Debreczin
[* 2] (spr. däbräzin, ungar. Debreczen), königliche
Freistadt und Sitz des ungar.
Haidukenkomitats, in einer sandigen und wasserarmen
Ebene
(Debrecziner Heide) an der Vereinigung
der
Ungarischen Nordost- und der
Ungarischen Staatsbahn gelegen, ist ein
Ort mit echt magyarischem
Typus und seit
jeher der Hauptsitz des
Protestantismus. Ansehnliche Gebäude sind: die reformierte und Franziskanerkirche, das Piaristenkloster,
Rathaus, Sparkassengebäude, mehrere
Fabriken, die große Stephansdampfmühle und das Akademiegebäude der
Reformierten. Debreczin
zählt
(1881) 51,122 rein ungarische, meist reformierte Einwohner, die größtenteils
Ackerbau und
Viehzucht
[* 3] betreiben oder sich dem
Handel und einzelnen
Gewerben widmen.
Die beiden erstern werden sehr gefördert durch die ausgedehnten und fruchtbaren
Ebenen, welche die Stadt
umgeben, und auf denen ungeheure
Herden von Vieh
Nahrung finden, wie anderseits
Weizen,
Hirse,
[* 4]
Tabak
[* 5] und Wassermelonen auf ihnen
vorzüglich gedeihen. In industrieller Beziehung sind die
Seife, die
Lebkuchen, die thönernen Pfeifenköpfe sowie die
Würste
und
Schinken von Debreczin
weitverbreitete Handelsartikel. Im übrigen erstreckt sich der
Handel insbesondere
auf
Speck,
Getreide,
[* 6]
Knoppern,
Tabak, Hornvieh,
Schweine,
[* 7]
Pferde,
[* 8]
Honig, Schafkäse etc. Debreczin
besitzt eine
Handels- und
Gewerbekammer,
eine
Filiale der
Österreichisch-Ungarischen
Bank und mehrere große Geldinstitute; ferner an Bildungsinstituten die bereits
erwähnte
Akademie, eine der größten und reichsten reformierten theologischen Lehranstalten in
Ungarn,
[* 9] mit einer
Bibliothek von über 90,000
Bänden (darunter seltene Werke und
Manuskripte) sowie mit wertvollen mathematischen,
physikalischen und naturhistorischen Sammlungen.
Außerdem befinden sich in Debreczin
eine landwirtschaftliche höhere Lehranstalt, städtische
Oberrealschule,
Handels- und
Gewerbeschule,
ein reformiertes
Ober- und ein katholisches Untergymnasium, eine katholische Hauptschule und andre Erziehungsinstitute,
mehrere
Waisenhäuser, Armenanstalten und
Spitäler. Debreczin
hat ein schönes
Theater
[* 10] und einen Dampftramway und ist der Sitz eines
Gerichtshofs, einer Finanzdirektion und eines
Tabaks-,
Forst- und Steuerinspektorats. - Der Ursprung der Stadt ist unbekannt.
Sie hatte in den
Kämpfen zwischen den
Türken und
Ungarn wie später des
Glaubens wegen viel zu leiden.
Im J. 1567 wurde auf der hier gehaltenen
Synode das reformierte
Glaubensbekenntnis
angenommen. Auf dem 1711 abgehaltenen
Kongreß
unterwarfen sich die
Ungarn dem habsburgischen
Haus. Durch den Landtagsbeschluß von
Preßburg
[* 11] 1715 wurde die Stadt, was schon
unter
Leopold I. geschehen war, nochmals zur königlichen
Freistadt erhoben. Im J. 1849 war Debreczin
eine Zeitlang
(9. Jan. bis 30. Mai) Sitz des ungarischen
Reichstags; 15. März d. J. sprach hier
Kossuth in der
Großen reformierten
Kirche die Unabhängigkeit
Ungarns von
Österreich
[* 12] aus. Das 1859 von
Österreich veröffentlichte
Patent gegen die
Reformierten wurde ungeachtet militärischen
Einschreitens nicht angenommen und in der zweiten
(Kleinen)
Kirche die
Freiheit der
Reformierten auf
Grund
der
Sanktion von 1790 durchgeführt.