Daudet
(spr. dodeh), Alphonse, franz. Romanschriftsteller, geb. zu Nîmes, kam 1857 nach Paris [* 3] und fand mit seinen ersten Dichtungen «Les amoureuses» (1858) und «La double conversion» (1861) nur wenig Beachtung. Nachdem er Sekretär [* 4] des Herzogs von Morny geworden und durch Reisen in Italien [* 5] und im Orient seine Bildung erweitert hatte, wurden seine Dramen «La dernière idole» (mit l’Epine, 1862) und «L’œillet blanc» (1865),
sowie eine Reihe von Märchen u. d. T. «Le [* 6] roman du chaperon rouge» (1862) freundlich aufgenommen; bald folgten die reizenden Novellen «Le petit Chose, histoire d’un enfant» (1868),
deutsch «Der kleine Dingsda» (Berl. 1877),
die «Lettres de mon moulin» (1869),
«Lettres à un absent» (1871),
«Contes du lundi» (1873) und «Robert Helmont» (1874), die den Dichter als feinen Beobachter und vorzüglichen Erzähler bekannt machten. Mit einem Schlag erreichte er die Höhe seines Schaffens und die Anerkennung als einer der ersten Schriftsteller des modernen Frankreichs mit dem Pariser Sittenroman «Fromont jeune et Risler aîné» (1874; deutsch Berl. 1876), worin er an Schärfe der Beobachtung und Genauigkeit der Darstellung den hervorragendsten Realisten gleichkommt, während er sie durch Lebenswahrheit der Charakteristik, Vornehmheit der Darstellung und sympathischen, wenn auch bisweilen herben Humor weit übertrifft. Es folgte zunächst «Jack» (2 Bde., 1876),
der nicht ganz auf der Höhe des vorangehenden Werkes steht, dann «Le Nabab» (1878),
«Les rois en exil» (1880),
«Numa Roumestan» (1882),
Romane, denen er nicht zu ihrem Vorteil durch Verwertung von Tagesanekdoten und Anzüglichkeiten auf hervorragende Personen eine Würze zu geben sucht; ferner «L’évangeliste» (1883),
«Sapho» (1884),
worin Daudet
zu den abstoßenden Roheiten des
Naturalismus herabsteigt; noch schärfer bezeichnet
einen
Abfall der
Roman «L’immortel» (1888),
dessen verzerrende Satire auf die franz. Akademie Unbefangenen unerquicklich scheint. Von seinen dramat. Schriften sind noch zu erwähnen: «Lise Tavernier» (1874),
«L’Arlésienne» (1872),
mit Musik von Bizet, und «L’obstacle» (1890),
ein Stück, das sich gegen Ibsens Weltanschauung, namentlich gegen die «Gespenster» richtet. Dramatisiert wurden auch die Romane «Fromont», «Jack», «Sapho», «L’immortel» (u. d. T. «La lutte pour la vie», 1889) u. a. Verdienten Beifall fanden seine Erzählungen: «Aventures prodigieuses de Tartatin de Tarascon» (1872),
«Tartarin sur les Alpes» (1886) und «Port Tarascon» (1890),
in denen er die wunderbaren Thaten eines modernen Münchhausen schildert und die kleinstädtischen Philister von Tarascon mit köstlichem Humor verspottet. D.s neueste Werke sind die Romane «Les enfants dans le divorce» (1891),
«Rose et Ninette. Mœurs du jour» (1892),
«Soutien de famille» (1892) und das
Stück «La
menteuse» (mit L’Hennique, 1893). Lebenserinnerungen enthalten die Werke:
«Trente ans de
Paris» (1888)
und
«Souvenirs d’un homme de lettres» (1889). Fast alle
Romane und
Dramen D.s sind ins Deutsche
[* 7] übersetzt worden. (Vgl. Gerstmann,
Alphonse Daudet
, sein Leben und Wirken bis zum Jahre 1883, 2 Bde.,
Berl. 1883.) - Seine Gattin, Julia Daudet
, geborene
Allard, geb. 1847 zu
Paris, verfaßte die anmutig geschriebenen
Selbstbekenntnisse «Enfance d’une Parisienne» (1883),
«Fragment d’un libre inédit» (1884),
außerdem «Enfants et mères» (1888). Im «Journal officiel» schrieb sie unter dem Namen Karl Stern.