Titel
Delacroix
(spr. dölakrŏa), 1) Eugène, franz. Maler, Hauptrepräsentant der sogen. romantischen Schule, geb. zu Charenton St.-Maurice bei Paris, [* 2] war Schüler Guérins, dessen Richtung er aber, mit genialer Kühnheit die von der ältern klassischen Schule gezogenen Schranken durchbrechend, bald verließ, um eine neue Bahn einzuschlagen. Alle seine Werke beurkunden sein Streben nach imponierender Wirkung, nach scharfen Kontrasten in oft übertriebenem Ausdruck, nach grellem, besonders in der Beleuchtung [* 3] beruhendem Effekt.
Dieses Streben gab sich schon in seinem ersten, für die französische Malerei epochemachenden, im Salon von 1822 ausgestellten Werk: Dante und Vergil, über den See der Höllenstadt fahrend (im Louvre), kund. Einen noch größern, die Anhänger der Davidschen Schule niederschmetternden Eindruck machte 1824 das aus dem Enthusiasmus für den griechischen Freiheitskampf herausgewachsene Gemetzel von Chios (Louvre), welches gewissermaßen als das Manifest der romantischen Schule zu betrachten ist.
Nachdem Delacroix
1825 noch eine
Reise nach
London
[* 4] gemacht und dort mit der englischen Litteratur, besonders mit
Shakespeare und
Byron, näher bekannt geworden, entfaltete er eine große, fast an
Rubens erinnernde
Fruchtbarkeit und behandelte
Stoffe aus der
Mythologie, der christlichen
Religion, der
Politik, dem Volksleben, der
Poesie und der
Allegorie. Daneben schuf
er Schlachtengemälde,
Porträte,
[* 5]
Konversations-,
Marine- und Tierstücke in
Öl und Aquarell, umfangreiche
Fresken und selbst
Radierungen.
Der berechneten schematischen Gruppierung der klassischen Schule setzte er ein buntes Gestaltengewimmel entgegen. Überall in seiner Malerei zeigt sich wilde, ungebändigte Kraft [* 6] und Energie, die ihn mit der Davidschen Schule in schroffen Gegensatz bringen mußte. Während er aber in Bezug auf Farbenreichtum, lebendigen Ausdruck, wirkungsvolle Komposition und Darstellung noch unübertroffen ist, läßt er Eleganz und Korrektheit sowie Erhabenheit des Stils oft vermissen, nicht minder die volle Durchführung seiner meist nur mit anscheinend skizzenhafter Leichtigkeit hingeworfenen Werke.
Seine im
Nachlaß gefundenen
Studien haben jedoch ergeben, daß er ein vortrefflicher Zeichner war, welcher mit Absicht den
Umriß der koloristischen
Wirkung opferte. Während der
Künstler auf der einen Seite leidenschaftlich gepriesen
ward, traf ihn von der andern ungebührliche Herabsetzung. Delacroix
war vornehmlich der Abgott der neuerungslustigen
Jugend unter den Künstlern und hat unter dieser zahlreiche
Schüler und Nachahmer, wiewohl er keine eigentliche
Schule gebildet
hat.
Von seinen größern Werken sind zu nennen: Hellas, trauernd auf den Ruinen Missolunghis (1826);
die Enthauptung des Dogen Marino Falieri (nach Byron);
Milton mit seinen Töchtern;
Christus am Ölberg (in der Kirche St.-Paul zu Paris);
Sardanapal auf dem Scheiterhaufen;
die
Göttin der
Freiheit, das
Volk führend (im
Louvre), und der
Tod des
Bischofs von
Lüttich,
[* 7] nach W.
Scotts »Quentin Durward«. Im J. 1832 wurde der
Künstler einer außerordentlichen Gesandtschaft beigegeben,
welche
Ludwig
Philipp an den
Kaiser von
Marokko
[* 8] abgehen ließ, bedeutungsvoll dadurch, daß von nun ab der französischen
Malerei
ein neues und ebenso weites wie der Farbenlust zusagendes
Feld eröffnet wurde, nämlich der
Orient. Im
Orient erhielt der Kolorismus von Delacroix
durch den Einfluß des Sonnenlichts erst seine volle
Reife, wofür die Genrebilder: algierische
Frauen im
Harem (1834,
Louvre), die jüdische
Hochzeit in
Marokko und die
Konvulsionäre von
Tanger ein glänzendes
Zeugnis ablegen.
Die koloristische Weiterentwickelung ist aber auch an seinen Historiengemälden zu erkennen, wie in
Ludwig
dem
Heiligen in der
Schlacht gegen die
Engländer auf der
Brücke
[* 9] von Taillebourg an der
Charente (in
Versailles),
[* 10]
Medea (1838,
in
Lille),
[* 11]
Kleopatra (1839), dem
Urteil Trajans (1840), der
Einnahme von
Konstantinopel
[* 12] durch die
Kreuzfahrer (im
Louvre), dem
Tod
Mark Aurels (1845, in
Toulouse),
[* 13]
Christus am
Kreuz
[* 14] (1847),
Kreuzabnahme (in der
Kirche
St.-Louis zu
Paris) etc.
Im Bibliotheksaal des
Luxembourg malte
er an der
Decke
[* 15] historische
Bilder, worunter das Hauptbild
Dante und Vergil unter den berühmtesten
Dichtern,
Philosophen, Staatsmännern und
Helden des
Altertums darstellt. Im jetzigen
Palais du
Corps législatif schmückte
er den
sogen.
Salon du
Roi mit den allegorischen Gestalten der
Gerechtigkeit, der
Industrie, der
Landwirtschaft und
des
Kriegs sowie mit den
Genien der
Wissenschaft, der
Kunst, des Landlebens und der
Stärke.
[* 16] Zu den letzten Werken Delacroix'
gehören
das große mythologische Mittelbild am
Plafond der Apollogalerie des
Louvre, den
Kampf
Apollos mit dem
Python darstellend, und
die
Darstellungen des
Kampfes
Michaels gegen Luzifer, der Vertreibung Heliodors und des Ringkampfes zwischen
Jakob und dem
Engel
in der Engelkapelle der
Kirche St.-Sulpice zu
Paris. Außerdem entwarf er 17
Lithographien zur Übersetzung des Goetheschen
»Faust« von A. Stapfer (1828) und
Illustrationen zu
Shakespeares
»Hamlet« (1843).
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Überhaupt waren Szenen aus den Werken der genannten Dichter sowie aus Walter Scotts Romanen Delacroix'
Lieblingsstoffe. Als Schriftsteller
trat er mit einem Aufsatz über Michelangelo und dessen Jüngstes Gericht in der »Revue des Deux Mondes« (1837) sowie mit verschiedenen
Beiträgen zum »Plutarque français« auf. Delacroix
starb Erst
längere Zeit nach seinem Tod wurde seine Wertschätzung als größter Meister der französischen Schule
nach David allgemein, wodurch eine umfangreiche Litteratur über ihn hervorgerufen wurde.
Vgl. Moreau, E. Delacroix
et son œuvre
(Par. 1873);
Ph. Burty, Lettres de Delacroix
(das. 1880, 2 Bde.);
Chesneau, L'œuvre complète d'E. Delacroix
(das. 1885).
Vgl. Meyer, Geschichte der modernen französischen Malerei (Leipz. 1867);
Rosenberg, Geschichte der modernen Kunst, Bd. 1 (das. 1884), und in Dohmes »Kunst und Künstler«.
2) Auguste, franz. Maler, geb. 1812 zu Boulogne sur Mer, gest. 1868 daselbst, bewegte sich vorwiegend in Küstendarstellungen seiner Heimat wie des afrikanischen Nordens und in Genrebildern aus dem Gebiet des bäuerlichen Idylls wie afrikanischen Lebens.