Dar
[* 2] Fertit
, eine erst 1871 von
Schweinfurth erforschte
Landschaft in Zentralafrika, zwischen 6½ und
8½° nördl.
Br., südlich von
Dar Fur im Gebiet des
Bahr el Arab. Das Land besteht wesentlich aus einer großen Thoneisensteindecke,
die nach W. zu allmählich ansteigt und von einer Anzahl bedeutender Hügelkuppen von
Granit inselartig durchbrochen wird.
Diese
Kuppen deuten mit den zahllosen einzelnen Granitplatten die höchsten Gipfel längst abgetragener
Gebirgskämme an. Von den sämtlich dem
Bahr el Arab tributären
Flüssen sind die wichtigsten (von W. nach
O.): der Biri,
Kuru,
Pango oder Dembo und der Dschur mit dem
Wau.
Ihre wasserreichen
Quellen liegen im Niam-Niamland, von wo sie gleich als ansehnliche
Ströme nach Dar Fertit
übertreten und hier,
ohne viel Zuflüsse zu empfangen, nach N. dem
Bahr el Arab und Gazellenstrom zufließen. Der Vegetationscharakter
entspricht dem des Niam-Niamlandes, d. h. es mischen sich bereits westafrikanische
Gewächse hier mit denen des
Ostens. Auch
insofern zeigt die
Flora einen eigentümlichen
Dualismus, als trockne
Steppen und überfeuchte Uferwaldungen und Waldgalerien
miteinander wechseln. Die
Fauna ist dieselbe wie im übrigen Mittelafrika. Die ethnographischen Verhältnisse
zeigen ein
Bild der größten
¶
mehr
Verwirrung. »Nirgends wohl«, sagt Schweinfurth, »sieht man auf so beschränktem Raum, wie ihn die kleinen Kulturstrecken in der
Umgebung der Dêm (Ansiedelungen) dar
bieten, eine derartige Anhäufung zusammengewürfelter Rassen.« Die Bewohner des Landes
sind echte Neger. Im O. trifft man auf die schon früher bekannten Bongo oder Dor; weiter westlich folgen
Golo und Ssêre, oft untereinander gemischt. Die Ssêre, ursprünglich ein Sklavenstamm der Niam-Niam, scheinen erst in neuerer
Zeit und zwar infolge der Entvölkerung des Landes durch den Sklavenhandel von S. her eingewandert zu sein.
Äußerlich den Bongo ähnlich, unterscheiden sich doch Golo und Ssêre sprachlich von jenen und nähern sich
in ihren Sitten und Gebräuchen den Niam-Niam. Am weitesten westlich, am Biri, wohnen die Kredsch, aus einer Unzahl kleiner Stämme
bestehend. In kleinern Mengen sind Niam-Niam und im N. Baggara-Araber im Land angesiedelt. Dar Fertit
ist noch immer eine der wichtigsten
Domänen des Sklavenhandels und infolgedessen stark entvölkert. Die ursprüngliche Bevölkerung,
[* 4] ausgezeichnet
durch sanfte Gemütsart, beschäftigt sich vorzugsweise mit Ackerbau und ist durch die kaum zu erschwingende Zahl der von
den verschiedenen im Land seßhaften ägyptischen Handelsgesellschaften benötigten Träger,
[* 5] durch Kornmangel und Knechtung
durch die vielen aus Dar Fur und Kordofan stammenden Fremden in einen sehr traurigen Zustand versetzt worden.
Von ihren verpalissadierten Niederlassungen (Seriben) aus durchstreifen die ansässigen Dschellaba (Sklaven- und Elfenbeinhändler) das Land weit und breit, alles verwüstend, Not und Unglück überall hinbringend. Da der Elfenbeinhandel stark im Abnehmen begriffen ist, so erscheinen die nach Kordofan, Dar Fur etc. ausgeführten Sklaven als das Hauptprodukt des Landes, welches nominell wenigstens von den Ägyptern in Besitz genommen ist. Die wichtigste Niederlassung ist die Seriba Siber im Kredschland. S. Karte »Congoländer«.
Vgl. Schweinfurth, Im Herzen von Afrika [* 6] (neue Ausg., Leipz. 1878).