Titel
Dekanische
Sprachen, die
Sprachen der
Völker, die das
Dekan bewohnen. Sie sind von den arischen Sanskritsprachen
völlig verschieden, haben aber schon in alter Zeit mancherlei Einfluß auf diese geübt, einerseits durch
Abgabe von
Lehnwörtern,
andererseits durch Änderung des Lautbestandes. Freilich haben die südind. Kulturidiome wiederum zahlreiche Sanskritentlehnungen
in lexikalischer Hinsicht auszuweisen. Die
Sprachen des
Dekans zerfallen in die dravidischen und die kolarischen
Sprachen.
Die Unterscheidung beider ist jungen Datums. Ob Zusammenhänge vorhanden sind, ist noch nicht zu entscheiden, da eine Reihe von Sprachen wilder Völker, welche gewöhnlich zu den Dravida gerechnet werden, noch nicht genügend bekannt ist. Alle Versuche aber, den dravidischen Sprachstamm [* 2] mit den arischen oder turaniscben oder andern Sprachen in verwandtschaftlichen Zusammenhang zu bringen, müssen als verfehlt betrachtet werden. Dagegen ergiebt sich als Thatsache, daß er früher weiter über Indien verbreitet gewesen ist, daß unter den schwarzen Urbewohnern der ältesten Litteraturdenkmäler der Arier nur entweder dravidische oder kolarische Völker gemeint sein können.
Das in
Belutschistan vereinzelt stehende, vom ältesten
Dravidisch abgezweigte
Brahui (s. d.) ist im Norden
[* 3] der einzige
Nest dieser
Sprachfamilie. Die vordringende Sanskritisierung hat manche der Dekanische Sprachen
stark
beeinflußt, und
die Berührung mit der Sanskritlitteratur und die daraus sich entwickelnde grammatische Schulung hat eine Reihe von Kultursprachen
geschaffen, während andere niedern Rassen angehörende
Sprachen, schriftlos bleibend, sich eigenartig
entwickelt haben. Hierher werden die
Sprachen der wilden
Stämme gerechnet: die der Gond (s. d.), der
Kondh (s. d.), der Oráon
(Grammatik von Flex, Kalkutta
[* 4] 1874), der
Maler (genannt Maltó,
Grammatik von Droese,
Agra 1884; Rajmaháli Primer, ebd. 1886).
Als Kultursprachen
sind nach dem
Grade der Verwandtschaft unter sich zu nennen:
1) Das Tamil (s. d.) oder Malabarische auf der Koromandelküste bis Komorin und landeinwärts bis Mangalur und Nordceylon, von 15 Mill. gesprochen.
2) Das damit eng verwandte Malajalam (s. d.) auf der Malabarküste (4 Mill.).
3) Die
Kanaresische Sprache (s. d.), von 9 Mill. im
Karnatak bis Maisur und nördlich bis nach Südmaratha
gesprochen, mit mehrern altverwandten Schwestersprachen
, dem Kodagu (s. d.) und
dem sehr eigenartig gebildeten
Tulu (s. d.). Auch das rohe Idiom der
Toda (s. d.) ist dem
Kanaresischen beizuzählen, sowie
die Dialekte der
Badagar und Kotar.
4) Das
Telugu (s. d., 10 Mill.), nördlich von
Madras
[* 5] bis über die Godawari hinaus, landeinwärts bis
Haidarabad. – Charakter des
Sprachstammes: Die Dekanische
Sprachen sind agglutinierend wie die turanischen, d. h.
sie bilden die
Beugungen mit einer großen Zahl von
Suffixen, welche meist noch selbständige Wörter sind.
Alle haben beim
Verb eine negative Form von sehr einfacher, alter
Bildung. Die Dekanische
Sprachen ersetzen das Präsens, viele Nebentempora
und das
Passiv durch Hilfszeitwörter (letzteres durch «essen» oder «leiden»),
die Temporalsätze und Relativsätze durch Participien. Das Relativ fehlt. Die Vokalharmonie des Telugu ist eine rückläufige und von der der turanischen Sprachen grundsätzlich verschieden. –
Vgl. Caldwell, A comparative grammar of the Dravidian or South Indian family of languages (Lond. 1875);
Wilson, A descriptive Catalogue of the Mackenzie Collection (2 Bde., Kalkutta 1828).
Im allgemeinen vgl. Campbell, Specimens of language of India (ebd. 1874);
R. N. Cust, Sketch of the modern languages of the East India (Lond. 1878);
F. Müller, Grundriß der Sprachwissenschaft, III (Wien [* 6] 1884);
Volkslieder in engl. Umdichtung: Gover, Folksongs of South-India (Madras 1872).
S. auch die Litteratur unter den einzelnen Sprachen. – Die Alphabete der südind. Sprachen sind aus den nordindischen entwickelt und dem Lautbestande angepaßt. Zahlreiche Schenkungsurkunden auf Kupferplatten (cásana) der alten Könige geben ein gutes Bild der Entwicklung. Die Teluguschrift des 6. Jahrh. ist der Stamm der kambodschanischen und javan. Alphabete geworden. Einen großen Einfluß auf die Form der Schriften (runde, feine Züge) hat das Schreibmaterial gehabt: Palmblätter und eiserne Griffel. Heute sind zwei Haupttypen im Gebrauch:
1) Grantha, die Malajalamschrift und die sehr einfache Tamilschrift umfassend;
2) die Telugu- und die kanaresische Schrift, welch letztere die Missionare auch dem Tulu und Kodagu angepaßt haben. –
Vgl. Burnell, Elements of South-Indian Palæography (neue Aufl., Lond. 1879).
Die kolarischen Sprachen sind ebenfalls agglutinierend, haben aber die Fähigkeit, bei der 1. ¶
mehr
Person Plural eine exklusive und inklusive Form zu bilden, ferner die Infixbildung, den Dual und die vigesimale Zählmethode als Unterschied von der Dravidaklasse. Die hierher gehörigen Sprachen sind:
1) Das Mundâri (Nottrott, Grammatik der Kolh-Sprache, Gütersloh 1882; C. Whitley, Kalkutta 1873) und Bhumidsch;
2) das Santâl (Rakhaldas Haldar im «Journal of the Bengal Society», 1840; J. Phillips, Kalkutta 1858; Skrefsrud, Benares 1873; Cole, Kalkutta 1885–86);
3) die Sprache [* 8] der Larka Kolh oder Ho (Tickell im «Journ. of the Beng. Soc.», 1835);
4) das Korkú (A. Norton im «Journ. of the Asiatic Society»),
Bd. 16, 1884) und die Idiome der Savara (Saura) und einiger anderer kleinerer Stämme. In einigen dieser Sprachen liegt ein älteres Substrat vor, welches auf Zusammenhänge mit der ältesten Schicht der hinterind. Sprachen hinweist. –
Vgl. E. Kuhn, Beiträge zur Sprachenkunde Hinterindiens (Münch. 1889).