Titel
Demetrius
(Dimitri), Fürsten, Großfürsten und Zare von Rußland:
1) Demetrius
I. Alexandrowitsch, Sohn des
Großfürsten
Alexander I. Newskij, ward 1258 von diesem zum
Fürsten
von
Nowgorod ernannt, nach dessen
Tod zwar von seinen
Unterthanen vertrieben, nach seines Nachfolgers
Jaroslaw I.
Tod jedoch wieder
eingesetzt. Nach dem
Tode des
Großfürsten Wasilij
Wladimir 1276 bestieg
er den großfürstlichen
Thron,
[* 3] fand aber an
seinem
Bruder
Andreas einen erbitterten Feind und wurde von demselben mit
Hilfe der
Tataren vertrieben.
Später erlangte
er den
Thron wieder und behauptete sich unter beständigen Widerwärtigkeiten bis zu seinem
Tod 1294.
2) Demetrius
II., Sohn des
Großfürsten
Michael, folgte 1320 seinem von
Georg Danilowitsch ermordeten
Vater als
Fürst von
Nowgorod, mußte aber dem Tatarenchan sein
Wort geben, daß er um das Großfürstentum mit dem
Mörder seines
Vaters nicht weiter
streiten wolle. Als jedoch 1325 beide in der
Horde des
Chans zusammentrafen, stieß Demetrius
seinen Todfeind nieder, wofür ihn der
Chan hinrichten ließ.
3) Demetrius
III. Konstantinowitsch,
Fürst von
Susdal, 1360 vom Tatarenchan als
Großfürst von
Moskau
[* 4] eingesetzt,
mußte schon 1362 dem Demetrius
IV.
Weichen und starb 1383 als
Mönch.
4) Demetrius
IV. Iwanowitsch, Donskoi, folgte 1363, vom Tatarenchan als
Großfürst bestätigt, dem vorigen, suchte den innern
Fehden
der Lehnsfürsten und den verheerenden Einfällen Nowgorodscher
Freibeuter zu steuern und ließ seit 1367 den
Kreml zu
Moskau erbauen, wohin er seine
Residenz verlegte. Er erwehrte sich 1368 glücklich der Litauer, und als der Tatarenchan
Mamai in Rußland einfiel, um
Michael von
Twer auf den
Thron von
Moskau zu setzen, wußte ihn Demetrius
zu versöhnen und ward von demselben
im
Besitz des Großfürstentums bestätigt. Ein
Krieg mit dem
Fürsten
Michael von
Twer endete mit der Unterwerfung
Michaels. Darauf
zog Demetrius
gegen die kasanischen
Bulgaren, zwang ihren
Sultan Machmet zur Unterwerfung, brach dadurch offen mit dem
Chan Mamai und
schlug das gegen ihn geschickte
Heer desselben Zwei Jahre später erfocht er auf
der
Ebene von Kulikowo einen großen
Sieg über die
von dem
Chan selbst befehligten
Tataren und erhielt deshalb den Ehrennamen
Donskoi, d. h. der
Donische. Dem neuen
Chan, Tochtamysch, gelang es aber schon 1382,
Moskau zu erobern, wo seine
Scharen entsetzlich
hausten. Demetrius
, der nach
Kostroma geflohen war, soll bei seiner Rückkehr über 24,000 Erschlagene gefunden
haben. Unter diesen Umständen gelang es ihm nicht, die vollständige
Befreiung Rußlands von den
Tataren zu erreichen. Er
starb seinen 17jährigen Sohn Wasilij als Nachfolger hinterlassend.
5)
Jüngster Sohn
Iwans IV., des Schrecklichen, geb. wenige
Monate vor dem
Tod seines
Vaters,
ward unter
Zar
Feodor Iwanowitsch mit seiner
Mutter
Maria nach
Uglitsch verwiesen und daselbst, wahrscheinlich auf Befehl des
Boris Godunow (s. d.), ermordet. Nach andern Angaben rettete ihn seine
Mutter, indem sie ein ähnliches
Kind unterschob. Aus
der Ungewißheit seines
Todes entstanden die falschen Demetrius
(Pseudo-Demetrius
), deren erster 1603 auftrat
und nach der, wie man auf
Grund der Ergebnisse der neuesten Forschungen annehmen kann, fälschlichen Angabe derer, die ihn
für unecht hielten, ein
Mönch aus dem
Kloster Tschudow,
Namens Grischka Otrepjew, gewesen sein soll. Er entdeckte sich zuerst
dem
Fürsten Wisniewezki in
Litauen, bei
dem er in
Diensten stand, und dann dem
Woiwoden von
Sandomir, Mniszek,
der ihn dem polnischen König
Siegmund III. vorstellte und ihm seine Tochter Marina zur Gemahlin gab. Um Einfluß auf Rußland
zu gewinnen, unterstützten ihn die
Polen, und er begann nun den
Krieg gegen
Boris, der, wiederholt geschlagen,
plötzlich starb, wie einige meinen, an
Gift.
Boris' Sohn und Nachfolger
Feodor ward kurz, bevor Demetrius
1605 in
Moskau einzog und den
Thron bestieg, nebst seiner
Mutter erdrosselt.
Demetrius
regierte mit
Kraft
[* 5] und Umsicht; doch brachte er durch allerlei Neuerungen in
Tracht und
Sitte, insbesondere durch seine Bevorzugung
der abendländischen
Kultur, die
Großen des
Reichs gegen sich auf; als seine
Braut, die katholische Marina Mniszek, mit 2000
Polen
in
Moskau erschien, erregte die
Haltung der letztern allgemeinen Unwillen.
Während der Hochzeitsfeier entstand ein
Aufstand in
Moskau; der
Pöbel und ein Soldatenhaufe, vom
Fürsten Wasilij
Schuiskij,
dem Demetrius
schon früher einen
Verrat großmütig verziehen, geführt, brach in den
Kreml ein, wobei Demetrius und
viele
Polen ermordet wurden. Marina, kaum dem
Tod entronnen, ward in den Kerker geworfen.
Vgl. über Demetrius die russischen Schriften von Usträlow (Petersb. 1831-35, 5 Bde.) und Kostomarow (1864);
Mérimée, Der falsche Demetrius (deutsch, Leipz. 1869);
Pierling, Rome et Demetrius (Par. 1878), u. a. Schiller benutzte seine Geschichte zu seinem unvollendeten Drama »Demetrius«.
Ein zweiter falscher Demetrius trat sehr bald, nachdem Wasilij Schuiskij den Thron bestiegen, auf, gab sich für Eine Person mit dem ersten aus und behauptete, sich aus Moskau gerettet zu haben. Er schlug wiederholt die Truppen des Zaren und fand besonders Anhang, als die herrschsüchtige Marina nach ihrer Befreiung ihn als ihren Gemahl anerkannte. Er residierte längere Zeit im Dorf Tuschino in der unmittelbaren Nähe von Moskau und besetzte eine große Menge von Städten in der ganzen Umgegend, insbesondere im Norden [* 6] Rußlands, so daß der Zar Wasilij Schuiskij genötigt wurde, die Hilfe Schwedens im Kampf gegen den Prätendenten und die ihn unterstützenden Polen in Anspruch zu nehmen. Das stark befestigte Kloster Troizk hatte von den »Tuschinzy«, wie die Anhänger ¶
mehr
des zweiten Demetrius genannt wurden, eine lange Belagerung auszuhalten. Als aber der polnische Hetman Zolkjewski nach Wasilijs Sturz Moskau für Siegmunds III. Sohn Wladislaw in Besitz nahm, floh der Pseudo-Demetrius nach Kaluga und ward dort 1610 ermordet. Ein dritter falscher Demetrius trat 1611 eine kurze Zeit in Nowgorod auf.