Titel
Darlehnska
ssenvereine,
ländliche, auch
Raiffeisensche Darlehnska
ssenvereine, oder Raiffeisenvereine genannt, nach ihrem Begründer Friedr.
Wilh.
Raiffeisen (s. d.), hauptsächlich für ländliche Verhältnisse bestimmte,
auf der unbeschränkten Haftpflicht beruhende Personalkreditgenossenschaften. Sie sind in der Regel
Sparkassen,
Darlehnskassen
und gleichzeitig
Vereine zum gemeinschaftlichen
Bezug von Wirtschaftsbedürfnissen
(Dünge- und
Futtermitteln,
landwirtschaftlichen
Maschinen u.s.w.) sowie zum gemeinschaftlichen Verkauf von Wirtschaftserzeugnissen.
Dabei bezwecken die Darlehnska
ssenvereine, neben der materiellen Förderung ihrer Mitglieder namentlich auch deren
sittliche
Hebung.
[* 2] Sie beschränken ihre Thätigkeit im Interesse einer durchaus sichern und übersichtlichen Geschäftsführung
auf einen möglichst kleinen
Bezirk, in der Regel eine Pfarrgemeinde, sie schließen statutgemäß alle spekulativen
Geschäfte
aus, werden mit Ausnahme des Rechnerpostens ehrenamtlich verwaltet, verleihen nur an Mitglieder, und zwar nicht gegen Wechsel,
sondern gegen Schuldschein unter solidarischer
Bürgschaft; Spareinlagen nehmen sie dagegen auch von Nichtmitgliedern an und
haben vielfach bereits
Pfennigsparkassen eingerichtet.
Der Kredit ist entsprechend den besondern Verhältnissen der Landwirtschaft langfristig. Um jede Gewinnsucht der Mitglieder auszuschließen, zugleich aber auch den Vereinen für alle Zeiten eine sichere Grundlage, festen Halt und Selbständigkeit zu verleihen, wird, abgesehen von einer kleinen Dividende, welche den jeweiligen Zinsfuß für Kapitaleinlagen nicht überschreiten darf, der gesamte Gewinn zu einem unteilbaren Vereinsvermögen, dem sog. Stiftungsfonds, angesammelt, welcher statutgemäß bis zur Höhe des Betriebskapitals des Vereins anwachsen und dann in seinen Zinsen zu wirtschaftlichen Zwecken für die ¶
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Vereins-293 Mitglieder verwendet werden soll. Auch im Falle der Auflösung des Vereins wird dieser Stiftungsfonds nicht verteilt, sondern von einem sichern Geldinstitut so lange verwaltet, bis sich in dem betreffenden Ort ein neuer auf gleicher Grundlage beruhender Verein gebildet hat, dem dann jenes Vermögen zufällt. Raiffeisen gründete zuerst 1849 in Flammersfeld auf dem Westerwald einen ländlichen Verein unter Solidarhaft der Mitglieder hauptsächlich zur Befreiung derselben aus den Händen wucherischer Zwischenhändler.
Seit den sechziger Jahren begann er dann in der Neuwieder Gegend die ersten Spar- und Darlehnska
ssenvereine zu gründen.
Neuwied ist auch Sitz der Centrale dieser großen Vereinsorganisation geblieben, welche 1896 bereits
weit über 2000 Vereine in allen Teilen Deutschlands
[* 4] umfaßte. Diese Vereine sind zusammengeschlossen in dem Generalanwaltschaftsverbande
ländlicher Genossenschaften für Deutschland,
[* 5] welcher, mit dem Revisionsrecht ausgestattet, die gesetzlich vorgeschriebenen
Revisionen ausführt, die Vereine instruiert und für Ausdehnung
[* 6] der Organisation Sorge trägt.
An der Spitze des Generalanwaltschaftsverbandes steht der Generalanwalt (zur Zeit Theodor Cremer, langjähriger
Mitarbeiter Raiffeisens)
und der Generalanwaltschaftsrat. Der Verband
[* 7] ist wieder eingeteilt in Verbandsanwaltschaften (den
Provinzen oder Landesteilen entsprechend) und Unterverbände (den Kreisen entsprechend). Als Geldausgleichsstelle und Bankhaus
fungiert die Landwirtschaftliche Centraldarlehnskasse
für Deutschland zu Neuwied, eine Aktiengesellschaft, welcher nur Darlehnska
ssenvereine, angehören
können, und welche gleichfalls statutarisch nur durchaus sichere Geschäfte machen darf.
Sie leiht den Vereinen im Rahmen des ihnen festgesetzten Kredits Geld und nimmt deren überschüssige Kapitalien auf, beides unter entsprechender Verzinsung. Der Umschlag dieser Centralkasse ist in den letzten Jahren bedeutend gewachsen (1894: 28 Mill. M., 1895: 62 Mill. M.). Als drittes Institut fungiert die Firma Raiffeisen+Cons. zu Neuwied, eine von Raiffeisen begründete Handelsgesellschaft, die für die Vereine die gemeinschaftlichen Bezüge und Verkäufe vermittelt, aus eigener Druckerei den Vereinen die erforderlichen Bücher u.s.w. liefert sowie als Verlagsfirma das «Landwirtschaftliche Genossenschaftsblatt» herausgiebt. Dabei fließt vertragsmäßig der erzielte Geschäftsgewinn nicht den
Karte: Dar es-Salaam (Situationsplan) ¶
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