die Haupt- und Residenzstadt des Großherzogtums Hessen (s. Plan), liegt in der Mitte zwischen Rhein und Main, 145 m ü. M.,
da, wo die Vorhöhen des Odenwaldes und der Bergstraße in die Ebene übergehen, beinahe gleichweit von
den Rhein- und Mainstädten Mainz, Frankfurt, Hanau und Aschaffenburg, nicht allzu weit vom Neckar (Heidelberg, Mannheim) entfernt.
Wenn die geographische Lage hiernach nicht ungünstig erscheint, so verdankt doch nicht dieser, sondern ihrer Eigenschaft als
Residenz, im Mittelalter der Grafen von Katzenelnbogen, in der neuern Zeit der Landgrafen, spätern Großherzöge
von Hessen, die Stadt ihre jetzige Bedeutung.
Sie besteht aus der Altstadt, mit engen u. winkeligen Straßen, und der Neustadt, welche durch das großherzogliche Schloß und
den Paradeplatz voneinander getrennt werden. Die Neustadt besteht aus breiten, schönen Straßen, welche zum Teil mit Alleen
bepflanzt sind sowie zahlreiche mit hübschen Anlagen geschmückte freie Plätze und mehrere große, parkähnliche
Gärten umschließen. Sechs Eisenbahnlinien laufen in Darmstadt zusammen, welche in zwei Hauptbahnhöfe einmünden (s.
unten).
Betritt man von den Bahnhöfen, denen gegenüber das 1875 erbaute Bankgebäude u. vor welchen die Bronzebüste
des in Darmstadt gebornen Chemikers Justus v. Liebig steht, die Stadt, so gelangt man in die wichtigste Straße
derselben, die Rheinstraße, die auf den schönsten Platz der Stadt, den achteckigen Luisenplatz, und zum großherzoglichen
Schloß führt. An dem Luisenplatz liegen das 1881 erbaute schöne Postgebäude, das Kollegiengebäude (seit 1780), das
Ständehaus und das Alte Palais; auf dem Platz erhebt sich das Ludwigsmonument, eine 43 m hohe Sandsteinsäule
mit dem 7 m hohen, nach Schwanthalers Entwurf von Stiglmayr aus Erz gegossenen Standbild Ludwigs I., des ersten Großherzogs von
Hessen.
Von dem Luisenplatz nach S. führt die breite Wilhelminenstraße zur Rotunde der katholischen Kirche (1827 erbaut von Moller),
in der Nähe das Palais des Prinzen Karl, in welchem sich das
Original der von Holbein d. jüng. gemalten Madonna
des Bürgermeisters Meyer befindet; nach N. zu gelangt man auf den Mathildenplatz mit dem Neuen Kollegium, dem Justizgebäude
und dem Marstall. Von hier nach NW. liegt einer der neuesten Stadtteile, das sogen. Blumenthalviertel
mit dem Wilhelmsplatz, auf welchem das Metzdenkmal steht.
Vom Luisenplatz nach O. schreitend, gelangt man zum großherzoglichen Schloß, einem aus verschiedenen Jahrhunderten stammenden
Komplex von Bauten, der von einem tiefen, jetzt in Gartenanlagen verwandelten Graben umgeben ist. Die ältesten Teile gehören
noch der Katzenelnbogener Zeit an, so der Hofkonditoreibau im Schloßkirchenhof. Die andern diesen Hof
umgebenden Bauten entstammen in der Hauptanlage der Regierung des Begründers der hessen-darmstädtischen Linie, Georgs I. (1567-96).
Der Glockenspielbau wurde von Ludwig VI. (gest. 1678), die großen Massen der neuern Schloßteile mit ihren vier Pavillons sind
von 1717 an durch Landgraf Ernst Ludwig errichtet.
Das Schloß enthält die dem Land gehörigen wissenschaftlichen und Kunstsammlungen. Solche sind:
1) die Hofbibliothek mit ungefähr 500,000 Bänden, darunter 1400 Inkunabeln und vielen Holzschnittwerken;
2) das Alte Museum, ägyptische, römische und germanische Altertümer, eine Münzsammlung sowie kunstgewerbliche und ethnographische
Gegenstände enthaltend;
3) das Kupferstichkabinett;
4) die Gemäldegalerie, besonders ausgezeichnet durch Werke der altdeutschen und niederländischen Schulen;
5) die naturwissenschaftlichen Sammlungen, darunter die paläontologische von besonderer Bedeutung;
6) der Antikensaal. Auch das Staatsarchiv befindet sich im Schloß.
Vom Schloß nach N., den Theater- und Paradeplatz begrenzend, liegen das nach dem Brand von 1871 neuerbaute Hoftheater und das 1771 von
Schuknecht errichtete Zeughaus, dessen Dachkonstruktion ein Wunder ihrer Zeit war, da sie ohne Säule den
100:50 m in der Grundfläche messenden Raum überspannt. Vor dem Zeughaus steht das 1879 enthüllte Kriegerdenkmal, zwischen
ihm und dem Theater die Standbilder Philipps des Großmütigen und Georgs I. Von hier aus betritt man den Herrengarten mit
dem Grabmal der »großen Landgräfin« Karoline Henriette, Gemahlin Ludwigs IX. (gest. 1774),
welches die von Friedrich d. Gr.
gestiftete Marmorurne mit der Inschrift: »Femina sexu, ingenio vir« trägt. Auf der andern Seite des Schlosses liegt der Marktplatz
mit dem aus dem 16. Jahrh. stammenden Rathaus, unweit davon die Stadtkirche aus dem 15. Jahrh., im 17. Jahrh.
umgebaut, mit dem Renaissancegrabmal
von Georg I. (gest. 1596). Die andern Kirchen sind: die Stadtkapelle, die schon erwähnte katholische Kirche mit den Grabmälern
der Großherzogin Mathilde und des Prinzen Friedrich und die am äußersten Nordostrand der Stadt neuerbaute Martinskirche.
An der katholischen Kirche befindet sich das Neue Palais, Wohnung des Großherzogs, von da nach W. der Marienplatz
mit dem Denkmal der in den Napoleonischen und Befreiungskriegen gefallenen Hessen und der Kavalleriekaserne.
Die in neuerer Zeit durch einen großen Anbau vergrößerte Infanteriekaserne liegt in der Alexanderstraße, die Artilleriekaserne
in Bessungen, die Trainkaserne vor der Stadt, im W. Bemerkenswert sind die schönen, wohleingerichteten Schulbauten der Stadt,
darunter die Realgymnasialschule am Kapellplatz, die Knabenmittelschule in der Friedrichstraße, mehrere Volksschulhäuser.
Als Vergnügungslokal in der Stadt (Konzerte) ist der Saalbau zu nennen. Die Zahl der Einwohner betrug Ende des vorigen Jahrhunderts
erst 6700; 1816 zählte Darmstadt bereits 15,391 und nach der letzten Zählung (1880) mit
der Garnison (Stab der 25. Division, der 49. und 50. Infanteriebrigade und 25. Kavalleriebrigade, 3 Inf.-Bat.
Nr. 115, 2 Esk. Dragoner Nr. 23, 3 Esk. Dragoner Nr. 24) 41,199 und mit Bessungen, das bereits ganz mit Darmstadt verwachsen ist, 48,769
Einw., davon 39,880 Evangelische, 7340 Katholiken, 1352 Israeliten.
Handel und Industrie sind im Aufschwung begriffen; Gegenstände des Handels sind: Eisen, Petroleum, Früchte,
Mehl, Wein und Landesprodukte;
die Industrie erstreckt sich auf chemische Fabrikation, Hutfabrikation, Maschinenbau, Eisengießerei,
Tabak, Spielkarten, Tapeten, technische Instrumente, Bierbrauerei u. a. Geldinstitute sind: die Bank für Handel und Industrie,
die Bank für Süddeutschland, eine Reichsbanknebenstelle, Volksbank, Landwirtschaftliche Genossenschaftsbank u. a. Darmstadt durchschneiden
die Main-Neckarbahn (Frankfurt-Heidelberg) und die Main-Rheinbahn (Mainz-Aschaffenburg), und es gehen davon
aus die Riedbahn (Darmstadt-Worms) und die Odenwaldbahn (Darmstadt-Eberbach).
An Bildungsanstalten besitzt Darmstadt außer der Bibliothek und
den Sammlungen (s. oben) die technische Hochschule, das Ludwig-Georgs-Gymnasium, das Realgymnasium, die Realschule, die Viktoriaschule
(höhere Mädchenschule) und gute Mittel- und Volksschulen sowie Privatmädchenschulen (Hoffmannsche Schule
u. a.). Darmstadt zählt 17 wissenschaftliche Vereine und 14 Zeitschriften, darunter 4 täglich erscheinende Zeitungen. An Wohlthätigkeitsanstalten
und milden Stiftungen besitzt Darmstadt 26, unter den Krankenanstalten sind das städtische Hospital, das Alicehospital und das Landkrankenhaus
zu nennen. Darmstadt hat einen Zentralfriedhof, einen botanischen Garten, Gas- und Wasserleitung. Es ist Sitz der
obersten Landesbehörden des Großherzogtums, der Ministerien, des Oberkonsistoriums, der Oberrechnungskammer, der Regierung
für Starkenburg, eines Kreisamtes, Oberpostamtes, eines Hauptsteueramtes, einer Zentralstelle für Landesstatistik und Gewerbe,
eines Oberlandes- und Landgerichts für die 18 Amtsgerichte zu Beerfelden, Darmstadt I und II, Fürth, Gernsheim, Groß-Gerau, Groß-Umstadt,
Hirschhorn, Höchst, Lorsch, Michelstadt, Reinheim, Waldmichelbach, Wimpfen, Zwingenberg (für welche eine Kammer für Handelssachen
in Darmstadt besteht), Langen, Offenbach a. M. und Seligenstadt (für welche eine Handelskammer zu Offenbach besteht).
Darmstadt
ist der Geburtsort von H. P. Sturz, Joh. Heinrich Merck (Goethes Freund), den Kupferstechern Heß und Jakob Felsing, dem Orientalisten
F. E. Schul, Justus v. Liebig, General v. d. Tann u. a. Im benachbarten Ober-Ramstadt ist der Humorist Lichtenberg
geboren.
Die Umgebungen der Stadt sind sehr waldreich und haben namentlich im O. und S. ausgedehnte Laubwaldungen mit schönen Partien
und Spaziergängen; Vergnügungsorte sind: die Ludwigshöhe mit Aussichtsturm, Fasanerie und Einsiedel (im Wildpark), Traisa,
Ober- und Nieder-Ramstadt (Stationen der Odenwaldbahn), in größerer Nähe der Karlshof. Von den großherzoglichen
Gärten vor der Stadt sind die Rosenhöhe mit dem Mausoleum des großherzoglichen Hauses (Grabmal einer jung verstorbenen Prinzessin,
von Rauch; Grabmal der Großherzogin Alice, von der Königin Viktoria von England gestiftet, ausgeführt von Böhm) und die Mathildenhöhe
mit dem Hochreservoir des städtischen Wasserwerks zu nennen. 6 km westlich liegt der große Artillerieschießplatz,
bestimmt für das 11. Korps (Regimenter 11, 25 und 27), das brandenburgische Fußartillerieregiment Nr. 3 und
das württembergische (14.) Korps. Darmstadt ist der Ausgangspunkt für Ausflüge in die Bergstraße und den Odenwald.
Geschichte. In Urkunden des 8.-11. Jahrh. erscheint ein Dorf Darmundestat und war
bis 1257 im Lehnsbesitz der Reichsministerialen von Dornberg. Dann vom Grafen Diether III. von Katzenelnbogen eingezogen, erhielt
es 1330 Stadtrecht, und bis 1375 war die alte Burg vollendet. Nach dem Erlöschen der männlichen Linie der Grafen von Katzenelnbogen 1479 kam
Darmstadt durch Heirat an Hessen. 1518 hatte Darmstadt eine heftige Belagerung durch Franz v. Sickingen zu bestehen, die
durch einen Vergleich endete. Im Schmalkaldischen Krieg (1546) ward die Stadt von einem niederländisch-spanischen Korps unter
dem Grafen von Büren mit List eingenommen, geplündert und das Schloß in die Luft gesprengt. Darmstadt blieb nun lange Zeit
in seinen Trümmern liegen.
Die Stadt erholte sich erst unter dem Landgrafen Georg I. von Hessen, der Darmstadt zu seiner Residenz wählte (1567) und Stifter der
hessen-darmstädtischen Linie wurde. 1622 wurde Darmstadt von den Truppen Ernsts von Mansfeld geplündert, 1688 und 1693 von den Franzosen
gebrandschatzt. Seine glänzendste Periode begann mit der Regierung Ludwigs X. (als Großherzog Ludwig I.,
1790-1830). Die alten Mauern wurden größtenteils abgetragen, die Stadt nach allen Richtungen erweitert, ganze Straßen mit
schönen Gebäuden und eine Menge trefflicher Bildungsanstalten gegründet. In Darmstadt wurde 1820-22 der sogen.
Darmstädter Handelskongreß (zur Beratung über ein gemäßigtes Mautsystem und über gemeinschaftliche
Zölle) von den Bevollmächtigten mehrerer süddeutscher Staaten gehalten und im April 1852 die sogen. Darmstädter Koalition
gegen den preußischen Zollverein (s. d.) geschlossen.
Vgl. Karl Wagner, Darmstadt (Beschreibung und Geschichte, Darmst. 1842);
Walther,
Darmstädter Antiquarius (das. 1857);
Derselbe, Darmstadt wie es war und wie es geworden (das. 1865);
Mitzenius, Darmstadt (Führer,
das. 1871).
1) Kreis in der hess. Provinz Starkenburg, hat 298,04 qkm, (1890) 91184 (44775 männl., 46409 weibl.) E., darunter 3813 Militärpersonen, 8656 Wohnhäuser, 2 Städte, 20 Landgemeinden.
– 2) Hauptstadt des Großherzogtums Hessen und der Provinz Starkenburg, Residenz des Großherzogs, 27 km
südlich von Frankfurt a. M., liegt 49° 52' nördl. Br. und 8° 39' östl. L. von Greenwich, in 146,5 m Höhe und ist rings
von schönen Parkanlagen sowie Laub- und Nadelholzwaldungen umgeben, die sich im S. an die schönen Hochwälder der Bergstraße
anschließen. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt im Frühling +9,6, im Sommer +18,4, im Herbst +9,8
und im Winter +1,5° C., der durchschnittliche Luftdruck 747,4 mm.
Bevölkerung. Darmstadt hatte einschließlich der 1888 einverleibten Gemeinde Bessungen (1885: 8174 E.) 1871: 39594, 1875: 44107,
1880: 48769, 1885: 51302, 1890: 55883 E., darunter 45712 Evangelische, 5097 Katholiken, 105 Deutschkatholiken, 1438 Israeliten,
i. eine Zunahme 1885–90 von 4581 Personen oder 8,9 Proz. oder jährlich 916 Personen;
ferner 3636 bewohnte Gebäude, 11380 Familienhaushaltungen, 1070 einzeln
lebende Personen und 72 Anstalten.
Die Zahl der Geburten betrug (1891) 1567 (darunter 74 Totgeburten), der Sterbefälle 1104,
der Eheschließungen 439. In Garnison liegen das Leibgarderegiment Nr.
115, Gardedragonerregiment Nr. 23, die Leib-, 2. u. 5. Eskadron des Leibdragonerregiments Nr. 24, die Gardeunteroffiziercompagnie,
das Feldartillerieregiment Nr. 25 und Trainbataillon Nr. 25.
Anlage, Straßen, Plätze, Denkmäler. Darmstadt besteht aus der Altstadt im O. mit engen und krummen Straßen und der regelmäßig angelegten
Neustadt westlich davon; in den letzten Jahrzehnten sind im NO. (Blumenthalviertel) und im SO. neue, mit schönen Gebäuden
und Vorgärten gezierte Stadtteile entstanden. Hauptstraßen sind die Rhein-, Promenaden-, Hügelstraße, die Wilhelminen-,
Heinrich-, Anna-, Saalbau- und Neckarstraße. Von den zahlreichen Plätzen seien genannt der schöne achteckige Luisenplatz
mit dem Bronzestandbilde (9 m) des Großherzogs Ludwig Ⅰ., von Schwanthaler modelliert, auf roter Sandsteinsäule
(43 m)
mehr
mit Wendeltreppe im Innern, 1844 errichtet; der Paradeplatz mit dem Kriegerdenkmal für 1870/71), nach dem Modell des Bildhauers
Herzig, von Lenz in Nürnberg gegossen, nordöstlich daranstoßend der Hoftheaterplatz mit Sandsteinstandbildern des Landgrafen
Philipp des Großmütigen und seines Sohnes Georg Ⅰ. des Frommen, des Stifters der Hessen-Darmstädtischen Linie, von Scholl,
1854; der Mathildenplatz, der Wilhelminenplatz, der Marienplatz und der Bahnhofsplatz mit Fontäne und
der Büste des zu D. geborenen Chemikers Justus von Liebig. An der Ecke der Liebig- und Landwehrstraße befindet sich ein Brunnendenkmal
des Abgeordneten August Metz; auf dem Friedhof stehen zahlreiche Denkmäler hervorragender Männer, so des Komponisten Flotow,
Kupferdruckers Felsing, Turnlehrers Spieß, Majors Kattrein u. a.
Kirchen. Nahe dem Markte die prot. Stadtkirche mit got. Chor und sehenswertem Renaissancegrabmal Georgs Ⅰ., am Wilhelminenplatz
die 1827 von Moller im Stile des röm. Pantheons erbaute kath. Kirche, mit 28 Säulen im Innern, die die Glaskuppel tragen, und
schönem Marmorsarkophag der Großherzogin Mathilde, von Widnmann; ferner die neue got.
Stadtkapelle, die frühgot. Martinskirche und eine neue Synagoge. Eine neue Kirche (Johanniskirche) ist (1892) im Bau begriffen.
Weltliche Bauten. Das großherzogl. Residenzschloß, zum Teil noch aus der Zeit der Grafen von Katzenelnbogen (15. Jahrh.) stammend,
wurde unter Landgraf Georg Ⅰ. umgebaut und nach seinem Tode (1596) mit schönen Portalen in Renaissance
versehen;
der Hauptteil stammt aus dem 18. Jahrh., das Glockenspiel des Turmes von 1671;
der Bau wurde 1833 vollendet. Im mittlern
Stockwerk befindet sich die Hofbibliothek (400000 Bände, 3300 Handschriften, Landkartensammlung und viele seltene Druckwerke)
und die 1890 neugeordneten Sammlungen von Altertümern, Mineralien, Konchylien und Petrefakten;
im obern
Stockwerk die Gemäldegalerie (Darstellung im Tempel, von Stephan Lochner [1447], Christus an der Martersäule, von Rembrandt
[1668] u. a.);
ebenfalls im Schlosse befindet sich die berühmte Madonna mit der Familie des Baseler Bürgermeisters Meyer, von
Holbein dem Jüngern.
Nördlich vom Schlosse das Hoftheater, nach dem Brande (1871) neu gebaut und 1879 vollendet.
Am Markt steht das Rathaus, ein Renaissancebau von 1568, auf dem Wilhelminenplatz das neue Palais des Großherzogs, auf der
Rosenhöhe das des Prinzen Wilhelm, beide in ital. Renaissance, dem Bahnhof gegenüber die
Kunsthalle und die Banken für Handel und Industrie und für Süddeutschland, letztere beiden von Berdellé 1875 erbaut,
in der Hügelstraße das neue Gebäude der Volksbank, in der Schützenstraße die städtische Sparkasse, in der Rheinstraße
das Stadthaus und das großartige Postgebäude;
ferner die Palais des Prinzen Alexander und des verstorbenen Prinzen Karl sowie
mehrere Kasernen, Klubhäuser und hervorragende Privatgebäude;
der Bau eines neuen Museums an Stelle des
abgebrochenen Zeughauses ist (1892) von den Landständen bewilligt;
ein neues großes Polytechnikum ist (1892) im Bau begriffen.
Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet durch einen Oberbürgermeister und einen Bürgermeister (Morneweg), zwei unbesoldete Beigeordnete, 42 Stadtverordnete
und eine großherzogl. Polizeiverwaltung. Es besteht eine Schutzmannschaft (54), freiwillige Feuerwehr (250
Mann), ausgezeichnete Wasserleitung, Gasanstalt (1,7 Mill. cbm) und ein Elektricitätswerk mit 5000 Glühlampen. ^[]
Finanzen. Darmstadt hatte (1890/91) etwa 11,056 Mill. M. Vermögen und 8,879 Mill. M. Schulden. Die Einnahmen
betrugen (1888/89) 1,990, die Ausgaben 1,642 Mill. M.; für Schulen wurden 375600 M., für öffentliche Sicherheit 114000
M., für Armenpflege 82000 M. verwendet.
Behörden. Darmstadt ist Sitz der Behörden des großherzogl. Hofes, der Ministerien, der Oberrechnungskammer, des Oberkonsistoriums,
der Direktion der Provinz Starkenburg, des Kreisamtes Darmstadt, der landwirtschaftlichen, Forst-, Kirchen- und Schulbehörden, eines
Oberlandesgerichts für das Großherzogtum Hessen (Landgerichte Darmstadt, Gießen, Mainz), Landgerichts mit 18 Amtsgerichten (Beerfelden,
Darmstadt Ⅰ, Darmstadt Ⅱ, Fürth, Gernsheim, Groß-Gerau, Groß-Umstadt, Hirschhorn, Höchst, Langen, Lorsch, Michelstadt,
Offenbach, Reinheim, Seligenstadt, Wald-Michelbach, Wimpfen, Zwingenberg) und Kammern für Handelssachen in Darmstadt und Offenbach,
zweier Amtsgerichte, einer Oberpostdirektion für das Großherzogtum Hessen mit Ausnahme des Amtsgerichtsbezirks Wimpfen mit 285 Verkehrsanstalten
und 2024,22 km oberirdischen Telegraphenlinien (7677,06 km Leitungen), einschließlich 781,56 km Fernsprechanlagen,
eines Hauptsteueramtes, Steuerkommissariats, Rentamtes, einer Reichsbanknebenstelle; ferner der Kommandos der 25. (großherzogl.
hess.) Division sowie der 49. und 50. Infanterie- und 25. Kavalleriebrigade. In Darmstadt haben
Preußen und Großbritannien Gesandtschaften.
Schul- und Bildungswesen. Die Technische Hochschule ist aus der frühern Gewerbeschule hervorgegangen; sie zählte (Wintersemester
1892/93) 24 Professoren, 28 andere Docenten, 497 Studierende und 111 Hospitanten; die einzelnen Zweige
der Hochschule sind: Hochbauabteilung, Ingenieurabteilung, Maschinenbauabteilung, chem.-technische Abteilung, mathem.-naturwissenschaftliche
Abteilung, elektrotechnische Abteilung. Das Pädagogische Seminar zur Ausbildung von Lehrern für Gymnasien und Realschulen
ist mit dem neuen Gymnasium verbunden.
Großherzogl. Ludwig-Georgs-Gymnasium, 1627 vom Landgrafen Georg Ⅱ. gestiftet (Direktor Dr. Becker, 32 Lehrer, 17 Klassen
mit 469 Schülern, 6 Vorschulklassen mit 177 Schülern), Neues Gymnasium, 1890 vom vorigen abgezweigt (Direktor Nodnagel, 14 Lehrer, 9 Klassen, 240 Schüler);
Realgymnasium, 1823 gegründet (Direktor Kühl, 32 Lehrer, 15 Klasssen ^[richtig: Klassen] mit 593 Schülern, 4 Vorschulklassen
mit 171 Schülern), Realschule, 1889 vom vorigen abgezweigt (Direktor Dr. Freiherr von Gall, 17 Lehrer, 13 Klassen, 425 Schüler), 3 höhere
Mädchenschulen, darunter die städtische Victoriaschule, Mädcheninstitut (Lehrerinnenseminar) St. Maria der Englischen Fräulein,
je eine Mittel- und zwei Stadtschulen für Knaben und Mädchen, mehrere Fortbildungsschulen, eine Handwerk-, Kunstgewerbe-
und Fachschule für Kaufleute.
Außer der oben unter den weltlichen Bauten erwähnten Bibliothek und Gemäldegalerie besteht noch ein
Kabinettsmuseum und eine Kabinettsbibliothek im alten großherzogl. Palais sowie mehrere
Privatsammlungen von Gemälden (z. B. die des Geh. Hofrats Schäfer). Hervorragend ist das Hoftheater (1800 Plätze), 1818/19
von dem kunstliebenden Großherzog Ludwig Ⅰ. gegründet, und die Hofkapelle.
mehr
Vereine. Verein für Erdkunde, Geographische Gesellschaft, Kunstgenossenschaft, Historischer, Geologischer und Naturwissenschaftlicher,
Archäologischer, Litterarischer, Ärzte-, Architekten- und Ingenieur-, Kunst-, Instrumental-, Musikverein und zahlreiche andere
Vereine zur Förderung von Kunst, Musik, Turnen, Geselligkeit, Handel, Verkehr, Gewerbe und Sport sowie eine Freimaurerloge. Die
in Darmstadt erscheinenden polit. Zeitungen und Fachzeitschriften sind weniger bedeutend.
Wohlthätigkeitsanstalten. Neben den Ortskrankenkassen bestehen Kranken-, Unterstützungs-, Altersversorgungs- und Sterbekassen,
Sanitätsvereine, Verein gegen Verarmung und Bettelei, Lehrerwaisenstift, Knabenarbeitsanstalt, Alice-Frauenverein, Idiotenanstalt
(Alicestift); ferner ein städtisches Hospital, Pfründneranstalt, Siechenhaus, Asyl für verwahrloste Kinder (in Gräfenhausen),
Hospitäler der Barmherzigen Schwestern, Diakonissenhaus Elisabethstift, Alice-Hospitalverein, Mathilde-Landkrankenhaus u. a.
Industrie, Gewerbe, Handel. Industrie und Handel haben sich in den letzten Jahrzehnten vorteilhaft entwickelt;
es bestehen Eisengießereien (Aktiengesellschaft vormals Gebrüder Seck), Kesselschmieden (Göhring & Leuchs, Arthur Rödberg),
ferner Fabrikation von Maschinen (Aktien-Maschinenbauanstalt vormals Venuleth & Ellenberger, besonders für Brennereieinrichtungen
und Trockenapparate, Beck & Rosenberger für Brauereieinrichtungen), Chemikalien (Emanuel Merck), eisernen Herden (Gebrüder
Röder), Spielkarten, Hüten (Schuchards Nachfolger), Wagen (Karl Schenck), Seifen, Parfümerien, Möbeln,
Eisenbahnfahrkartendruck- und -Datumpressen, Kartonnagen, Schokolade, Cigarren, Briefumschlägen, Öfen, Spiel-, Metall- und
Schuhwaren, Tapeten (Hochstätter & Söhne), Zündhölzern u. s. w., große Handelsgärtnereien, Buchdruckereien, lithogr.-geogr.
Anstalten und Großhandlungen in Manufaktur-, Kolonial- und Materialwaren, Wein, Öl, Leder und Landesprodukten. Die Interessen
des Handels und der Gewerbe werden gefördert durch eine Handelskammer, den Handels-, Lokalgewerbe-, Verkehrs-
und Fabrikantenverein. Die Stadt hat eine Frühjahrs- und Herbstmesse, zwei Pferde- und zahlreiche Fettviehmärkte. Darmstadt ist
Sitz der Land- und Forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft für das Großherzogtum Hessen und der 2. Sektion der Hessen-Nassauischen
Baugewerksberufsgenossenschaft.
Für den Geld- und Kreditverkehr bestehen die Reichsbanknebenstelle (1891: 450 Mill. M. Umsatz), Bank für Handel
und Industrie (s. d., meist Darmstädter Bank genannt), Bank für Süddeutschland (Darmstädter Zettelbank, 15,672 Mill. M.
Aktienkapital, 1891: 781113 M. Reingewinn), Volksbank (Genossenschaft, 1891: 19 Mill. M. Umsatz), Landwirtschaftliche Genossenschaftsbank
(1891: 15 Mill. M. Umsatz) und mehrere Privatbanken. Ferner bestehen eine Centralgenossenschaft für die landwirtschaftlichen
Konsumvereine, ein Hausfrauenverein, Kohlenkonsumverein, eine Renten- und Lebensversicherungsanstalt und
eine Versicherungskasse.
Verkehrswesen. Darmstadt hat 4 Bahnhöfe und liegt an den Linien Mainz-Aschaffenburg, Darmstadt-Wiebelsbach-Heubach (28,1 km) und Darmstadt-Goddelau-Erfelden
(16 km) der Hess. Ludwigsbahn (Hess. Ludwigsbahnhof und Bahnhof Rosenhöhe), Frankfurt a. M.-Heidelberg (Main-Neckarbahn, Main-Neckarbahnhof
und Bahnhof in Bessungen)
und hat Straßenbahnverbindung mit Griesheim (6,8 km), Arheilgen (4,3 km) und
Eberstadt (6 km). Darmstadt hat ein Postamt erster Klasse mit Zweigstelle, ein Telegraphenamt erster Klasse und ein Stadtpostamt sowie
Fernsprecheinrichtung (108 Teilnehmer) und -Verbindung mit Frankfurt, Mainz, Wiesbaden und Hanau.
Vergnügungsorte und Umgebung. Zahlreiche Vergnügungsorte befinden sich in der Stadt (Saalbau mit 12 Festsälen, Schützenhof,
Rummelbräu, Ludwigsbahnhotel) und in der schönen Umgebung, so der Karlshof (3 km), Fasanerie (8 km), Jagdschloß Kranichstein
(10 km), Forsthaus Einsiedel (7 km) im O. und NO., sowie die Ludwigshöhe (242 m, 4 km) mit Aussichtsturm im S. Bei Eberstadt
an der Bergstraße die stattlichen Trümmer der Burg Frankenstein (397 m) mit Grabmälern aus dem 16. und 17. Jahrh.
in der Kapelle.
Geschichte. Darmstadt wird zuerst in den Urkunden des 11. Jahrh. erwähnt; der Ursprung des Namens ist unsicher. Bessungen wird bereits 1002 urkundlich
erwähnt. Schwerlich hat das kleine Bächlein, heutzutage Darm genannt, von dem es durchflossen wird, Veranlassung
zu dem Namen gegeben; wahrscheinlich bedeutet der Name der Stadt «Stadt des Darmund», wie er auch zuerst in der Form
«Darmundstadt» vorkommt. war aber zu Anfang des 14. Jahrh.
noch ein Dorf im Besitze der Grafen von Katzenelnbogen, die 1330 für dasselbe Stadt- und Festungsrecht vom Kaiser erlangten.
Nach dem Erlöschen der männlichen Linie der Katzenelnbogener (1479) kam Darmstadt durch die an den Landgrafen
Heinrich Ⅲ. vermählte Katzenelnbogener Erbtochter an Hessen. Im Schmalkaldischen Kriege wurde Darmstadt durch das kaiserl. Heer eingenommen
und das alte Schloß in die Luft gesprengt. Nach Philipps des Großmütigen Tode (1567) fiel Darmstadt bei der
Teilung des Landes an dessen jüngsten Sohn Georg, der es zu seiner Residenz wählte und Stifter der Darmstädtischen Linie wurde.
Mehr noch als Georg thaten für die Erweiterung der Stadt die Landgrafen Ludwig Ⅴ., Ludwig Ⅵ. und Ernst Ludwig; dann die
Großherzöge Ludwig Ⅰ., Ludwig Ⅲ. und Ludwig Ⅳ., unter deren Regierung das neue Darmstadt entstand. –
Vgl.
Mitzenius, Darmstadt, seine Wälder und Höhen (2. Aufl., Darmst. 1871);
Walther, Der Darmstädter Antiquarius (ebd. 1857);
ders.,
Darmstadt wie es war und wie es geworden ist (ebd. 1865);
Zernin und Wörner, Darmstadt und seine Umgebung (Zür. 1890).