AlleOrte auf der
Erde, welche unter demselben
Meridian liegen, haben in demselben
MomentMittag,
ihre
Uhren
[* 3] stimmen völlig überein; dem Längenunterschied zweier
Orte von 1° entspricht ein Mittagsunterschied von 4
Minuten
in der Zeit, und
Orte, deren Meridiandifferenz eine große ist, haben mithin
Zeitunterschiede, welche sich auf viele
Stunden
belaufen können.
In denStunden, welche der
Mitternacht naheliegen, betrifft der Unterschied also auch
Wochentag und
Datum und in der Neujahrsnacht das Jahr.
Geht
man in der Mitternachtsstunde des neuen
Jahrs von einem
Ort nach W., so stößt man auf
Orte, bei denen der Jahreswechsel
noch nicht eingetreten ist, und umgekehrt bei der
Wanderung nach O. auf
Orte, bei denen der
Wechsel bereits
eingetreten ist. Setzt man die
Bewegung nach O. oder W. bis 180° fort, so beträgt der
Zeitunterschied 12
Stunden, und wandert
man nochmals um 180°, so gelangt man wieder zu dem Ausgangspunkt, gerät nun aber in Verlegenheit, nicht sowohl was die
Tagesstunde, als vielmehr was
Datum und
Wochentag angeht. In dieser
Lage befinden sich offenbar zwei Reisende,
welche von demselben
Orte, der eine nach W., der andre nach O. ausgehend, an einem um 180° entfernten
Ort, also auf der Hälfte
ihres Wegs um die
Erde, zusammentreffen.
Macao an der chinesischenKüste und
Manila auf
Luzon sind z. B. um etwa 7,5° in der
Länge oder etwa 30
Minuten
in der Zeit voneinander entfernt; aber
Macao, von den Portugiesen besetzt, zählt im
Datum einen
Tag mehr als die
Spanier in
Manila. Ganz
Amerika
[* 4] bekam von O. her, nur
Alaska von W. den europäischen
Wochentag; russische und englische
Pelzhändler an der
Grenze hatten also verschiedene
Wochentage, und als die
Vereinigten Staaten
[* 5]
Alaska kauften, mußten
Datum
und
Wochentag geändert werden. Obenstehende Kartenskizze zeigt die
Linie, welche die
Orte voneinander scheidet, die verschiedenen
Wochentag und verschiedenes
Datum haben; westwärts von derselben zählt man als
Datum und
Wochentag einen
Tag mehr als ostwärts. Die Mitternachtsstunde des neuen
Jahrs tritt auf der ganzen
Erde zuerst auf der ostwärts von
Neuseeland
gelegenen
Chathaminsel ein. Die
Schiffer berücksichtigen jene
Linie aber
nicht, sie lassen in ihrem Schiffsjournal bei jedesmaligem Überschreiten des 180.° v. Gr. einen Wechsel des Datums und Wochentags
eintreten; bei der Fahrt von O. nach W. wird ein Wochentag und ein Datum überschlagen, bei der Fahrt von W. nach O. aber wird
zwei Tage hintereinander dasselbe Datum und derselbe Wochentaggeschrieben.
Geht man von einem PunkteEuropas genau 180° nach O., so ergibt sich eine Zeitdifferenz von 12 Stunden.
Ist es in Europa
[* 7] 1. Jan. 8 Uhr
[* 8] morgens, so ist es im O. 1. Jan. 8 Uhr abends. Geht man aber genau 180° nach W.,
so hat man hier zu derselben Zeit 31. Dez. 8 Uhr abends. Die Frage, welches Datum dem betreffenden Meridian zukommt, ist nach wissenschaftlichen
Grundsätzen mit Bestimmtheit nicht zu beantworten. Offenbar ist für die Frage auch der Ausgangspunkt der
Zeitzählung von Bedeutung, und bekanntlich haben wir mehrere erste Meridiane.
Beschränkt man sich auf die Meridiane von Ferro, Greenwich und Paris,
[* 9] so ergibt sich ein schmales sphärisches Zweieck als Ausgangsregion
der christlichen Zeitzählung, und diesem Zweieck steht, um 180° in der Länge entfernt, ein andres von
gleicher geographischer Längenausdehnung gegenüber, in welchem die Zeitbestimmung auch durch die Bevorzugung eines der
drei genannten Meridiane unsicher wird. Bei der überwiegenden Bedeutung des Meridians von Greenwich muß indes dieser auch
als Datumgrenze den Vorzug erhalten, und die Schiffer respektieren ihn allgemein. Wer von W. nach O. segelt, zählt
den Tag¶
mehr
doppelt, an welchem er diese Linie überschreitet, und wer von O. nach W. reist, läßt diesen Tag aus und springt beispielsweise
sofort vom 30. März zum 1. April über.
Welches Datum man an den Orten in der Gegend des 180. Längengrades zählt, hängt davon ab, von welcher Seite diese Orte
entdeckt wurden. Die Holländer kamen von W., die Spanier von O., und jeder folgte selbstverständlich seinen Schiffsjournalen.
Es ist sehr begreiflich, daß dann auf jeder Insel und Inselgruppe des GroßenOzeans jenes Datum weiter gezählt wurde, welches
die ersten Besiedler mitbrachten. Wie sonderbar sich die Sache gestaltete, zeigt unser Kärtchen Bd.
4, S. 573, auf welchem die Datumgrenze, anstatt dem Meridian zu folgen, eine weite Ausbiegung nach W. macht, weil die Philippinen
von dem von O. herkommenden Magelhaens entdeckt und später auch von O. her durch Legaspi erobert und besiedelt wurden.
Solange nun diese Inseln in ihrem auswärtigen Verkehr fast ausschließlich auf das spanische Amerika angewiesen
waren, hatten sie keine Veranlassung, von ihrem ursprünglichen östlichen Datum abzuweichen. Als aber im Anfang dieses Jahrhunderts
die spanische Herrschaft in Amerika zusammenbrach und sich die Beziehungen der Philippinen zur nahen asiatischen Küste immer
lebhafter gestalteten, ergaben sich aus der Datumdifferenz zwischen den Inseln und dem Festland die unliebsamsten
Störungen.
Dies führte 1844 zu einer Änderung der Datumszählung, die in der Weise vorgenommen wurde, daß man den gänzlich
fallen ließ und nach dem 30. Dez. sofort den zählte. Diese Änderung des Datums fand gleichzeitig auf den Marianen,
die eine unmittelbare politische Dependenz der Philippinen bilden, Anwendung, und so ergibt sich also neben
der nautischen Datumgrenze (180° von Greenwich) und der historischen noch eine thatsächliche oder wirtschaftliche, welche
indes heute noch nicht mit Sicherheit gezogen werden kann, da die Datumzählung aller Inseln des StillenOzeans nicht hinlänglich
bekannt ist.
Dies gilt z. B. von den Karolinen, die indes wahrscheinlich dem Beispiel der Philippinen gefolgt sein werden. Die Samoa-Inseln
und sehr wahrscheinlich auch die Tonga-Inseln führen, obwohl sie östlich von 180° v. Gr. liegen, doch dasselbe Datum wie
Australien,
[* 11] weil ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu letzterm sehr viel regere sind als die zu Amerika.
Genauere Untersuchungen würden wohl noch weitere Abweichungen in gleichem Sinne nachweisen lassen, und so ergibt sich, daß
die heutige thatsächliche oder wirtschaftliche Datumgrenze unter dem Zwange der modernen Verkehrsgestaltung eine Ausbuchtung
nach O. macht. Merkwürdigerweise ist die vor 46 Jahren auf den Philippinen vorgenommene Änderung der Datumzählung in der
Litteratur fast unbeachtet geblieben, und es ist dem k. k. FregattenkapitänFreiherrn v. Benko zu danken, daß er vor kurzem
die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese Verhältnisse lenkte, welche in unsrer Zeit des Weltverkehrs
[* 12] erhöhtes Interesse beanspruchen.