Etwa 20 km nordöstlich davon liegen, 2 km voneinander entfernt, äußerst malerisch die alten Dardanellenschlösser, die
Mohammed II. gleich nach der
EroberungKonstantinopels erbauen ließ: Kilid
Bahr (»Meeresriegel«) in
Europa
[* 4] und
Kale Sultanie
(Tschanak Kalessi)
inAsien.
[* 5] Beide heißen gewöhnlich die alten
Schlösser von
Rumeli und Anadoli. Weiter nördlich wurden
seit 1867 vier Küstenbatterien
[* 6] erbaut und zwar auf asiatischer Seite die
BatterieMedschidie (14
Geschütze),
[* 7] unweit nördlich
von
Kale Sultanie, und Nagara (14
Geschütze), an der
Stelle des alten
Abydos, auf europäischer Seite Namasigja (26
Geschütze)
und Degirmenburnu (19
Geschütze), südlich und nördlich von Kilid
Bahr. Im ganzen enthielten die
Befestigungen
an den Dardanellen 1874
ca. 250 ältere und neuere glatte
Kanonen, welche 1877 zum Teil durch Kruppsche ersetzt wurden.
Der
Handel der Dardanellen konzentriert sich in dem
Hafen von
Kale Sultanie, wo sich ein deutschesKonsulat befindet,
und hat sich nach dem letzten
Krieg erheblich gesteigert; an demselben sind besonders
Frankreich,
Österreich-Ungarn
[* 8] und
Großbritannien
[* 9] beteiligt. Im türkischen Zolljahr 1883/84 wertete die Ausfuhr (besonders
Gerste,
[* 10]
Erbsen,
Fichtenrinde und Valonea, d. h. der
an
Gerbsäure reiche Fruchtbecher der dortigen
Eiche) 1,2 Mill.
Frank, die Einfuhr
(Zucker,
[* 11]
Kaffee,
Reis, englische
Kohlen, Manufakturwaren) 1,1 Mill.
Fr. Die
Ufer sind gleichmäßig mit
Weingarten,
Hecken und Dörfern in reicher Abwechselung
eingefaßt. Am
Ausgang liegt als bedeutendste Uferstadt
Gallipoli, nach welcher die
Meerenge auch wohl
Straße von
Gallipoli genannt
wird, gegenüber in
Asien Lapsaki
(Lampsakos), ein unbedeutendes Dorf mit schöner
Moschee. Die Dardanellenstraße hat
einige
Untiefen und außerdem eine sehr heftige Strömung, die bei Nordwind fast unwiderstehlich ist, am wenigsten dagegen
bei Südwind sich bemerklich macht.
405
v. Chr. wurde hier am Ägospotamos, südlich von
Gallipoli, durch Wegnahme der athenischen
Flotte seitens der Spartaner
unter
Lysandros der Peloponnesische
Krieg entschieden. Am Eingang der Dardanellen fanden 1499 und Seeschlachten
statt, beide zwischen den
Venezianern und den
Türken; 1499 unterlagen die letztern, und 1657 wurde ihre
Flotte fast vernichtet;
dagegen wurde die venezianische
Flotte 1694 dort geschlagen. Die sorglosen
Türken erhielten im vorigen
Jahrhundert, im Vertrauen
auf den
Ruf derDardanellenschlösser, dieselben so wenig im Verteidigungszustand, daß sie nach und nach
gänzlich verfielen.
Erst nachdem 1770 ein russisches
Geschwader unter
AdmiralElphinstone ungehindert in die
Meerenge eingedrungen war, ließen sie
die
Forts wiederherstellen. Allein lange dauerte dieser gerüstete Zustand der Dardanellen bei der Schlaffheit der
Türken auch jetzt nicht.
Schon 1807 wurde eine Durchfahrt durch dieselben von dem englischen
Admiral Duckworth
mit acht
Linienschiffen, vier
Fregatten nebst mehreren
Brandern und Bombardierbooten ohne Verlust bewerkstelligt, in deren
Folge20. Febr. zum
erstenmal eine feindliche
Flotte vor
Konstantinopel erschien.
Schon früher und dann in dem 1809 zwischen
England und der
Pforte abgeschlossenen Friedensvertrag hatte erstere Macht
in die
Forderung der
Pforte, daß kein nichttürkisches
Kriegsschiff in die Dardanellenstraße und in den
Bosporus
[* 12] einlaufen
dürfe, eingewilligt, und im
September 1841 wurde ein
Vertrag zwischen den fünf europäischen Großmächten und der
Pforte
unterzeichnet, welcher festsetzte, daß kein
Kriegsschiff in die Dardanellen einlaufen dürfe.
Beim Beginn des orientalischenKriegs
ankerte die englisch-französische
Flotte im Juni 1853 im S. von
KumKale in der
Besikabai, von wo sie Ende
Oktober in die Dardanellenstraße
einlief und 3. Nov. in der Beikosbai
Anker
[* 13] warf. Im ersten Anhang zu den
Pariser Friedensartikeln von 1856 wurde der
Vertrag von 1841 der
Hauptsache nach bestätigt; doch behielt sich der
Sultan vor, leichten, den Gesandtschaften fremder Mächte
zur
Verfügung gestellten Fahrzeugen durch besondere
Fermane die Durchfahrt zu gestatten; die
Befestigungen an den Dardanellen wurden
darauf von der
Pforte bedeutend erweitert und verstärkt. Nachdem das
LondonerProtokoll vom die Schließung der
Dardanellen von
¶
Meerenge zwischen Kleinasien und dem Balkan, die das Ägäische mit dem Marmara-Meer,
bzw. das Mittelländische mit dem Schwarzen Meer verbindet. Ihre hohe politische Bedeutung erweist sich darin, daß seit
Jahrhunderten insbesondere Rußland sich in ihren Besitz zu setzen sucht. ⟶ Meerengen-Abkommen.
Der Name kommt von der Stadt Dardanus (s. d.) im Gebiet von Troas. Die Dardanellen haben als westl. Eingangsthor nach Konstantinopel eine
hohe kommerzielle wie auch militär. Bedeutung; die erstere konzentriert sich in Gallipoli
am östl. Eingange, die letztere in den Sperrforts des durchgängig von den Kanonen beherrschten schmalen
südwestl. Teils. Schon seit langer Zeit sind befestigt der Eingang selbst durch die 1881 neugebaute BatterieSeddil-Bahr und
das gegenüberliegende FortKum-Kale, dann die engste Stelle zwischen Kilid-Bahr und Tschanak-Kalessi oder Kale-Sultanie (s. d.),
einer Stadt von 7000 E., wo 1660 Mohammed IV. zwei Schlösser erbauen ließ, in denen später die Riesenkanonen
(Kämmerliks von den Türken genannt) Aufstellung fanden.
Diese Anlagen wurden 1830 durch Errichtung der Batterien Namasigia unmittelbar im S. und Degirmen-Burun-Tabiassi im N. verstärkt
und im Bereich der Enge zwischen den Ruinen des alten Sestos und Abydos das Fort Boghalü Tabia und gegenüber
das von Nagara erbaut. Unter SultanAbd ul-Asis beschloß die Pforte 1863, auf Anregung des damaligen brit. BotschaftersSir Henry
Bulwer, den allmählichen Umbau der infolge der Erfindung der gezogenen Kanonen wie der Panzerschiffe
[* 18] beiden gegenüber fast
vollkommen wertlos gewordenen Dardanellenbefestigungen; die bezüglichen Arbeiten wurden im April 1864 begonnen.
Danach, bis zum Ausbruch des letzten russ.-türk. Krieges (April 1877) unter mancherlei Erneuerungen fortgeführt, haben sie
das Resultat gehabt, daß die drei Batterien Namasigia, Medschidieh und Degirmen-Burun-Tabiassi und das Fort Nagara den Anforderungen
unserer Tage entsprechend fertig gestellt worden sind.
Die Meerenge hat eine große Rolle in der Geschichte gespielt. Hier, mutmaßlich auf der Schmalstelle
von Nagara, schlug Xerxes seine Brücken;
[* 19] und hier setzte Alexander nach Asien über. 1356 überschritten die Türken die Straße.
Den ersten Versuch, in die Straße einzudringen, machte der als Admiral in russ. Diensten stehende Engländer Elphinstone mit
drei Linienschiffen und vier Fregatten bei Verfolgung zweier türk. Linienschiffe. Indes scheint er, Kum-Kale
und Seddil-Bahr passierend, nur bis Kepes-Burun gelangt zu sein. Der engl. Admiral Duckworth gelangte, von
¶
mehr
801 den türk. Batterien bei seiner Durchfahrt unbelästigt, 20. Febr. bis nahe vor Konstantinopel, mußte aber unverrichteter
Dinge die Rückfahrt antreten. Der Dardanellenvertrag welchen die fünf Großmächte mit der Pforte abschlossen,
und der durch den Pariser Frieden 1856 im wesentlichen bestätigt wurde, setzt fest, daß kein nichttürk.
Kriegsschiff ohne Bewilligung der osman. Regierung in die Meerenge einlaufen und sie passieren darf.
Auch Handelsfahrzeugen fremder Nationen ist die Passage der Schmalstelle von Tschanak-Kalessi bei Nacht untersagt, und sie
sind zur Vorzeigung der Pässe und zur Zahlung einer Leuchtturmsgebühr verpflichtet. Der LondonerVertrag
sowie der Berliner Friede bestätigten das Princip der Schließung der Dardanellen nach Maßgabe des Pariser Friedens.
Doch liefen Febr. 1878 engl. Kriegsschiffe durch die Dardanellen, um Konstantinopel vor den Russen zu schützen. 1891 wurde die Dardanellenfrage
von neuem aktuell, als zu verschiedenen Malen russ. Schiffe
[* 21] mit Soldaten an Bord von den Türken an der Durchfahrt
gehindert wurden. Die Türkei
[* 22] schloß darauf ein Abkommen mit Rußland, wonach die Schiffe der sog. Freiwilligen FlotteRußlands,
sofern sie die Handelsflagge führen, die Dardanellen frei passieren, und wenn sie Sträflinge oder Soldaten an Bord haben, der Pforte
vorher davon Anzeige machen sollen. Eine türk. Cirkularnote vom 16. Sept. teilte den
Großmächten dies Abkommen mit. KleineDardanellen heißen auch die Meerenge und die Schlösser von Rion (s. d.) in Griechenland.
[* 23]