Dehli
(Delhi), Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks (Commissionership) von 14,526 qkm (264 QM.) mit (1881) 1,907,984 Einw. in der angloindischen Provinz Pandschab, einst die größte Stadt Indiens, die noch gegen Ende des 17. Jahrh. London [* 3] an Größe und Einwohnerzahl übertraf, und nacheinander glanzvoller Mittelpunkt verschiedener Dynastien, jetzt gegen früher gesunken, aber immer noch eine der bedeutendsten indischen Städte und wegen seiner vielen Ruinen das »Rom [* 4] Asiens« zubenannt.
Die jetzige, von
Schah Dschahan gegründete Stadt zählt (1881) 173,393 Einw.
(darunter 95,484
Hindu und 72,519 Mohammedaner) und liegt in 252 m
Höhe an niedrigen Felshügeln, auf
dem rechten
Ufer der
Dschamna oberhalb des von den Pândawa im 13. Jahrh.
v. Chr. gegründeten alten Dehli
oder
Indraprastha (jetzt
Indabat bei Dehli
). Zahlreiche
Ruinen bedecken meilenweit die Umgebung. Das älteste beglaubigte Denkmal ist eine Erinnerungssäule
aus Schmiedeeisen, im 2. Jahrzehnt des 4. Jahrh.
n. Chr. errichtet zur
Feier eines
Siegs über zentralasiatische
Völker. Aus
dem Beginn des 14. Jahrh. stammt die
Anlage Tughlakabad, südlich der jetzigen Stadt, ein
Werk der Herrscher aus der Tughlakdynastie;
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stromaufwärts rückte die Residenz Mitte des 14. Jahrh., und Firoz Schah gab Zeugnis von seinem Bausinn durch seine Feste (Kotila)
mit der sie überragenden, 13 m hohen Asokasäule, die ursprünglich am Fuß des Gebirges stand und von dort unter großen
Schwierigkeiten herbeigeschafft wurde. Timurs Zerstörung (1398) bewirkte die Verödung von Dehli;
erst Humâyun
baute (1533) auf der Stelle des alten Indraprastha wieder ein Fort; Schah Dschahan (Kaiser 1628-58) gründete dann die jetzige
Stadt, erbaute neben vielen andern Gebäuden den Residenzpalast der Großmoguls und die Dschamnamoschee und machte Dehli
zum
Sitz jener glänzenden Hofhaltung, die, dem staunenden Europa
[* 6] von Reisenden und Missionären unter Ausschmückung
mit zahlreichen Fabeln erzählt, den Ruf der Großmoguls als der reichsten Fürsten der Erde begründeten.
Der alte Residenzpalast, ein überaus weitläufiges Gebäude, in seinen schönsten Teilen aus weißem Marmor, mit vielen prachtvollen Skulpturen, ist mit einer Längsseite gegen die Dschamna gerichtet. Die Eingänge bilden zwei prächtige Thore; man kommt zuerst in einen äußern Vorhof, aus welchem ein kleines Thor zu dem mit Marmorplatten belegten, weiter gegen O. hinter dem Hof [* 7] des äußern Throns gelegenen innern Thronhof führt. Einst stand in dem Prunkgebäude dieses Hofes, dem »Staatsratszimmer«, der berühmte Pfauenthron, der aus schweren, mit Diamanten und Perlen ausgelegten Goldplatten gearbeitet war, und zu dessen beiden Seiten sich goldene Pfauen mit ausgebreitetem Edelsteingefieder, über diesen aber ein aus einem einzigen Smaragd [* 8] geschnittener Papagei in natürlicher Größe befanden.
Nadir Schah, der große persische Eroberer (1736-47), raubte alle Kleinodien; der jetzt noch vorhandene Thronstuhl ist ein
unscheinbares Möbel.
[* 9] Innerhalb der Mauern dieses Palastes, der eine kleine Stadt für sich bildet, wohnte
bis zum letzten Aufstand der Großmogul als englischer Pensionär, mit britischer Wache am Westeingang; nach Unterdrückung der
Meuterei 1857 wurde der Nachkomme der Könige von Dehli
nach Rangun,
[* 10] der Hauptstadt von Britisch-Birma, verbannt.
Das andre Hauptgebäude der Stadt, die Dschamnamoschee (s. Tafel »Baukunst
[* 11] VIII«,
[* 12] Fig. 15), ist die prächtigste
der 40 Moscheen Dehlis.
Sie erhebt sich auf einem 9,5 m hohen, 140 m breiten und langen Viereck
[* 13] von roten Sandsteinquadern;
die Moschee selbst ist aus weißem Marmor erbaut, der mosaikartig mit rotem Sandstein abwechselt. Den Haupteingang bildet eine
große und prächtige Freitreppe, an deren beiden Seiten je fünf andre Eingänge sich befinden, zu deren
mittelstem je wieder eine Freitreppe führt.
Die Decke
[* 14] der Moschee bilden drei weiße Marmorkuppeln mit schwarzen Streifen, und an jedem Ende der Fronte erhebt sich ein 45,6
m hohes Minaret. Etwa 14 km östlich von der Stadt steht der berühmte Kutab Minar, das kolossale, 76 m
hohe Minaret einer unvollendeten Moschee, das sich im Anklang an die buddhistischen Tempel
[* 15] als riesige, verjüngte Säule von
14,5 m unterm Durchmesser erhebt, durch Galerien in mehrere Absätze geteilt und mit röhrenförmigen Kannelierungen bedeckt;
der Bau fällt vermutlich in die Zeit von 1196 bis 1235 n. Chr. Rund um die Moschee liegen die Trümmer
von Alt-Dehli. Die Bedeutung von Dehli
beruht gegenwärtig auf der Größe seines Handels; am lebhaftesten ist der Verkehr im Tschandni-Tschauk
(»der im Mondschein strahlende Markt«). Die Stadt liegt an der nach dem Pandschab führenden Eisenbahn und bildet
den Ausgangspunkt für die Bahn durch Radschputana nach Bombay.
[* 16]
Dehli
nimmt geschichtlich den ersten Rang unter
den Städten Indiens ein; es kommt unter dem Namen Indraprastha (griech. Indabara)
schon in dem altindischen Epos »Mahâbhârata« vor. Der Name Dehli
stammt von einem Fürsten Dilu, der im 1. Jahrh. v. Chr. 10 km
stromabwärts der heutigen Stadt einen Burgbau aufführte. Nach wechselnden Schicksalen unter einheimischen
Fürsten, wobei Dehli
so gründlich verwüstet wurde, daß es 1052 durch Anang Pal II. neu bevölkert werden mußte, wurde Dehli
1011 n. Chr.
von dem Ghasnawidensultan Mahmud erobert, geplündert und das Land zu einer Provinz des Ghasnawidenreichs unter eignen
Radschas gemacht.
Allmächtig geworden, eroberte der Ghoride Mohammed (1193) die Stadt wieder. Der Gouverneur Kutb ud din Ai Beg machte sich unabhängig,
gründete ein selbständiges mohammedanisches Reich, machte Dehli
zu seiner Hauptstadt und entfaltete hier großen Glanz. Seit 1290 folgen
afghanische Dynastien, bis 1398 der Mongolenchan Timur nach Besiegung des unfähigen Sultans Mahmud Dehli
erobert,
ausplündert und niederbrennt. Als die Stadt allmählich sich wieder erholt hatte, kam sie 1450 unter die afghanische Dynastie
Bahlol Lodi; diese stürzte 1526 ein Nachkomme Timurs, Baber, der sich zum Großmogul erklärte.
Sein Nachfolger war Schah Dschahan, dem Dehli
Mitte des 17. Jahrh. seine jetzige
Lage verdankt. 1738 eroberte Nadir Schah von Persien
[* 17] die Stadt und ließ an einem Tag 30,000 (nach andern Nachrichten sogar 225,000)
Hindu töten; nach zwei Monaten zog er heim mit einer Beute von mehr als 420 Mill. Mk. Am wurde an die Engländer
abgetreten. Im Sommer 1857 versuchten die fanatisierten Muselmanen die Herrschaft der Briten abzuwerfen,
vertrieben und ermordeten die Europäer und riefen den Großmogul Mohammed Bahadur Schah zum König von Indien aus. Am wurde
die Stadt nach einer regelrechten Belagerung von den englischen Truppen gestürmt und der Scheinkönig nach Hinterindien
[* 18] verbannt.
Über die zahlreichen Baudenkmäler in Dehli
vgl. »Archaeological
Survey of India«, Bd. 1 u. 4 (Kalkutta
[* 19] 1871-74); E. Schlagintweit, Indien (mit vielen Abbildungen aus Dehli
, Leipz. 1882).