Defregger,
Franz, einer der hervorragendsten Genremaler, der sich durch seine meisterhafte Schilderung des Tiroler Volkslebens einen bedeutenden Namen erworben hat. Geb. zu Stronach, einem zur Gemeinde Dölsach im Pusterthal gehörenden Bauernhof, wuchs er im Anblick einer herrlichen Gebirgswelt auf, im Sommer die Herden hütend, im Winter die Schule besuchend. Als Knabe formte er aus Brotteig allerlei Figuren, schnitt aus Papier Figuren und Landschaften und bemalte mit dem Bleistift alle irgend erreichbaren Flächen.
Nachdem er so bis 1857 auf dem Gehöft seines Vaters gearbeitet hatte, mußte er nach dessen Tode den Hof selbst übernehmen. Dabei bewies er sich so ungeschickt und fand so viele Widerwärtigkeiten, daß er das Besitztum verkaufte und nach Innsbruck ging, um Bildhauer zu werden. Da der Lehrer aber noch größeres Talent zur Malerei in ihm fand, so riet er ihm, nach München zu gehen, wo er seinen Schüler 1860 bei Karl Piloty einführte, dessen dort im Entstehen begriffener Nero einen gewaltigen Eindruck auf den Ankömmling machte.
Nach dem Besuch der Vorbereitungsklasse kam er in die Malklasse der Akademie unter Anschütz. Da aber weder dieser akademische Unterricht, noch das Münchener Klima ihm zusagte, so ging er nach Paris, wo er in fünf Vierteljahren zwar nicht viel weiter kam, aber für die Ausbildung seines Geschmacks manches lernte. Dann zog er sich in die Heimat zurück und machte auf der Alm eine Menge von Studien, malte zahlreiche Bildnisse von Bekannten und schuf das Bild eines verwundeten Wilderers, mit dem er 1864 nach München zurückkehrte, wo er nun Schüler von Piloty wurde, dem er besonders in der Technik viel zu verdanken hat. In dieser letztern Hinsicht bedeutend gefördert, trat er 1868 mit dem Bild: Joseph Speckbacher auf, das weniger durch den Glanz der Farbe als durch die wahrhaft dramatische Behandlung des Auftritts und durch die Charakteristik der einzelnen Persönlichkeiten seinen Weltruf begründete (Ferdinandeum zu Innsbruck).
Nachdem er dann im folgenden Jahr den Ringkampf, die meisterhafte Darstellung des bekannten volkstümlichen Spiels der Tiroler, gebracht hatte, betrat er mit dem Bilde: die beiden Brüder das Gebiet, auf dem er später noch größere Triumphe feierte: die gemütvolle Schilderung des friedlichen Tiroler Lebens, in der er durch Tiefe der Empfindung, frischen Humor und Ausdruck seiner Gestalten so zu fesseln weiß, daß man von jeder Figur glaubt, sie könne nur so und nicht anders sein. Um diese Zeit wurde er von einem so heftigen Gelenkrheumatismus befallen, daß er zwei Jahre lang nur liegend arbeiten konnte. Auf diese Weise vollendete er für sein heimatliches Dorf Dölsach ein Altarbild, eine heilige Familie darstellend, mit wunderbar lieblichem Kopf der Maria, das ziemlich unbekannt blieb. Nach seiner Genesung entstanden zunächst die italienischen Bettelmusikanten, interessant durch den Kontrast der italienischen zerlumpten
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Kinder gegen die auf die Musik lauschenden Tiroler. Ein größeres, wieder sehr durchschlagendes Bild war 1871 der durch die Mannigfaltigkeit des Ausdrucks der Sennerinnen und durch den harmlosen Humor (freilich nicht durch die Farbe) anziehende Ball auf der Alm, das sogen. Schuhplatt'ln, und die technisch vollendetere, aber weniger gemütvolle Rückkehr vom Münchener Oktoberfest (1873), in Beziehung auf die Ausführung wohl eine seiner vollendetsten Arbeiten. 1874 entstand in Bozen das berühmte letzte Aufgebot (Belvedere in Wien), welches mit großer Meisterschaft in der Zeichnung die ganze Schwere des Tiroler Volkskampfs in erschütternder Weise zeigt, aber im Kolorit einige Schwächen hat.
Andre, kleinere Arbeiten übergehend, z. B.: die Hundetragödie, Besuch in der Sennhütte, Tischgebet (Museum in Leipzig), erwähnen wir aus den letzten Jahren als die bedeutendsten, in der Kunstwelt epochemachenden Bilder nur: die Rückkehr der Sieger (1876, Gegenstück zum letzten Aufgebot, Nationalgallerie in Berlin), die wiederum alle trefflichen Eigenschaften Defreggers in sich vereinigt;
ferner die höchst humoristische Brautwerbung, das Faustschieben und den großartigen, ganz aufs historische Gebiet übergehenden Todesgang Andreas Hofers (Museum in Königsberg), wiederum ein Meisterwerk in der Charakteristik;
endlich noch aus dem Jahr 1879 den dem österreichischen Kaiserpaar zu der silbernen Hochzeit geschenkten Andreas Hofer in der Burg zu Innsbruck, die Geschenke des Kaisers Franz empfangend, in viel kleinern Dimensionen als jener erste Hofer, und aus dem Jahr 1880 die Holzknechte und den unendlich einfachen, aber von Leben übersprudelnden Liebesbrief. Er ist Ehrenmitglied der Akademie in München.