(spr. doddä), 1) Erneste, franz. Schriftsteller,
geb. zu
Nîmes als Sohn eines wohlhabenden, streng royalistisch gesinnten Fabrikanten, kam 1857 nach
Paris,
[* 2] erhielt
hier eine
Stelle im
Kabinett des
Herzogs von
Morny, wurde später Kabinettschef des Großreferendars im
Senat und beteiligte sich
zugleich mit politischen und belletristischen
Artikeln an vielen
Zeitungen von
Paris und der
Provinz. 1873-78
war er
Direktor des
»Journal officiel« und einer der
Vertrauten des
Ministers des
Auswärtigen,
Decazes, mit welchem er sich der
orléanistischen
Partei anschloß.
Außer zahlreichen
Romanen, wie: »La
Vénus de Gordes« (1866),
»Les reins cassés« (1885)
u. a., hat er sich auch durch historische
Schriften einen
Namen gemacht. Hierher gehören: »Le
[* 3] cardinal
Consalvi 1800-1824«
(1866);
»Histoire de la
Restauration« (1882) u. a.
Noch veröffentlichte er
»Mon frère et moi« (1882) über sein
und seines
Bruders Alphonse Jugendleben.
2) Alphonse, franz. Schriftsteller,
Bruder des vorigen, geb. zu
Nîmes, besuchte in
Lyon
[* 4] das
Gymnasium, ward sodann,
noch sehr jung, Klassenaufseher (maître d'études) am
Collège zu Sarlande
¶
mehr
und siedelte, als ihn unüberlegte Streiche in dieser Stellung unmöglich gemacht hatten, 1857 nach Paris über, um hier sein
Glück als Schriftsteller zu versuchen. In Paris lächelte ihm bald das Glück. Zwar seine ersten litterarischen Versuche, die
Dichtungen: »Les Amoureuses« (1858) und »La
double conversion« (1861), hatten nur geringen Erfolg;
Die zunächst erscheinenden Werke, wie der Roman »Le chaperon rouge« (1863),
die Dramen: »Le dernier
idole« (1862) und »L'œillet blanc« (1865),
erregten bereits Aufmerksamkeit. Es folgten die charakteristischen Schilderungen: »Le petit Chose, histoire d'un enfant« (1868;
deutsch u. d. T.: »Der kleine Dingsda«, Berl. 1877),
welche den NamenDaudets immer bekannter machten,
bis er mit dem Erscheinen des Sensationsromans »Fromont jeune et Risler aîné«
(1874; deutsch, Berl. 1876),
welcher über 60 Auflagen erlebte und einen akademischen Preis erlangte, mit einemmal in die Reihe
der gelesensten und gesuchtesten Schriftsteller trat. Der bald darauf folgende Roman »Jack«, die Geschichte
eines Arbeiters (1876),
vermochte den Ruhm des Schriftstellers nur zu befestigen, während die spätern: »Le Nabab«
(1877) und »Les rois en exil« (1879),
beide reich an beißenden Anzüglichkeiten auf hervorragende Persönlichkeiten der Gegenwart (z. B.
den Herzog von Morny),
einen Abfall bezeichnen, obwohl es ihnen nicht an äußerm Erfolg fehlte. Neuere
(zumeist auch ins Deutsche
[* 10] übersetzte) Werke sind: »Nouma Roumestan« (1882);
»L'évangeliste« (1883);
»L'enfance d'une Parisienne«
(1883) und »Sapho« (1884).
Die düstern Gegenstände, welche Daudet zum Stoff seiner Romane wählt, die sittlichen Konflikte, die sozialen Fragen (Kokottenwirtschaft,
Ehebruch, Perfidie, Arbeitermisere etc.) scheinen zwar in der pessimistischen Behandlung,
die er ihnen obendrein angedeihen läßt, jeder Poesie abhold zu sein und zu widerstehen; gleichwohl kann
man nicht leugnen, daß der furchtbare, oft gräßliche und vor keiner Nudität zurückscheuende Realismus des Schriftstellers
den Leser oft bis zu der Grenze der Konzession an diese Art von Schriftstellerei hinzureißen vermag, so mächtig ist
der Zauber, den DaudetsFeder ausübt. Von seinen Theaterstücken sind noch »Lise Tavernier« und »L'Arlésienne« (mit Musik
von G. Bizet) und die Dramatisierungen seiner Hauptromane (»Fromont«, »Jack« u. a.) zu erwähnen.
Vgl. Gerstmann, Alphonse
Daudet, sein Leben und seine Werke (Berl. 1883, 2 Bde.).
(spr. dodeh),Alphonse, franz. Romanschriftsteller, geb. zu Nîmes,
kam 1857 nach Paris und fand mit seinen ersten Dichtungen «Les amoureuses» (1858) und «La
double conversion» (1861) nur wenig Beachtung. Nachdem er Sekretär des Herzogs von Morny geworden und durch Reisen in Italien
und im Orient seine Bildung erweitert hatte, wurden seine Dramen «La dernière idole» (mit l’Epine, 1862)
und «L’œillet blanc» (1865),
sowie eine Reihe von Märchen u. d. T. «Le roman du chaperon
rouge» (1862) freundlich aufgenommen; bald folgten die reizenden Novellen «Le
petit Chose, histoire d’un enfant» (1868),
deutsch «Der kleine Dingsda» (Berl. 1877),
die «Lettres
de mon moulin» (1869),
«Lettres à un absent» (1871),
«Contes du lundi» (1873) und «Robert
Helmont» (1874), die den Dichter als feinen Beobachter und vorzüglichen Erzähler
bekannt machten. Mit einem Schlag erreichte er die Höhe seines Schaffens und die Anerkennung als einer der ersten Schriftsteller
des modernen Frankreichs mit dem Pariser Sittenroman «Fromont jeune et Risler aîné» (1874; deutsch
Berl. 1876), worin er an Schärfe der Beobachtung und Genauigkeit der Darstellung den hervorragendsten Realisten gleichkommt,
während er sie durch Lebenswahrheit der Charakteristik, Vornehmheit der Darstellung und sympathischen, wenn auch bisweilen
herben Humor weit übertrifft. Es folgte zunächst «Jack» (2 Bde.,
1876),
der nicht ganz auf der Höhe des vorangehenden Werkes steht, dann «Le Nabab»
(1878),
Romane, denen er nicht zu ihrem Vorteil durch Verwertung von Tagesanekdoten
und Anzüglichkeiten auf hervorragende Personen eine Würze zu geben sucht; ferner «L’évangeliste» (1883),
«Sapho» (1884),
worin Daudet zu den abstoßenden Roheiten des Naturalismus herabsteigt; noch schärfer bezeichnet
einen Abfall der Roman «L’immortel» (1888),
dessen verzerrende Satire auf die franz. Akademie Unbefangenen unerquicklich scheint.
Von seinen dramat. Schriften sind noch zu erwähnen: «Lise Tavernier» (1874),
ein Stück, das sich gegen Ibsens Weltanschauung, namentlich gegen die «Gespenster»
richtet. Dramatisiert wurden auch die Romane «Fromont», «Jack»,
«Sapho», «L’immortel»
(u. d. T. «La lutte pour la vie», 1889)
u. a. Verdienten Beifall fanden seine Erzählungen: «Aventures prodigieuses de Tartatin de Tarascon» (1872),
in denen er die wunderbaren Thaten eines modernen Münchhausen
schildert und die kleinstädtischen Philister von Tarascon mit köstlichem Humor verspottet. D.s neueste Werke sind die Romane
«Les enfants dans le divorce» (1891),
«Soutien de famille» (1892) und das Stück «La
menteuse» (mit L’Hennique, 1893). Lebenserinnerungen enthalten die Werke: «Trente ans de Paris» (1888)
und «Souvenirs d’un homme de lettres» (1889). Fast alle Romane und Dramen D.s sind ins Deutsche übersetzt worden. (Vgl. Gerstmann,
AlphonseDaudet, sein Leben und Wirken bis zum Jahre 1883, 2 Bde.,
Berl. 1883.) - Seine Gattin, Julia Daudet, geborene Allard, geb. 1847 zu Paris, verfaßte die anmutig geschriebenen
Selbstbekenntnisse «Enfance d’une Parisienne» (1883),
«Fragment d’un libre inédit» (1884),
außerdem «Enfants et
mères» (1888). Im «Journal
officiel» schrieb sie unter dem NamenKarlStern.
Ernest, Bruder des vorigen, geb. zu Nîmes, ist gleichfalls ein geschätzter Romanschriftsteller
(«La Vénus de Gordes», «Fleur de péché», «Marthe»,
«Zahra», «Marsis» u. s. w.).
Er war mehrere Jahre Direktor des «Journal officiel» und hat sich auch
einen Namen als Historiker gemacht durch die Schriften: «Le ministère de M. de Martignac» (1875),
«La terreur blanche» (1876),
«Le procès des ministres» (1877),
«Histoire des conspirations royalistes du midi sous la révolution»
(1881),
«Histoire de la restauration» (1881),
«Histoire de l’émigration» (3 Bde, 1886-90),
«Le gendarme excommunié» (1891),
«À l’entrée de la vie» (1892),
«Mlle. ^[Mlle.] de Circé» (1893) u. s. w. Sein Buch «Mon frère et moi» (1882) giebt
Aufschlüsse über seine Jugend und die seines BrudersAlphonse.