Demēter,
in der griech. Mythologie die Göttin des Ackerbaues und der bürgerlichen Ordnung, war die Tochter des Kronos und Schwester des Zeus. [* 2] Als Vertreterin der Fruchtbarkeit der Erde (die natürlich als Mittelpunkt der Welt erscheint) tritt sie in mancherlei Beziehung zu den drei Brüdern, die sich in die Herrschaft der Welt geteilt hatten. Dem Zeus gebar sie die Persephone [* 3] (Proserpina), dem Poseidon, [* 4] der die in eine Stute verwandelte Göttin in Gestalt eines Hengstes überwand, eine Tochter und das Roß Arion.
Ihre Tochter
Persephone ward ihr von
Hades, wie der 1772 in
Moskau
[* 5] entdeckte Homerische
Hymnus auf Demeter
[* 6] erzählt, bei Nysa, nach
der gewöhnlichen
Sage bei
Enna auf
Sizilien
[* 7] geraubt.
Neun
Tage irrte Demeter
umher, die Tochter suchend, deren Hilferuf nur
Hekate
[* 8] und
Helios
[* 9] gehört hatten. Als
ihr am zehnten
Tag letzterer den
Raub entdeckte, mied sie zürnend den
Olymp
und ging zu
Keleos nach
Eleusis.
Dort setzte sie sich in Gestalt einer bejahrten
Frau im
Schatten
[* 10] einer
Olive an einem
Brunnen
[* 11] (Parthenion
oder Kallichoron) nieder.
Von des
Keleos Töchtern freundlich begrüßt und nach der
Heimat gefragt, erzählte sie, sie heiße
Dos
(die Suchende ?), sei durch
Räuber aus
Kreta geraubt, diesen aber entflohen, und
bat um
Aufnahme. Die
Mutter der
Jungfrauen, Metaneira,
nahm die
Fremde auf und vertraute ihr ihren jüngsten Sohn,
Demophon, zur Wartung an. So erweist sich die
Göttin des
Ackerbaues,
der
Baum- und
Viehzucht und
[* 12] aller
Kultur, die sie im
Gefolge haben, auch durch
Pflege und
Erziehung der
Helden
als Begründerin und Festigerin der Volkskraft und der
Gemeinde. Demeter
legte den
Knaben des
Nachts ins
Feuer, um ihm ewige
Jugend
zu verschaffen, ward aber von Metaneira belauscht und durch das Jammergeschrei derselben gestört.
Die
Göttin gab sich zu erkennen und gebot den
Bau eines Heiligtums bei dem
Brunnen, in dem sie dann wohnte.
Noch immer zürnend, ließ sie Mißwachs auf
Erden eintreten.
Zeus entsandte endlich den
Hermes
[* 13] in die
Unterwelt, um die
Persephone
zurückzuführen, und bewilligte, daß dieselbe nur den
Winter im unterirdischen
Dunkel, die übrige Zeit
bei der
Mutter zubringe.
Nun erst ließ Demeter
versöhnt die
Saat wieder emporsprossen und kehrte auf den
Olymp zurück. Zuvor aber
lehrte sie die Herrscher von
Eleusis,
Triptolemos,
Diokles,
Eumolpos und
Keleos, den
Gebrauch der heiligen
Opfer und die eleusinischen
Weihen; ihrem Liebling
Triptolemos (s. d.) insbesondere übertrug sie das
Geschäft der Verbreitung des
Ackerbaues und ihres
Dienstes. Das Gedeihen der Feldfrucht bleibt stets der
Mittelpunkt in dem weitgreifenden Walten dieser
Göttin, hat aber außer der Anwendung auf das
Politische noch nach zwei Seiten seine
Symbolik und
Parallele:
[* 14] in Bezug auf
Zeugung,
Geburt und Kinderpflege und in Bezug auf
Bestattung und
Verkehr mit dem
Reich der
Toten überhaupt. So war
Demeter
als
Göttin des weiblichen
Lebens, im besondern der
Ehe, nahe verwandt mit der
Bona Dea der
Römer,
[* 15] und
¶
mehr
als solcher wurden ihr ganz besonders die Thesmophorien (s. d.) gefeiert, das Fest der (Ehe-) Satzungen (Ende Oktober als Saatzeit).
Aber auch als Göttin der Gesittung überhaupt, welche als Folge des Ackerbaues angesehen wurde, galt die Demeter
Thesmophoros, und
»vordemeter
isches« Leben war gleichbedeutend mit wildem nomadischen Leben. Verehrt wurde Demeter
außer in Eleusis,
dem uralten Sitz des Demeter
kultus, besonders auf Kreta und den nördlichen Eilanden, in Argolis, Arkadien, auf der Westküste
von Asien,
[* 17] in Sizilien und Italien.
[* 18]
Ihr Dienst bestand zum Teil in einem Geheimdienst. Zu den ihr geweihten Festen gehörten außer den genannten Thesmophorien die athenischen Proerosien, das Fest, das dem Bestellen der Felder voranging;
die Chloen, Opfer für die reifende, aber noch grünende Saat;
die Haloen (»Tennenfest«);
die Thalysien, das Fest der Erstlingsopfer von Feldfrüchten, und die Eleusinien (s. d.).
Die Römer identifizierten Demeter
mit ihrer Ceres (s. d.), einer ursprünglich altitalischen Göttin.
Vgl. Preller, Demeter
und Persephone, ein Cyklus mythologischer Untersuchungen (Hamb. 1837);
Förster, Der Raub und die Rückkehr der Persephone (Stuttg. 1874).
Dichterisch verarbeitet ist der Mythus der Demeter
in Schillers »Klage der Ceres« und »Das eleusische Fest«.
In den Kunstdenkmälern gewinnt Demeter
erst ziemlich spät größere Bedeutung. Während die ältere Zeit ihr
Verhältnis zu Poseidon, mit dem sie im Zwölfgötterkreis zusammengestellt wird, sowie ihr Wirken in der
Natur in eigentümlicher Symbolik andeutet (so bildet sie Onatas für Phigalia mit Pferdekopf, Delphin und Taube in der Hand),
[* 19] betont
die spätere Kunst vorzugsweise ihr Verhältnis zu Persephone, deren Verlust und Wiedergewinnung Kultus und Kunst gleich sehr
gefeiert haben. So prägt sich in Demeter
, wesentlich unter Mitwirkung der attischen und zwar
zum Teil erst der Praxitelischen Schule (Praxiteles selbst bildete sie in einer Gruppe), das Ideal der Mütterlichkeit aus in
den matronalen Formen,
der vollen Bekleidung und der Verschleierung des Hinterhauptes, am edelsten verklärt in der sitzenden
Statue von Knidos (jetzt im Britischen Museum in London).
[* 20]
Üppiger wird ihre Erscheinung in der römischen Kunst, die auch die halbe Entblößung des Busens nicht scheut, ihr Mohn und
Ähren in die Hand gibt, den Fruchtkorb zur Seite stellt, auch den Ährenkranz auf das Haupt drückt. In dieser Auffassung,
auf stattlichem Thron
[* 21] sitzend, zeigt sie ein pompejanisches Wandgemälde
[* 6]
(Fig. 1). Hier
und schon in griechischer Zeit wird ihr meist eine größere Fackel in die Hand gegeben. Wie sie mit fliegendem Gewand auf
einem Drachenwagen dem Räuber ihrer Tochter (s. Persephone) nacheilt, wird auf Sarkophagreliefs häufig dargestellt; noch
beliebter ist, namentlich auf Vasenbildern, die Aussendung des Triptolemos, der die Gabe der Demeter
, die Kornähren,
über die Erde verbreitet.
Dieser Akt in streng religiöser Auffassung ist auf einem kolossalen Flachrelief des edelsten attischen Stils, welches in Eleusis
gefunden wurde und sich jetzt im Nationalmuseum zu Athen
[* 22] befindet, wiedergegeben
[* 6]
(Fig. 2). Man sieht links die jugendlichere
Gestalt der Persephone, mit langem mädchenhaften Haar
[* 23] und Zepter, welche die Ähren an Triptolemos gibt.
Hinter ihm steht in reicher matronaler Bekleidung, die lange Fackel in der Linken, Demeter
, dem Jüngling einen Kranz (aus Bronze,
[* 24] daher fehlend) aufsetzend. In Reliefdarstellungen der Mysterienweihe hat die sitzende Demeter
den Modius auf dem Kopf,
die verhüllte Ciste in der Linken, ein zum Opfer dienendes Schweinchen in der Rechten.
Vgl. Overbeck, Griechische Kunstmythologie, 4. Buch:
»Demeter
und Kora«, mit Atlas
[* 25] (Leipz. 1873 ff.).
[* 6]
^[Abb.: Fig. 1. Demeter
(Wandgemälde zu Pompeji).]
[* 26]
^[Abb.: Fig. 2. Demeter und Persephone, den jungen Triptolemos weihend (Relief von Eleusis, Athen).]