Titel
Dante
Alighieri (spr. aligjehri), der größte Dichter
Italiens
[* 2] und einer der tiefsten
Geister aller
Zeiten und
Völker,
wurde wahrscheinlich an einem der letzten
Tage des Mai 1265 zu
Florenz
[* 3] geboren und erhielt in der
Taufe den
Namen
Durante, der
nach der herrschenden
Sitte in Dante
abgekürzt wurde und ihm so dauernd verblieben ist. Seine
Familie
gehörte zu den alten florentinischen Geschlechtern und stand auf seiten der
Guelfen. Dante Alighieri
selbst nennt als seinen Stammvater
den Cacciaguida, einen tapfern
Krieger (geboren um 1090), welcher eine
Alighieri aus dem Pothal zur
Frau hatte.
Einer ihrer
Söhne (gestorben um 1200) nahm den
Namen der
Mutter an und ward so der
Stifter des
Geschlechts
der
Alighieri zu
Florenz. Von der
Jugend des Dichters weiß man thatsächlich wenig, da die romanhaft und tendenziös aufgeputzten
Mitteilungen seines ersten Biographen
Boccaccio nur mit Vorsicht aufzunehmen sind. Erst die gründlichen Forschungen der neuern
Zeit, namentlich
Balbos und Fraticellis, haben ein ziemlich klares
Bild von Dantes
Lebensgang hergestellt.
Der
Vater, ein Rechtsgelehrter, starb schon 1270, hinterließ aber ein ziemliches
Vermögen an liegenden
Gründen, und die
Mutter,
Donna
Bella, übertrug nun die
Erziehung ihres
Knaben dem gelehrten
Staatssekretär der
Republik,
Brunetto Latini, der selbst als
Dichter in
Ruf stand, und dem Dante Alighieri
später an einer
Stelle seiner
»Komödie« ein rührend schönes Denkmal
setzte. Unter
Brunettos Leitung machte sich Dante Alighieri
mit allem bekannt, was damals im Bereich der
Gelehrten lag, und beschäftigte
sich neben den strengen
Studien auch mit den heitern
Künsten; er war
Freund der
Maler
Giotto und Oderisi, wie
er auch selbst zeichnete, sowie des
Sängers und Musikers Casella.
Wie früh er die
Dichtkunst getrieben, läßt sich nicht bestimmen; wohl aber sagt er selbst, daß er die
Provençalen kannte
und bewunderte. Von dichterischen
Freunden nennt Dante Alighieri
den ausgezeichneten
Guido
Cavalcanti, an welchen das erste öffentlich von
ihm bekannt gemachte
Sonett gerichtet ist, und den er später verbannt sehen mußte, und
Cino da Pistoja,
welcher später den Dante Alighieri
in einer
Kanzone beklagt; andre waren
Dante da Majano,
Dino
Frescobaldi etc.
Eng verbunden mit seiner
Liebe
zur
Poesie ist seine idealische
Liebe zu Beatrice, der Tochter eines angesehenen
Bürgers, Folco de Portinari,
die er 1274, kaum neun Jahre alt (sie selbst zählte acht), bei einem
Maifest zu
Florenz zuerst gesehen hatte, worüber Dante Alighieri
selbst
in seinem Erstlingswerk: »La vita nuova«, berichtet.
Von dieser ersten Jugendliebe blieb ihm der tiefste
Eindruck für das ganze
Leben und steigerte sich in ihm zu jener
Verklärung und Bedeutung Beatrices, wie er sie in seinem großen Gedicht verewigt hat.
Daher setzt es unsern
Begriffen gemäß
allerdings in Erstaunen, zu erfahren, daß Dante Alighieri
ein oder zwei Jahre (1291)
nach Beatrices frühem
Tod sich mit
Donna
Gemma aus
dem vornehmen
Geschlecht der
Donati verheiratet habe, und manche sind geneigt, die ganze Mitteilung Dantes
über jenen Gegenstand in symbolischem
Sinn aufzufassen.
Richtiger dürfte es sein, die Sache mit dem damals aus der Provence her noch fortwirkenden ritterlichen Frauendienst in Verbindung zu bringen, nach welchem Ehe und Minne nebeneinander bestehen konnten, ohne sich gegenseitig zu beirren. Daß der lernbegierige Zögling, herangewachsen, in den Orden [* 4] der Franziskaner getreten, aber noch vor Ablauf [* 5] des Noviziats wieder ausgeschieden sei, ist eine Sage. In Wirklichkeit hat er wohl seine Studien in Bologna und Padua [* 6] fortgesetzt und ist etwa 1288 in die Vaterstadt zurückgekehrt, um sich nach dem Vorbild seines väterlichen Freundes und des trefflichen Priors Giano della Bella den Staatsgeschäften zu widmen. Er ließ sich, wie das Gesetz es damals vorschrieb, in eine Zunft und zwar in die der Ärzte und Apotheker aufnehmen, zog 1289, als die Ghibellinen von Arezzo aus wieder einmal einen Sturm auf Florenz zu unternehmen gedachten, mit gegen sie zu Felde und focht 11. Juni tapfer bei Campaldino, wobei er in große Gefahr geriet. Im folgenden Jahr war er bei dem Zug nach Pisa, [* 7] durch welchen unter Anführung des Podesta Novello da Polenta die Feste Caprona erobert wurde.
Außerdem ist in der Zeit von 1295 bis 1301 von verschiedenen Gesandtschaften die
Rede, zu welchen Dante Alighieri
verwendet
wurde.
Als er das gesetzliche
Alter von 35
Jahren erlangt hatte, wurde er in die Zahl der
Prioren gewählt (1300) und zwar nicht,
wie es gewöhnlich geschah, durch das
Los, sondern durch freie
Wahl; ein
Amt, das für ihn, nach seinem eignen
Ausspruch, die
Quelle
[* 8] all seines spätern Unglücks wurde.
Florenz, im ganzen guelfisch, war doch in zwei
Parteien: die
»Weißen« und die
»Schwarzen«,
geteilt, von denen die erstern mehr ghibellinisch gesinnt, die letztern dagegen unbedingte Anhänger des
Papstes waren.
Dantes
patriotischer
Eifer brachte es dahin, daß der
Senat die
Häupter beider
Parteien aus
Florenz verwies;
doch entbrannte, da der
Senat die
Weißen begünstigte, der
Kampf bald von neuem. Als die
Schwarzen in
Rom
[* 9] beschlossen,
Karl von
Valois, der sich eben zu einem Kriegszug gegen
Sizilien
[* 10] rüstete, als Friedensstifter nach
Florenz zu senden und mit seiner
Hilfe die gegnerische
Partei niederzuwerfen, schickten die
Weißen Abgeordnete nach
Rom, um dem
Papst
Vorstellungen
zu machen und womöglich die Ankunft
Karls zu hintertreiben. Zu dieser Gesandtschaft gehörte auch Dante Alighieri
, der sich der
Sache der
Weißen zuneigte. Er verließ
Florenz, um nie wieder dahin zurückzukehren.
Während er noch in
Rom war, rückte
Karl von
Valois, vom
Papst unterstützt, Anfang
November 1301 in
Florenz
ein und rief sofort die
Schwarzen zurück. Es kam zu einem
Gericht über die
Weißen, und Dante Alighieri
mit 14 andern wurde zu 8000 Lire
Geldbuße und zu zweijähriger
Verbannung (resp. Feuertod im Betretungsfall) verurteilt. Seine
Güter wurden eingezogen, sein
Haus in der Stadt der
Plünderung des
Pöbels preisgegeben. Empört über die Unbill und die
Beschimpfung,
die ihm durch diesen Spruch widerfahren, eilte Dante Alighieri
von
Rom, wo er natürlich nichts ausgerichtet hatte, zunächst nach
Siena
und von da nach
Arezzo, um hier mit den übrigen Geächteten
Rats zu pflegen, was zu thun sei. Als Bitten
und friedliche Maßregeln keinen Erfolg hatten, beschlossen die Flüchtlinge, die Rückkehr mit Waffengewalt zu erzwingen,
und unternahmen einen
Angriff auf
Florenz.
¶
mehr
Derselbe scheiterte indessen, und Dante Alighieri
, der vielleicht gar nicht daran teilgenommen, wurde nun auf Lebenszeit
in die Acht erklärt. Tief erbittert zog er sich von den andern Geächteten zurück und nahm das Asyl an, das Graf Guido Salvatico
im Val Casentino ihm anbot. Inzwischen war sein ältester Sohn herangewachsen und sollte in Padua seine
Studien beginnen. Um ihn wiederzusehen, begab sich Dante Alighieri 1306 nach Padua, scheint sich aber nicht lange daselbst aufgehalten zu
haben. Im Sommer 1307 machte Papst Clemens V. einen Versuch, den vertriebenen Weißen zur Rückkehr nach Florenz zu verhelfen;
es kam in Mugello zu einer Zusammenkunft der Beteiligten, und auch Dante Alighieri fand sich
dazu ein.
Allein die Unterhandlungen zerschlugen sich; die »schlechte und dumme Bande« der Weißen benahm sich so unwürdig, daß sich Dante Alighieri vollständig von ihr lossagte, um fortan »für sich allein Partei zu machen«. Allein wanderte er nun im Land umher, um zu erfahren, »wie scharf versalzen fremdes Brot [* 12] schmeckt, wie hart es ist, fremde Treppen [* 13] zu steigen«. Auch der Schmerz sollte dem Verstoßenen nicht erspart bleiben, »alles Teure«, das er in Florenz hatte zurücklassen müssen, durch einen plötzlichen Tod zu verlieren: seine Gattin und die beiden jüngsten Söhne starben 1308 an der Pest.
Von den Orten, an welchen Dante Alighieri verweilte, kennt man mit Bestimmtheit nur einige. Nachdem er kurze Zeit in der Lunigiana (zwischen Lucca [* 14] und Genua) [* 15] beim Marchese Morello Malaspina gerastet (auf dessen Schloß er vielleicht den ersten Plan zur »Commedia« entwarf), wandte er sich nach Verona, [* 16] wo eben (1308) der heldenmütige Can della Scala (Can grande) Mitregent seines schwachen Bruders Alboin geworden war, und ging von hier, wie wenigstens Boccaccio berichtet, nach Paris, [* 17] wo er sich in theologische Studien vertiefte.
Die Kunde von dem Zug König Heinrichs VII. nach Italien [* 18] erweckte wieder neue Hoffnungen in ihm und rief ihn in das Vaterland zurück. Dante Alighieri, der schon früher einen Ermahnungsbrief an die Fürsten und Völker Italiens erlassen hatte, sich dem Kaiser als dem »Retter des Landes« zu unterwerfen, begrüßte diesen zu Mailand [* 19] (Dezember 1310) und schrieb, als ihm derselbe zu lange in Oberitalien [* 20] zögerte, einen feurigen Brief, der ihn aufforderte, ungesäumt die Axt an die Wurzel [* 21] des Übels, Florenz, zu legen Eine dritte Epistel richtete Dante Alighieri sodann an die Florentiner [* 22] selbst und verkündete darin seiner Vaterstadt das Schicksal Sagunts.
Florenz antwortete mit einem Dekret das die Ächtung Dantes in den schärfsten Ausdrücken bestätigte und ihn »auf ewige Zeiten« verfemte, während es zugleich offene Partei für die »heilige Kirche« gegen den Kaiser nahm. Die Belagerung der Stadt, welche der Kaiser im Sommer 1313, nachdem er im Juni 1312 in Rom gekrönt worden war, unternahm, hatte keinen Erfolg; er mußte unverrichteter Sache abziehen, und als er sie mit neuen Kräften wieder aufnehmen wollte, ereilte ihn bei Siena der Tod Ob Dante Alighieri persönlichen Anteil an diesen Begebenheiten genommen, oder wo er sich um diese Zeit aufgehalten, ist nicht mit Sicherheit ermittelt.
Über ein Dutzend Ortschaften und Klöster in den verschiedensten Gegenden Italiens haben in der Folge die Ehre beansprucht, des Heimatlosen Asyl und Herberge gewesen zu sein. Wahrscheinlich ist, daß er sich zunächst dem ihm von Arezzo her befreundeten Uguccione della Faggiuola, der das Haupt der Ghibellinen von Toscana und Herr von Pisa war, angeschlossen (dem er, wie man berichtet, den ersten Teil der »Commedia« dedizierte, wie er den zweiten Teil dem Marchese Moroello Malaspina gewidmet haben soll), und daß er nach Heinrichs VII. Tod alle Hoffnung aufgegeben und sich einzig mit der Vollendung seines großen Gedichts beschäftigt hat.
Von Pisa scheint er sich nach der Romagna gewandt zu haben, wo er etwa 1315 mit seinen beiden Söhnen Pietro und Jacopo und seiner Tochter Beatrice nach Ravenna kam; der Fürst Guido Novello da Polenta gewährte ihnen dort eine bleibende Stätte. Um diese Zeit ward dem berühmt gewordenen Dichter endlich die Erlaubnis zur Rückkehr nach Florenz durch einen Freund ausgewirkt, unter der Bedingung, daß er sich »der Form wegen« einer kurzen Verhaftung und einer Geldstrafe unterwerfe und in einer Kirche seine Schuld durch ein Sühnopfer anerkenne.
Mit großartigem Selbstbewußtsein wies aber Dante Alighieri in einem noch erhaltenen Brief den Antrag unter solchen Bedingungen zurück, und so ward das Verbannungsurteil im Oktober 1315 abermals »auf ewige Zeiten« bestätigt und merkwürdigerweise erst 1494 ausdrücklich aufgehoben. In Ravenna brachte er wohl den dritten Teil seiner »Commedia« vollständig zu Ende (um 1319); auch soll er nach Boccaccio während dieser Zeit zahlreiche Schüler unterrichtet und zum Dichten in der italienischen Volkssprache angeleitet haben. Im Sommer 1321 ging er dann, wie weiter berichtet wird, in einer diplomatischen Mission seines Gastfreundes nach Venedig, [* 23] erkrankte dort und wurde, dem Tod nahe, nach Ravenna zurückgebracht, wo er im Alter von 56 Jahren starb. Er ward in der Grabkapelle neben der Franziskanerkirche in einem marmornen Sarg feierlich bestattet. Der Fürst selbst hielt ihm eine Leichenrede, und nur seine eigne Verbannung, die im folgenden Jahr erfolgte, vereitelte seine Absicht, ihm ein prächtiges Denkmal zu errichten. - Im J. 1483 ließ Bernardo Bembo, Vater des berühmten Kardinals, die Grabstätte mit einem Denkmal schmücken und darauf eine angeblich von Dante Alighieri selbst verfaßte Inschrift setzen.
Durch den Kardinallegaten Domenico Maria Corsi ward 1692 die verfallene Grabstätte notdürftig restauriert; erst 1780 erfuhr sie durch Luigi V. Gonzaga eine gründliche Reparatur. Im J. 1813 stellte Canova Dantes Marmorbüste im Pantheon zu Rom auf. Florenz reklamierte die Gebeine des Dichters, der in seinem letzten Willen ausdrücklich verlangt hatte, daß sie unter keinen Umständen an seine undankbare Vaterstadt ausgeliefert werden sollten, wiederholt (zuletzt noch 1864), aber immer vergeblich und hat erst 1829 in der Kirche Santa Croce seinem großen Sohn ein Denkmal von der Hand [* 24] Riccis errichten lassen. Während der Kardinal Bertrando di Poggetto Dantes Gebeine als die eines Ketzers zum Feuer verurteilen wollte, hallte ganz Italien vom Ruhm des Dichters wider. Fünf Jahrzehnte nach des Dichters Tod errichtete seine Vaterstadt einen besondern Lehrstuhl zur Erläuterung seines Werkes, auf den Boccaccio berufen ward, und andre Städte, wie Pisa, Bologna, Mailand, folgten dem Beispiel von Florenz nach. - Sein Volk aber gab ihm den Beinamen des »Göttlichen«. - Nach Boccaccios Beschreibung war Dante Alighieri ein Mann von mittlerer Größe, im Alter etwas gekrümmt, doch würdig und stets in vornehmer Kleidung einhergehend, sein Gesicht [* 25] lang, mit einer Habichtsnase und großen, ausdrucksvollen Augen; die Kinnbacken waren stark und die untere Lippe [* 26] etwas hervorspringend, Bart und Haupthaar schwarz, dicht und kraus, der Ausdruck des Gesichts schwermütig und tiefsinnig, die Farbe desselben bräunlich. Raffael hat ihn in dem unter ¶
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dem Namen der »Disputa« bekannten Gemälde im Vatikan [* 28] zu Rom zwischen Thomas von Aquino und Scotus und in einem andern Gemälde daselbst, dem »Parnaß«, neben Vergil und Homer angebracht. In Florenz befindet sich eine Wachsmaske, die über der Leiche des Dichters abgenommen sein soll und von Rauch abgeformt wurde. Ein Bildnis Dantes auf einer Medaille entdeckte 1832 Misserini; ein Freskobildnis des jugendlichen Dichters (wie man annimmt, von Giotto, um 1295) wurde 1840 an einer Wand der Cappella del Podestà zu Florenz wieder aufgefunden. Statuen von Dante Alighieri befinden sich zu Florenz (zwei, von Pazzi und Demi), Verona (von Zannoni). Padua (von Vela) und Neapel [* 29] (von Angelini).
Die 600jährige Wiederkehr des Geburtstags Dantes im Mai 1865 gab in Italien Anlaß zu einer nationalen Jubelfeier, die namentlich in Florenz 14. bis 16. Mai großartigster Weise begangen wurde. Man feierte Dante Alighieri als »den Vorläufer der politischen Einheit des Vaterlandes und als den Anwalt für Freiheit und Recht in der christlichen Welt«. Den Kernpunkt des Festes bildete die Enthüllung der Statue Dantes (von Enrico Pazzi) auf dem Santa Croce-Platz, gegenüber der Kirche. In Ravenna, der Grabstätte des Dichters, wo man die Feier 24. und 25. Juni beging, erhielt dieselbe durch eine überraschende, kurz zuvor gemachte Entdeckung ein besonderes Interesse.
Während man bislang gar nicht anders gewußt hatte, als daß die sterblichen Überreste Dantes in dem Marmorsarg bestattet lägen, den Guido da Polenta 1321 ihnen gegeben, wurde 26. Mai (1865) bei einer baulichen Reparatur an der Franziskanerkirche, mehrere Schritte von der Dantekapelle entfernt, ganz zufällig eine Kiste eingemauert gefunden mit der Aufschrift: »Dantis ossa a me Fra Antonio Santa hic posita anno 1677 die ... Octobris«. Das Innere enthielt die auseinander gebrochenen Stücke eines menschlichen Skeletts, und eine zweite Inschrift besagte: »Dantis ossa denuper revisa 3. Junii 1677«. Bei Eröffnung des Marmorsargs zeigte sich derselbe wirklich leer; nur einige Knochenstücke enthielt er, welche gerade an dem in der Kiste gefundenen Skelett [* 30] fehlten, so daß die Identität der Gebeine außer Zweifel zu sein scheint. Wahrscheinlich hatte Santi, der 1677 Kanzler des Klosters war, den Reliquienschatz verborgen in der Befürchtung, derselbe könne bei der damals beabsichtigten und 1692 ausgeführten Reparatur des Mausoleums aus der Grabkapelle entführt werden.
Dantes Tochter starb 1350 als Nonne in Ravenna. Von seinen beiden Söhnen war der jüngere, Jacopo di Dante Alighieri, bei dem Tode des Vaters in Ravenna und lebte noch 1342 in Florenz, wo er einen Teil der konfiszierten Güter des Vaters zurückkaufte. Man schreibt ihm einen Kommentar über das »Inferno« zu, betitelt: »Chiose di Jacopo figliuolo di Dante Alighieri sopra la Commedia etc.« (hrsg. von Vernon, Flor. 1845), sowie mehrere Gedichte. Das Geschlecht des Dichters wurde durch den ältern Sohn, Pietro, fortgepflanzt und erlosch in seiner männlichen Linie erst 1547, wo der Name Alighieri dann mit der weiblichen Linie auf die Saregi überging, die noch heute in Verona leben und sich nach dem großen Dichter nennen.
Die kleinern Schriften Dantes.
Wie über Dantes Leben genaue Nachrichten fehlen, so ist auch hinsichtlich seiner Werke schwer anzugeben, wann und wo die einzelnen begonnen und vollendet wurden. Als frühste seiner Schriften ist »Das neue Leben« (»La vita nuova«) zu nennen, ein seltsames Werk, das um 1293-95 (Dante Alighieri sagt: »vor dem Eintritt in mein Mannesalter«) abgefaßt wurde. Es berichtet über die Geschichte seiner Jugendliebe zu Beatrice und enthält die Gedichte, welche derselben ihre Entstehung verdanken, aber durchweg von prosaischen, teils schwungvollen und ergreifenden, teils trocknen und pedantischen Erklärungen begleitet, die über Anlaß und Bedeutung jedes einzelnen Gedichts besondere Auskunft geben und so eine Art Kommentar bilden, der das Ganze in den Bereich der Allegorie rückt. Die »Vita nuova« erschien zum erstenmal gedruckt mit den Kanzonen des Dante Alighieri und seinem Leben von Boccaccio (Flor. 1576) und erlebte über 30 Ausgaben. Zu den besten derselben gehören die vom Marchese Trivulzio (Mail. 1827),
die nach einer Handschrift aus dem 15. Jahrh. (Pesaro 1828), die von Giuliani (»La vita nuova e il canzoniere di Dante Alighieri«, Flor. 1868),
von d'Ancona (Pisa 1872) und von Witte (Leipz. 1876). Deutsche [* 31] Übersetzungen lieferten Fr. v. Öynhausen (Wien [* 32] 1824),
K. Förster (Leipz. 1842),
Jacobson (Halle [* 33] 1877). Das zweite bedeutende Werk Dantes: »Das Gastmahl« (»Il convito«),
ist ein nicht minder seltsames Buch als die »Vita nuova« und wurde wahrscheinlich 1303 in Arezzo begonnen. Dante Alighieri setzte sich darin vor, 14 in Bezug auf sein Liebesverhältnis zu Beatrice gedichtete Kanzonen gelehrt zu erläutern und zwar so, als wären sie wiederum nur allegorisch gemeint und bezögen sich auf seine Liebe zur Philosophie. Indessen haben nur drei der Kanzonen ihren Kommentar in diesem Sinn erhalten; das Werk blieb unvollendet. Den Namen »Gastmahl« gab er dem Buch, das als erstes Beispiel wissenschaftlicher Prosa in italienischer Sprache [* 34] wichtig ist, weil er die Erklärung gleichsam als Brot zu den Gerichten der Kanzonen auftischen wollte. Zum erstenmal gedruckt ward dasselbe Florenz 1490, dann Venedig 1521 u. öfter. Eine vortreffliche neue Ausgabe mit ausführlichem Kommentar besorgte Giuliani (Flor. 1874, 2 Bde.); eine deutsche Übersetzung gab Kannegießer (»Dantes prosaische Schriften«, Leipz. 1845). Kritische Arbeiten darüber lieferten Monti (Mail. 1823),
Scolari (Padua 1828) und Selmi (Turin [* 35] 1865). - Das dritte Hauptwerk unter den kleinern Schriften bilden die lyrischen Gedichte Dantes (»Rime«),
die, erotischen und philosophischen Inhalts und zu verschiedenen Zeiten entstanden, in mehr oder weniger vollständigen Sammlungen mehrfach erschienen. Für die älteste derselben darf Cinos und G. Novellos Ausgabe der »Canzoni e madrigali di Dante Alighieri« (Vened. 1518 u. Mail. 1518),
ein äußerst seltenes Werk, gelten. Die erste, ziemlich vollständige Ausgabe dieser lyrischen Gedichte bilden die vier ersten Bücher der »Sonetti e canzoni di diversi autori toscani« (Flor. 1527, Vened. 1532 u. öfter; zuletzt: »Amori e rime di Dante Alighieri«, Mantua [* 36] 1823); neuere Ausgaben besorgten Fraticelli (Flor. 1861) und Giuliani (das. 1863 u. 1868). Als Anhang zu den »Rime« findet man in einigen Ausgaben »Rime spirituali« (geistliche Lieder),
aus einer Paraphrase der sieben Bußpsalmen und dem sogen. »Credo di Dante Alighieri« bestehend, beides jedoch unecht und dem Dante Alighieri nur untergeschoben, um ihn zu einem bußfertigen Mönch zu machen. Gesondert sind die »Sette salmi« abgedruckt worden in »Raccolta di rime antiche toscane« (Palermo [* 37] 1817),
das »Credo« in »Saggio di rime di diversi buoni autori« (Flor. 1827). Deutsche Übersetzungen der »Rime« veröffentlichten Kannegießer (»Dantes lyrische Gedichte«, mit einer Abhandlung von Witte, worin Echtes und Unechtes zu unterscheiden versucht wird; 2. Aufl., Leipz. ¶
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Titel
Dante
Alighieri, der erste Dichter Italiens, zugleich einer der größten Dichter überhaupt, wurde zwischen dem 18. Mai seiner eigenen Angabe nach in Florenz, geboren. Sein Ahnherr Cacciaguida soll am zweiten Kreuzzuge teilgenommen haben und von Konrad III. zum Ritter geschlagen worden sein. Seine Vorfahren gehörten wahrscheinlich zu den florentin. popolani, d. h. zu den Leuten aus dem Volke; sein Vater Aldighiero II., allem Anscheine nach ein unbedeutender Mann, war zweimal vermählt; mit einer Bella aus unbekanntem Geschlechte, D.s Mutter, und sodann mit einem Mädchen aus dem Volke, Lapa Cialussi. Er starb um 1275 und hinterließ Dante Alighieri mit einer Stiefmutter, einem Stiefbruder Francesco und einer Stiefschwester unbekannten Namens.
Eine gelehrte Bildung hat Dante Alighieri in seiner Jugend wohl nicht erhalten, sich aber durch Privatfleiß sehr bedeutendes Wissen erworben. Nach seiner Aussage verdankte er in dieser Beziehung sehr vieles dem Brunetto Latini, der, ohne sein Lehrer im eigentlichen Sinne zu sein, ihm mit Rat und That beigestanden und seine Bildung nicht unwesentlich beeinflußt zu haben scheint. Von seinem neunten Jahre an erfüllte den Dichter eine reine aber heftige Liebe zu einem um ein Jahr jüngern Mädchen, das er, nach Dichterbrauch, mit einem selbstgewählten Namen, Beatrice, genannt hat.
Wer sie war, ist nicht bekannt; sicher ist, daß sie in Wirklichkeit nicht Beatrice hieß und nicht die Tochter des Folco Portinari und spätere Gattin des Simone dei Bardi gewesen sein kann, wie früher vielfach angenommen wurde (vgl. Scherillo, La Beatrice di Dante Alighieri, Neap. 1887; Scartazzini, Dante-Handbuch, S. 171-194) und noch jetzt von namhaften Forschern angenommen wird (vgl. Del Lungo, Beatrice nella vita e nella poesie del secolo XIII, Mail. 1891; Berthier, Beatrice Portinari, Freiburg [* 39] in der Schweiz [* 40] 1893). Ebenso sicher ist, daß sie ein reales Weib und nicht eine bloße abstrakte Personifikation war.
Sie starb erst 24jährig im Juni 1290. Nachdem er sie lange betrauert, warf sich Dante Alighieri, Trost suchend, mit übermenschlichem Eifer auf die Studien, namentlich der Philosophie, in der ausgesprochenen Absicht, die Fähigkeit sich zu erwerben, die frühverstorbene Geliebte würdig zu verherrlichen, wie es dann auch in seinem Hauptwerke geschehen ist. Daneben beteiligte er sich auch aktiv am polit. Leben seiner Vaterstadt. Einer alten Überlieferung zufolge, welche auf verloren gegangene Briefe des Dichters sich stützt und auf Andeutungen in seinem Hauptwerke sich berufen kann, focht er gegen die Aretiner in der siegreichen Schlacht bei Campaldino und war im August desselben Jahres bei der Eroberung der Feste Caprona zugegen.
Nachdem er mehrere andere Ämter bekleidet, wurde er 1300 Prior, d. h. Mitglied der florentin. Regierung. 1301 wurde ihm die Leitung der Arbeiten an der Korrektion einer Straße der Stadt Florenz übertragen, auch war er Mitglied des Rates der obern und desjenigen der sämtlichen Zünfte. Er widersetzte sich den Bestrebungen des Papstes Bonifaz VIII., der Florenz und ganz Toscana dem Kirchenstaate einzuverleiben strebte. Der Papst benutzte die aus Pistoja übertragenen Streitigkeiten zwischen den Parteien der Weißen, an deren Spitze die Cerchi, und der Schwarzen, an deren Spitze die Donati standen, um Karl von Valois, den Bruder Philipps des Schönen von Frankreich, als angeblichen Friedensstifter nach Florenz zu berufen.
Karl von Valois zog in die Stadt, die er ganz in die Gewalt der Schwarzen spielte. Eine große Anzahl der angesehenen und einflußreichen Weißen, darunter auch Dante Alighieri, wurde aus der Stadt verbannt, ihre Güter wurden eingezogen, ihre Häuser niedergerissen. Auf das erste Verbannungsurteil vom folgte das zweite vom 10. März desselben Jahres, durch den Zusatz verschärft, daß Dante Alighieri und vierzehn Genossen zum Tode verurteilt seien, falls sie je in die Gewalt der Florentiner Kommune geraten würden, ein Urteil, das, weit entfernt aufgehoben zu werden, erneuert und diesmal auch auf die Söhne des Dichters ausgedehnt wurde.
Dante Alighieri, der nach der Katastrophe vom Nov. 1301 mit andern Weißen aus Florenz entflohen war, hat die Vaterstadt nicht wieder gesehen, trotz der glühenden Sehnsucht danach, die ihn die langen Jahre der Verbannung hindurch niemals verlassen hat. Sein Leben in der Verbannung ist meistens in Dunkel gehüllt. Er selbst klagt, er habe nahezu ganz Italien, ein Pilger und beinahe ein Bettler, durchwandert. Zunächst verband er sich mit seinen Schicksalsgenossen, die sich die Rückkehr nach Florenz vergebens mit Gewalt zu erzwingen suchten.
Von denselben schwer beleidigt, verließ er sie und ging nach Verona, wo er am Hofe des Bartolommeo della Scala gastliche Aufnahme fand. Aber Bartolommeo starb bereits und sein Bruder und Nachfolger Alboin scheint dem Dichter nicht günstig gesinnt gewesen zu sein, weshalb dieser wiederum zum Wanderstabe griff. Man glaubt, er habe sich nach Bologna begeben und sich daselbst, wie später in Ravenna, dem Lehrfach gewidmet. Am wurden die Ghibellinen aus Bologna vertrieben, mit ihnen auch Dante Alighieri, der, obwohl allem Parteiwesen abgeneigt, zu den Ghibellinen hielt.
Man glaubt, er sei mit den verbannten ghibellinischen Professoren und Studenten nach Padua gezogen, wo nach einer Urkunde ein «Dantino, Sohn des weiland Aldighiero aus Florenz» als Zeuge fungierte. In jüngster Zeit ist aber der Beweis angetreten worden, daß der Dantino (= Däntchen) der Urkunde gar nicht unser Dichter sei. Jedenfalls war dieser im Okt. 1306 nicht, oder nicht mehr, in Padua, sondern in der Lunigiana, woselbst er beauftragt wurde, einen Friedensvertrag zwischen den Markgrafen Malaspina und dem Erzbischof Antonio von Luni zu stande zu bringen, was ihm denn auch zur Zufriedenheit der Markgrafen, seiner Gastgeber, gelang.
Von 1306 an verlieren sich seine Spuren fast ganz. Da keine genügenden Gründe vorliegen, D.s Aufenthalt in Paris zu bezweifeln, dürfte derselbe gerade in diese Jahre fallen, in welchen sich in Italien keine Spuren des großen Verbannten finden. Dort finden wir ihn wieder zur Zeit des Römerzuges Kaiser Heinrichs VII. von Luremburg; auf ihn setzte Dante Alighieri große Hoffnungen, die zuerst durch die vergebliche Belagerung von Florenz und dann durch den 1313 erfolgten Tod des Kaisers vernichtet wurden. Die letzten Lebensjahre, etwa von Ende 1316 an, brachte Dante Alighieri in Ravenna zu, unter dem Schutze Guido Novellos von Polenta, wahrscheinlich als Lehrer wirkend und von seinen Kindern umgeben. Hier starb er kaum von einer Gesandtschaft nach Venedig, womit ihn Guido da Polenta betraut hatte, zurückgekehrt, im Alter von wenig mehr als 56 J. kurz darauf gestürzt und vertrieben, konnte Guido seine ¶
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Absicht, dem Dichter ein würdiges Denkmal zu errichten, nicht verwirklichen; ein solches ist ihm erst 1483 vom damaligen Statthalter von Ravenna, Bernardo Bembo, dem Vater des Kardinals Pietro Bembo, errichtet worden. Seit Anfang 1892 wird in und außerhalb Italiens mit Eifer, aber mit wenig Erfolg, gesammelt für die Errichtung eines großartigen Dante-Denkmals in Ravenna; Papst Leo XIII. hat 10000 Frs. für diesen Zweck angewiesen.
war vermählt mit Gemma, aus dem Florentiner Geschlecht der Donati, die ihn um mehr als 10 Jahre überlebt hat, aber in Florenz geblieben ist, auch dann noch, als er in Ravenna drei Kinder, Pietro, Jacopo und Beatrice, bei sich hatte. Von andern Kindern des Dichters (man hat von sieben gesprochen) ist nur noch die Existenz einer Tochter, Antonia, verbürgt, welche in Florenz blieb. Das Geschlecht, von D.s Sohn Pietro fortgepflanzt, blühte in Verona bis zur zweiten Hälfte des 16. Jahrh., da Ginevra, die letzte des Geschlechts, mit dem Grafen Antonio Serego sich vermählte. Im gräfl. Geschlechte der Serego-Alighieri leben D.s Nachkommen noch in der Gegenwart fort.
Vgl. Paur, Über die Quellen zur Lebensgeschichte D.s (Görlitz [* 42] 1862);
Boccaccio, Vita di Dante Alighieri (mehrfach gedruckt; beste, kritische Ausg. von Macri-Leone, Flor. 1888);
Leonardo Bruni, Vita di Dante Alighieri (ebenfalls vielfach gedruckt);
G. Pelli, Memorie per servire alla vita di Dante Alighieri (2. Aufl., Flor. 1823);
A. Bartoli, Vita di (ebd. 1884);
Diaconis, Nuova ricognizione sulla vita, sulle opere e sui tempi di (Udine 1887);
Scartazzini, Dante-Handbuch (Lpz. 1892).
Außerdem zahlreiche Dante-Biographien in ital., deutscher, franz. und engl. Sprache, die aber wesentlich nur biogr. Romane sind.
D.s Werke. I. Kleinere Werke («Opere minori», beste Ausg. von Fraticelli, 3 Bde., Flor. 1861-62; von Giuliani, 5 Bde., ebd. 1868-82): 1) «Lyrische Gedichte» (Il canzoniere), eine ziemlich reichhaltige Sammlung von Gedichten erotischen und philos. auch satir. Inhalts, zu verschiedenen Zeiten entstanden und von ungleichem Werte, die ältesten, aus dem vorletzten Decennium des 13. Jahrh., wesentlich Nachahmungen der provençalischen und alt-ital. Poesie, die spätern durchaus originell, selbständig, bahnbrechend (gute Ausg. von Fraticelli, Flor. 1861; Palermo, ebd. 1858; Giuliani, ebd. 1863 u. 1868; deutsch von Kannegießer und Witte, 2 Bde., Lpz. 1842; von Krafft, Regensb. 1859; von Wege, Lpz. 1879).
Vgl. Pantano, Della lirica di Dante Alighieri (Neap. 1865);
Carducci, Delle rime di (Livorno [* 43] 1874). -
2) «Das neue Leben» (La vita nuova), eine poetische, vielfach in die Form der Vision eingehüllte Darstellung seiner Jugendliebe, aus Gedichten bestehend, die er während des Lebens und nach dem Tode der Geliebten gedichtet, zu welchen die Erzählung der jeweiligen Veranlassung und die scholastische Zergliederung gleichsam den prosaischen Kommentar bilden; nicht Wahrheit und Dichtung, aber künstlerische Darstellung einer wahren Herzensgeschichte, zwischen 1292 und 1295 geschrieben (erste Ausg. von Sermartelli, Flor. 1576; neue Ausg. von Giuliani, ebd. 1863 u. 1868; von Pizzo, Vened. 1865; beste Ausg. von Al. d'Ancona, Pisa 1872 u. 1884; Witte, Lpz. 1876; deutsch von Oeynhausen, Wien 1824; von Förster, Lpz. 1841; von Jacobson, Halle 1877; von Wege, Lpz. 1879). - 3) «Das Gastmahl» (Il convivio), eine philos.
Encyklopädie in Form eines Kommentars zu philos. Canzonen des Dichters, sehr gelehrt, das erste Beispiel wissenschaftlicher ital. Prosa; hochwichtig, sowohl für die Kenntnis des Dichters, wie auch für die Erklärung seines Hauptwerkes. Das Werk ist unvollendet geblieben; von den 15 Traktaten, aus denen es nach dem Plane des Verfassers hätte bestehen sollen, liegen nur vier vor, die zwischen 1307 und 1309 geschrieben worden sind (beste Ausg. von Fraticelli, Flor. 1862; mit umfassendem Kommentar von Giuliani, 2 Bde., ebd. 1875; deutsch von Kannegießer, Lpz. 1845).
Vgl. Selmi, Il Convivio, sua cronologia, disegno, intendimento, attinenza alle altre opere di Dante Alighieri (Tur. 1865). -
4) «Über die Volkssprache» (De vulgari eloquentia), gewissermaßen ein Lehrbuch der Poetik, worin vom Ursprung und Wesen der Sprache, besonders der ital. Litteratursprache, sowie von dem Stil und den metrischen Formen gehandelt wird. Auch dieses um 1309 verfaßte Werk ist unvollendet geblieben. Von den mindestens fünf Büchern, auf die es berechnet war, ist nicht einmal das zweite vollendet (beste Ausg. von Fraticelli, Flor. 1861; von Giuliani, ebd. 1878; von Maignien und Prompt, Faksimile-Ausg. der Handschrift von Grenoble, [* 44] Vened. 1892; deutsch von Kannegießer, Lpz. 1845). - 5) «Über die Monarchie» (De monarchia), eine wahrscheinlich bei Anlaß des Römerzuges Heinrichs VII. (nach andern schon vor der Verbannung, wieder nach andern in den letzten Jahren des Lebens des Dichters) verfaßte lat. Abhandlung über das Verhältnis zwischen Staat und Kirche, die den Zweck verfolgt, die Selbständigkeit des Staates der Kirche gegenüber zu verfechten (beste Ausg. von Witte, Wien 1874; von Giuliani, Flor. 1878; deutsch von Kannegießer, Lpz. 1845; von Hubatsch, Berl. 1872). - 6) Briefe (Epistolae), im ganzen 14, die meisten unzweifelhaft unecht, von Dante Alighieri selbst herrührend etwa drei bis vier, die von hoher Wichtigkeit wären, wenn ihre Echtheit keinem Zweifel unterliegen würde (Ausg. von Torri, Livorno 1842; von Fraticelli, Flor. 1862; von Giuliani, ebd. 1882; deutsch von Kannegießer, Lpz. 1845). - 7) «Eklogen», zwei lateinische poet.
Sendschreiben an den Dichter Joh. de Virgilio in Bologna, deren Echtheit aber angefochten wird (Ausg. von Fraticelli, Flor. 1861; Giuliani, ebd. 1882; Pasqualigo, Lonigo 1888; deutsch von Kannegießer und Witte, Lpz. 1842; Krafft, Regensb. 1859); vgl. Fr. Macri-Leone, La bucolica latina nella letteratura italiana del secolo XIV (Tur. 1889). Andere, dem Dichter zugeschriebene Arbeiten, wie die «Bußpsalmen», der «Glaube», die Abhandlung «Über Wasser und Land», sind ungeschickte Fälschungen, als solche heutzutage allgemein anerkannt.
II. Die «Göttliche Komödie» (Divina Commedia), das Hauptwerk seines Lebens, bereits in des Dichters Jugend, vor 1290 beabsichtigt und von da an stets vorbereitet, in seiner jetzigen Gestalt aber erst nach 1313 bearbeitet und 1321 vollendet, ist dem Buchstaben nach die Geschichte der visionären Wanderung des Dichters durch die drei Reiche des Jenseits; dem allegorischen Sinne und seinem Zwecke nach ist es die Darstellung des Weges, den der sündige Mensch gehen muß, um zum Heil zu gelangen, das Epos der Erlösung. Der Dichter hebt an mit der Schilderung seiner Verirrung in einem finstern Walde, das Bild des weltlichen, von Gott abgekehrten Lebens. Seinem Versuche, den Wald zu verlassen und die sonnenbestrahlte Höhe zu erreichen, widersetzen sich drei Tiere: ein Leopard, [* 45] ein Löwe ¶
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und eine Wölfin, meist als die Symbole der Unkeuschheit, des Stolzes und des Geizes gedeutet. Wie der Dichter, von der Wölfin bedrängt, zur Tiefe zurückkehrt, erscheint ihm der Schatten [* 47] Virgils, das Symbol der irdischen Leitung des Menschen, und führt ihn durch die Hölle und das Fegefeuer, wo er die ewigen und die zeitlichen Strafen der Sünde anschaut, bis zu den lichten Höhen des irdischen Paradieses, wo Beatrice, das Symbol der geistlichen Leitung des Menschen, den geläuterten Dichter unter ihre Leitung nimmt und ihn durch die neun Himmel [* 48] zur Region der ewigen Seligkeit und zur Anschauung der Gottheit führt.
Auf der langen Wanderung nimmt der Dichter Anlaß, anknüpfend an die Personen, denen er begegnet, an die Gespräche mit denselben und mit seinen Führern, die Mythologie und die Geschichte, namentlich die ital. Zeit- und Lokalgeschichte, sowie die tiefsten Fragen der Philosophie und der Theologie, der Scholastik und der Mystik zu besprechen, sodaß das Werk in seiner großartigen Universalität ein Gemälde der Zeit des Dichters nach allen Richtungen hin geworden ist. Er selbst hat es einfach Commedia genannt, damaligem Brauche entsprechend, wonach jede größere Dichtung, die glücklich endete, Komödie genannt wurde, mochte übrigens ihr Inhalt auch noch so ernsten Charakters sein.
Das Beiwort divina (göttlich) hat erst die bewundernde Nachwelt hinzugefügt. Das Gedicht besteht aus drei Teilen: Hölle, Fegefeuer und Paradies; jeder Teil hat 33 Gesänge; voran steht ein einleitender Gesang, sodaß es im ganzen 100 Gesänge sind mit 14233 Versen, von denen 4720 auf die «Hölle», 4755 auf das «Fegefeuer» und 4758 auf das «Paradies» kommen. In Bezug auf Gedankentiefe, Großartigkeit der Phantasie, Reichtum und Schönheit der Bilder, Universalität des Charakters, Schönheit der Sprache und Prägnanz des Stiles steht dieses in Terzinen gedichtete Werk in der gesamten Weltlitteratur ganz einzigartig da, viel bewundert, viel verbreitet, viel erklärt, aber wenig gelesen und noch weniger verstanden.
Ausgaben. Die «Göttliche Komödie» ist seit 1472 nahezu ein Halbtausendmal im Original gedruckt worden und gegenwärtig erscheinen davon in Italien alljährlich mindestens ein Halbdutzend neue Ausgaben. Aus dem 15. Jahrh. sind 15, aus dem 16. 30, aus dem 17. 3, aus dem 18. 31, und aus dem 19. bereits nahe an 300 Ausgaben bekannt. Die bemerkenswertesten sind: Aus dem 15. Jahrh.: die vier ersten, von Foligno, Jesi, Mantua und Neapel (1472-75), äußerst selten, aber mit diplomat. Treue reproduziert von Lord Vernon (Le [* 49] prime quattro ediz. della Divina Comedia, Lond. 1858), die Vindeliniana (Vened. 1477), die Nidobeatina (Mail. 1477-78) und die erste Florentiner (1481). Aus dem 16. Jahrh.: die beiden Aldinen (Vened. 1502 u. 1515), die Giuntina (Flor. 1506) und die der Crusca (ebd. 1595). Die drei Ausgaben des 17. Jahrh. sind wertlos.
Aus dem 18. Jahrh.: Cominiana (3 Bde., Padua 1726-27), die Zattasche Prachtausgabe (4 Bde. mit 112 Kupfertafeln, Vened. 1757-58), die erste Lombardische (3 Bde., Rom 1791) und die Dionisische (3 Bde., Fol., Parma [* 50] 1795). Aus dem 19. Jahrh.: von Poggiali (4 Bde., Livorno 1807), von De Romanis (Rom 1810; 1815-17. u. 1820), Áncora (4 Bde., Fol., mit 125 Kupfertafeln, Flor. 1817-19), Paduaner (5 Bde., Padua 1822), zweite Crusca (2 Bde., Flor. 1837), Witte (Berl. 1862), sowie mehrere Ausgaben mit Kommentaren. Bemerkenswert die dem Format nach größte (Mail. 1809, 3 Bde., Fol., 57 cm lang und 38 cm breit) und kleinste (ebd. 1878, 1 Bd., 5 ½ cm lang, 3 ½ cm breit).
Übersetzungen. Die «Göttliche Komödie» ist in alle gebildeten Sprachen, ins Hebräische, Griechische und Lateinische, sowie in mehrere Dialekte übersetzt worden, in einigen Sprachen, wie ins Französische und Englische, [* 51] von 12 bis 20 verschiedenen Übersetzern. Deutschland [* 52] besitzt gegenwärtig 18 vollständige Übersetzungen des Gedichts, wozu noch 6 Übersetzungen der «Hölle» allein, eine, welche «Hölle» und «Fegefeuer» umfaßt und eine nicht geringe Zahl von Übersetzungen einzelner oder mehrerer Gesänge kommen. Die besten reimlosen Übersetzungen sind die von Philalethes (König Johann von Sachsen; [* 53] 3 Bde., Lpz. 1839-49; neue verbesserte Aufl., 3 Bde., ebd. 1865-66; nach dieser 4. Abdruck, 3 Bde., ebd. 1891), Blanc (Halle 1864), Witte (3. Aufl., 2 Bde., Berl. 1876), Kopisch-Paur (Berl. 1882) und Bertrand (Heidelb. 1887-91, bis jetzt nur «Hölle» und «Fegefeuer» umfassend).
Unter den gereimten Übersetzungen ragen hervor diejenigen von Kannegießer (3 Bde., Lpz. 1809-21; 5. Aufl., 3 Bde., ebd. 1873), Streckfuß (3 Bde., Halle 1824-26; 9. Aufl., Braunschw. 1871; neu bearb. von Roquette, neue Ausg. Stuttg. 1893), Krigar (3 Bde., Berl. 1870), Bartsch (3 Bde., Lpz. 1877), Notter (2 Bde., Stuttg. 1871-72) und Gildemeister (Berl. 1888). Unter den partiellen Übersetzungen zeichnen sich durch eigentümliche Vorzüge aus diejenigen der «Hölle» von Karl Graul und Julius Braun (erschöpfende Auskunft über alle deutschen Übersetzungen, sowie über die gesamte deutsche Dante-Litteratur bei Scartazzini, Dante Alighieri in Germania, [* 54] 2 Bde., Mail. 1881-83).
Kommentare. Die außerordentliche Gedrängtheit der Sprache, hin und wieder auch die Altertümlichkeit oder Eigentümlichkeit der Ausdrucksweise, namentlich aber die Fülle histor. Beziehungen, sowie die darin niedergelegte theol. und philos. Gelehrsamkeit machen das große Gedicht dem Laien ziemlich schwer verständlich. Daher hat die Arbeit der Auslegung sofort nach dem Tode des Dichters begonnen und wird gegenwärtig eifriger als jemals getrieben. Die bedeutendsten Kommentare zur Divina Commedia aus dem 14. Jahrh, sind der um 1324 geschriebene des Graziolo de' Bambaglioli (hg. von Fiammazzo, Udine 1892); der ungefähr gleichzeitige, eines unbekannten Autors (hg. von Selmi, Tur. 1865), beide nur die «Hölle» umfassend; wichtiger: Petrus Dantis (hg. von Vernon, Flor. 1845), Jacopo della Lana (in den erwähnten Ausgaben Vindeliniana und Nidobeatina; neue Ausg. von Scarabelli, Mail. 1865 und 3 Bde., Bologna 1866), der sog. Ottimo (hg. von Torri, 3 Bde., Pisa 1827-29), Boccaccio (beste Ausg. von Milanesi, 2 Bde., Flor. 1863), Benvenuto Rambaldi aus Imola (hg. von Vernon, 5 Bde., ebd. 1877), Francesco da Buti (hg. von Giannini, 3 Bde., Pisa 1858-62) und der etwas problematische des Florentiner Anonymus (hg. von Fanfani, 3 Bde., Bologna 1866-74). - Aus dem 15. Jahrh.: Joh. da Serravalle, Bischof von Fermo (hg. auf Veranlassung des Papstes Leo XIII. von Civezza und Domenichelli, Prato 1891), Bargigi (hg. von Zacheroni, Marseille [* 55] 1838), Landino (Flor. 1481, seither öfters gedruckt) und Stefano Talice da Ricaldone (hg. im Auftrag des Königs Umberto I. von Promis und Negroni, Tur. 1866 und 3 Bde., Mail. 1888). - Aus dem 16. Jahrh.: ¶