1785). Weißenstein hatte seine nordamerikanischen Hölzer namentlich durch den Freiherrn v. Wangenheim, der als Hauptmann der hessischen Garde 1778 nach Nordamerika gegangen war, erhalten; in Frankreich aber vermehrte André Michaux durch seine Reisen in Persien [* 8] (1782-85) und Nordamerika (1785-96) die Zahl der kultivierten Gehölze. Dort begann 1801 die Herausgabe des »Nouveau Duhamel« (2. Aufl. von Duhamels »Traité«, Par. ¶
mehr
1801-19, 7 Bde.),
während in Deutschland Kerner 1783 die inländischen (Stuttg. 1783-92, 9 Hefte) und 1796 die ausländischen
Gehölze (Leipz., 4 Hefte) zu beschreiben anfing. In diese Epoche gehören außerdem Schmidts »Österreichische Baumzucht«
(Wien
[* 10] 1792-1822, 4 Bde.) und das bahnbrechende Werk von Willdenow: »Wilde Baumzucht« (Berl. 1796, 2. Aufl.
1811). Hayne begann mit Guimpel und Willdenow 1815 die Abbildungen deutscher und 1819 die der fremden Holzarten
und schrieb seine »Dendrologische
Flora der Umgegend und der Gärten Berlins« (Berl. 1822); Loudons »Arboretum et Fruticetum britannicum«
(Lond. 1838, 8 reich illustrierte Bände) blieb bis in die neueste Zeit der hauptsächlichste wissenschaftliche dendrologische
Ratgeber.
Aber erst durch Kochs »Dendrologie«
(Erlang. 1869-72, 2 Bde.) hat die Dendrologie
eine
dem jetzigen Standpunkt der Wissenschaft entsprechendere Ausbildung erfahren. Das dendrologische Material ist in den letzten
Jahren außerordentlich stark vermehrt worden. Willdenow beschrieb 1811 nur 770, Koch führt nahezu 1400 Arten auf; nun hat sich
aber seit Willdenow die Liebhaberei für Ab- und Spielarten und Formen ungemein entwickelt, und mit Hinzurechnung
der letztern stehen der Gärtnerei jetzt weit über 3000 verschiedene Gehölze, die bei uns im Freien aushalten, zur Verfügung.
Vgl. noch Lauche, Deutsche
[* 11] Dendrologie
(Berl. 1880);
Hartwig und Rümpler, Illustriertes Gehölzbuch (das. 1875).