Titel
Delisle
(spr. dölihl), 1) Guillaume, franz. Geograph, geb. zu Paris, [* 2] gab zahlreiche Kartenwerke heraus, die sich durch Eleganz und Schärfe des Stiches vor den frühern rühmlich auszeichneten, wurde 1702 Mitglied der Pariser Akademie der Wissenschaften, erhielt den Titel eines königlichen ¶
mehr
Geographen und von Ludwig XIV. den Auftrag, den Dauphin (nachherigen König Ludwig XV.) in der Erdkunde
[* 4] zu unterrichten. Im Auftrag
Peters d. Gr. lieferte er eine große Karte des Kaspischen Meers, dessen wahre Lage und Gestalt dadurch zuerst bekannt wurde.
Außerdem verfaßte Delisle
einen »Traité du cours des fleuves« (Par. 1720). Er starb Delisle
war
der erste, der eine wissenschaftlich vergleichende Geographie anbahnte, indem er bei seinen Werken stets auch die Arbeiten
von Reisenden und die Werke der Naturforscher benutzte.
2) Joseph Nicolas, Bruder des vorigen, Astronom, geb. zu Paris, ward Professor am Collège de France und hatte als solcher die Astronomen Lalande und Messier zu Schülern. Im J. 1725 siedelte er nach Rußland über und wurde der Begründer einer astronomischen Schule bei der Akademie der Wissenschaften zu Petersburg, [* 5] aus welcher mehrere russische Astronomen von Ruf hervorgingen. Im J. 1740 beobachtete er in Sibirien den Durchgang des Merkur [* 6] durch die Sonne. [* 7] Er hatte auch vielen Anteil an der Herausgabe des großen Kyrilowschen Atlas [* 8] des russischen Reichs und trug durch seine Reisen zur Bereicherung der Physik und Erdkunde bei.
Seine astronomischen Beobachtungen beziehen sich namentlich auf Finsternisse. Im J. 1747 kehrte er wieder nach Paris zurück und starb Er schrieb: »Mémoires sur les nouvelles découvertes au nord de la mer du Sud« (Par. 1752);
»Mémoires pour servir à l'histoire de l'astronomie, de la géographie et de la physique« (Petersb. 1738, 4 Bde.);
»Eclipses circumjovialium, sive immersiones quatuor satellitum Jovis, ad annos 1734, 1738 et menses priores 1739« (hrsg. von Kirch, Berl. 1734).
3) Louis, nach einem von mütterlicher Seite angenommenen Beinamen de la Croyère genannt, Bruder des vorigen, ebenfalls Astronom, bereiste, um die Lage mehrerer wichtiger Standpunkte in Rußland astronomisch zu bestimmen, das Gouvernement Archangel und Sibirien bis nach Kamtschatka und begleitete den Kapitän Bering auf seiner Fahrt 1741 von Kamtschatka nach Amerika, [* 9] starb aber 22. Okt. d. J., als er eben von der amerikanischen Küste zurückgekommen war, in der Awatschabai.
4) Léopold Victor, franz. Paläograph und Historiker, geb. zu Valognes (Manche), besuchte seit 1847 die École des
chartes und veröffentlichte in der »Bibliothèque«
derselben mehrere wichtige Abhandlungen, wie »Recherches sur les revenus publics en Normandie au XII. siècle« und »Les monuments
paléographiques concernant l'usage de prier pour les morts«. Ebenso wurde ihm für seine Lösung der Aufgabe »Rechercher
la condition de la classe agricole en Normandie au moyen-âge« (1851) von seiten der Akademie der Preis
Gobert zu teil. Delisle
erhielt 1852 eine Anstellung an der kaiserlichen Bibliothek, wurde 1857 zum Mitglied der Akademie der Inschriften
und 1874 zum obersten Vorstand der Bibliothek ernannt.
Von seinen Werken führen wir an: »Cartulaire normand de Philippe-Auguste« (1852);
»Catalogue des actes de Philippe-Auguste« (mit einer reichhaltigen Einleitung, 1856);
»Recueil de jugements de l'échiquier de Normandie au XIII. siècle« (1860);
»Inventaire des manuscrits du fonds latin« (1863-71, 5 Bde.);
»Documents sur les fabriques de faïence de Rouen« [* 10] (1865);
»Observations sur l'origine de plusieurs manuscrits de la collection de M. Barrois« (1866);
»Histoire du château et des sires de Saint-Sauveur-le-Vicomte« (1867);
»Le [* 11] cabinet des manuscrits de la Bibliothèque nationale« (1869-81, 3 Bde.);
»Chronique de Robert de Torigni« (1872-74, 2 Bde.);
»Inventaire général et méthodique des manuscrits français« (1876-78, 2 Bde.);
»Mélanges de paléographie et de bibliographie« (1880).
Auch leitet er die Herausgabe des »Recueil des historiens des Gaules et de la France«.