Delaroche
(spr. -rósch), Paul (eigentlich Hippolyte), franz. Maler, geb. zu Paris, [* 2] war kurze Zeit Schüler des Landschaftsmalers Watelet und arbeitete dann vier Jahre lang im Atelier von Gros, an dessen realistische Historienbilder, wie die Pestkranken in Jaffa, er anknüpfte. Sein erstes, im Salon von 1822 ausgestelltes Bild: Joas, als Kind von Josabeth dem Tod entrissen, war noch nicht frei von dem Klassizismus und dem gespreizten Pathos seiner Schulzeit.
In der Jeanne d'Arc, im Gefängnis vom Kardinal von Winchester verhört (Salon von 1824), gab sich jedoch bereits das Bestreben kund, historische Realität mit romantischer Empfindung zu verbinden. Hierauf folgten 1827 eine Szene aus der Bartholomäusnacht (Museum in Königsberg) [* 3] und der Tod der Königin Elisabeth von England (im Louvre), durch Kolorit, Kleiderpracht, Lichtgebung und Komposition ebenso hervorragend und epochemachend wie durch die historische Kraft [* 4] und Wahrheit. Noch bedeutender und von reicherer dramatischer Bewegung war ein drittes Bild desselben Jahrs: die Ermordung des Präsidenten Duranti durch den Pöbel. Der Salon von 1831 brachte vier Hauptwerke, welche ¶
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ihn besonders populär gemacht haben: Richelieu, die beiden Verschwörer de Thou und Cinq-Mars auf einem dem seinigen angehängten Schiff [* 6] die Seine hinauf zum Tod führend, und Mazarin, krank in glänzendem Hofkreis am Kartenspiel teilnehmend, die großen historischen Bilder: Cromwell am Sarg Karls I. (im Museum zu Nîmes) und die Kinder Eduards IV. von England im Tower im Moment vor ihrem Tod (Louvre). Im Salon 1834 trug das Gemälde: Jane Grays Hinrichtung im Tower den Preis davon, 1835 die Ermordung des Herzogs von Guise (im Besitz des Herzogs von Aumale), mit welchem Bild er den Höhepunkt in seinen historischen Darstellungen, die meist tragische Katastrophen schilderten, erreichte.
Ehe jedoch das letztere Werk an die Öffentlichkeit gelangte, hatte sich in Delaroche
ein Umschwung von der historischen zur idealen
Richtung vollzogen, veranlaßt durch den Auftrag, die Madeleinekirche auszumalen, wozu er sich 1834 durch eine Reise nach Italien
[* 7] vorbereitete. Die Ausführung des Werkes ward zwar wegen der Anordnung der Mitbeteiligung Zieglers von
ihm abgelehnt; die Früchte seiner Studien aber bekundeten sich besonders in seinem größten, 1841 vollendeten Werk, dem sogen.
Hémicycle, einem Wandgemälde im halbrunden Saal der École des beaux-arts, die Apotheose der bildenden Künste darstellend,
einer Komposition mit 74 Figuren auf einem Flächenraum von 16 m Länge und 5 m Höhe. Delaroche
hat hier eine Reihe
von Künstlern, welche drei verschiedenen Jahrhunderten angehören, zu einem malerisch wirkungsreichen Bild gruppiert, welches
jedoch aus Mangel an Einheit und Größe des Stils keinen monumentalen Eindruck hervorruft.
Auch ist es ihm nicht gelungen, die allegorischen Figuren mit den realistisch-historischen Gestalten harmonisch zu vereinigen. Das Bild ist auf mit siedendem Öl getränktem Stein mit Öl gemalt. Als er 1843 wiederum Italien besuchte, gewann seine Neigung zum Idealen eine religiöse Richtung durch den Tod seiner Gemahlin, so daß die Werke seines letzten Jahrzehnts vorwiegend diesem Gebiet angehören, wie die Pietà, Maria am Kreuzigungstag in ihrer Kammer, Maria am Fuß des Kreuzes, Marias Heimweg von Golgatha, Maria in Betrachtung der Dornenkrone, die im Tiber treibende Leiche einer Märtyrerin.
Historie und historisches Genre pflegte er nur noch, wenn der Gegenstand seiner trüben Stimmung entsprach, wie in der Abführung Marie Antoinettes nach dem Urteilsspruch (1852) und in den Girondisten im Gefängnis (1836-1846). Sonst suchte er innige Motive aus dem italienischen Volksleben, wie z. B. die ruhenden Pilger an der Piazza di San Pietro (Galerie Raczynski in Berlin). [* 8] An zwei Bestellungen: Napoleon, auf dem Maultier gedankenvoll über den St. Bernhard reitend und nach der Schlacht bei Waterloo [* 9] zu Fontainebleau (Museum zu Leipzig), [* 10] reihte sich auch eine bedeutsame Thätigkeit als Porträtist: unter andern sind der Papst Gregor XVI., Abel Rémusat, Guizot, Thiers, der General Changarnier, de Salvandy, Pourtalès etc. von ihm gemalt worden.
Delaroches
Gemälde sind fast alle von den besten Kupferstechern Frankreichs, Mercuri, Henriquel-Dupont, Prudhomme,
Prévost, Martinet, Gérard u. a., gestochen und daher in weiten Kreisen bekannt geworden. Seine vier historischen Gemälde
zu Versailles
[* 11] sind, wie dies den meisten großen Künstlern Frankreichs bei diesen Aufgaben begegnete, seine untergeordnetsten
Werke. Auch in der Plastik hat sich Delaroche
mit Erfolg versucht, wie sein heil. Georg in Bronze
[* 12] beweist. Er war
seit 1832 Mitglied des Instituts und mehrerer Akademien, Inhaber des
preußischen Ordens pour le mérite und starb Wie
Delacroix das Haupt der romantischen Richtung, so ist Delaroche
das Haupt der französischen Geschichtsmalerei.
Den von David und seinen Nachfolgern eingeschlagenen Weg verlassend, brach er ihr eine neue Bahn, indem
er zwischen der romantischen und klassizistischen Richtung geschickt vermittelte. Ein Genie wie Delacroix war er jedoch nicht,
sondern eine kühle, nüchterne Natur ohne Phantasie. Korrektheit der Zeichnung, Wärme
[* 13] und Durchsichtigkeit des Kolorits, wirkungsvolle
Kontraste von Licht
[* 14] und Schatten,
[* 15] breite Pinselführung und namentlich große Gewandtheit in der Stoffmalerei
zeichnen seine Werke aus. Delaroche
war aber weniger der Maler der Ereignisse, der historischen Thatsachen selbst als der Eindrücke,
die sie auf die Seele der daran Beteiligten hervorbrachten, wodurch der Beschauer gleichsam Teilnehmer der Handlung wird.
Vgl. Jul. Meyer, Geschichte der französischen Malerei (Leipz. 1867);
Rosenberg, Geschichte der modernen Kunst, Bd. 1 (das. 1884).