Titel
Dante
Alighieri, der erste Dichter
Italiens,
[* 3] zugleich einer der größten Dichter überhaupt, wurde zwischen dem 18. Mai
seiner eigenen Angabe nach in
Florenz,
[* 4] geboren. Sein Ahnherr Cacciaguida soll am zweiten Kreuzzuge teilgenommen haben und
von Konrad III. zum Ritter geschlagen worden sein. Seine
Vorfahren gehörten wahrscheinlich zu den florentin.
popolani, d. h. zu den Leuten aus dem
Volke; sein
Vater Aldighiero II., allem Anscheine nach ein unbedeutender Mann, war zweimal
vermählt; mit einer
Bella aus unbekanntem Geschlechte, D.s
Mutter, und sodann mit einem Mädchen aus dem
Volke, Lapa Cialussi.
Er starb um 1275 und hinterließ Dante Alighieri
mit einer Stiefmutter, einem Stiefbruder
Francesco und einer Stiefschwester
unbekannten
Namens.
Eine gelehrte
Bildung hat Dante Alighieri
in seiner
Jugend wohl nicht erhalten, sich aber durch Privatfleiß sehr bedeutendes
Wissen erworben.
Nach seiner Aussage verdankte er in dieser
Beziehung sehr vieles dem
Brunetto Latini, der, ohne sein
Lehrer im eigentlichen
Sinne zu sein, ihm mit
Rat und That beigestanden und seine
Bildung nicht unwesentlich beeinflußt zu haben
scheint. Von seinem neunten Jahre an erfüllte den Dichter eine reine aber heftige Liebe zu einem um ein Jahr jüngern Mädchen,
das er, nach Dichterbrauch, mit einem selbstgewählten
Namen,
Beatrice, genannt hat.
Wer sie war, ist nicht bekannt; sicher ist, daß sie in Wirklichkeit nicht
Beatrice hieß und nicht die
Tochter des Folco Portinari und spätere Gattin des
Simone dei Bardi gewesen sein kann, wie früher vielfach angenommen wurde
(vgl. Scherillo, La
Beatrice di Dante Alighieri
, Neap. 1887;
Scartazzini, Dante
-Handbuch, S. 171-194) und noch jetzt von
namhaften Forschern angenommen wird (vgl.
Del Lungo,
Beatrice nella vita e nella poesie del secolo XIII, Mail. 1891;
Berthier,
Beatrice Portinari, Freiburg
[* 5] in der
Schweiz
[* 6] 1893). Ebenso sicher ist, daß sie ein reales Weib und nicht eine bloße abstrakte Personifikation
war.
Sie starb erst 24jährig im Juni 1290. Nachdem er sie lange betrauert, warf sich Dante Alighieri
, Trost
suchend, mit übermenschlichem Eifer auf die
Studien, namentlich der
Philosophie, in der ausgesprochenen
Absicht, die Fähigkeit
sich zu erwerben, die frühverstorbene Geliebte würdig zu verherrlichen, wie es dann auch in seinem Hauptwerke geschehen
ist. Daneben beteiligte er sich auch aktiv am polit. Leben seiner Vaterstadt. Einer alten Überlieferung
zufolge, welche auf verloren gegangene
Briefe des Dichters sich stützt und auf Andeutungen in seinem Hauptwerke sich berufen
kann, focht er gegen die
Aretiner in der siegreichen
Schlacht bei Campaldino und war im
August desselben Jahres
bei der Eroberung der Feste Caprona zugegen.
Nachdem er mehrere andere Ämter bekleidet, wurde er 1300 Prior, d. h. Mitglied der florentin. Regierung. 1301 wurde ihm die Leitung der Arbeiten an der Korrektion einer Straße der Stadt Florenz übertragen, auch war er Mitglied des Rates der obern und desjenigen der sämtlichen Zünfte. Er widersetzte sich den Bestrebungen des Papstes Bonifaz VIII., der Florenz und ganz Toscana dem Kirchenstaate einzuverleiben strebte. Der Papst benutzte die aus Pistoja übertragenen Streitigkeiten zwischen den Parteien der Weißen, an deren Spitze die Cerchi, und der Schwarzen, an deren Spitze die Donati standen, um Karl von Valois, den Bruder Philipps des Schönen von Frankreich, als angeblichen Friedensstifter nach Florenz zu berufen.
Karl von
Valois zog in die Stadt, die er ganz in die Gewalt der
Schwarzen spielte. Eine große Anzahl der angesehenen
und einflußreichen
Weißen, darunter auch Dante Alighieri
, wurde aus der Stadt verbannt, ihre
Güter wurden eingezogen, ihre Häuser niedergerissen.
Auf das erste Verbannungsurteil vom folgte das zweite vom 10. März desselben Jahres, durch den Zusatz verschärft,
daß Dante Alighieri
und vierzehn Genossen zum
Tode verurteilt seien, falls sie je in die Gewalt der
Florentiner
[* 7]
Kommune geraten würden,
ein
Urteil, das, weit entfernt aufgehoben zu werden, erneuert und diesmal auch auf die
Söhne des
Dichters ausgedehnt wurde.
Dante Alighieri
, der nach der
Katastrophe vom Nov. 1301 mit andern
Weißen aus
Florenz entflohen war, hat die Vaterstadt nicht wieder gesehen,
trotz der glühenden Sehnsucht danach, die ihn die langen Jahre der
Verbannung hindurch niemals verlassen hat. Sein
Leben in der
Verbannung ist meistens in Dunkel gehüllt. Er selbst klagt, er habe nahezu ganz
Italien,
[* 8] ein Pilger und beinahe
ein Bettler, durchwandert. Zunächst verband er sich mit seinen Schicksalsgenossen, die sich die Rückkehr nach
Florenz vergebens
mit Gewalt zu erzwingen suchten.
Von denselben schwer beleidigt, verließ er sie und ging nach Verona,
[* 9] wo er am
Hofe des
Bartolommeo della
Scala gastliche
Aufnahme fand. Aber
Bartolommeo starb bereits und sein
Bruder und Nachfolger
Alboin scheint dem Dichter
nicht günstig gesinnt gewesen zu sein, weshalb dieser wiederum zum Wanderstabe griff. Man glaubt, er habe sich nach
Bologna
begeben und sich daselbst, wie später in Ravenna, dem Lehrfach gewidmet. Am wurden die Ghibellinen aus
Bologna
vertrieben, mit ihnen auch Dante Alighieri
, der, obwohl allem Parteiwesen abgeneigt, zu den Ghibellinen hielt.
Man glaubt, er sei mit den verbannten ghibellinischen Professoren und Studenten nach Padua [* 10] gezogen, wo nach einer Urkunde ein «Dantino, Sohn des weiland Aldighiero aus Florenz» als Zeuge fungierte. In jüngster Zeit ist aber der Beweis angetreten worden, daß der Dantino (= Däntchen) der Urkunde gar nicht unser Dichter sei. Jedenfalls war dieser im Okt. 1306 nicht, oder nicht mehr, in Padua, sondern in der Lunigiana, woselbst er beauftragt wurde, einen Friedensvertrag zwischen den Markgrafen Malaspina und dem Erzbischof Antonio von Luni zu stande zu bringen, was ihm denn auch zur Zufriedenheit der Markgrafen, seiner Gastgeber, gelang.
Von 1306 an verlieren sich seine
Spuren fast ganz. Da keine genügenden
Gründe vorliegen, D.s Aufenthalt
in
Paris
[* 11] zu bezweifeln, dürfte derselbe gerade in diese Jahre fallen, in welchen sich in
Italien keine
Spuren des großen Verbannten
finden. Dort finden wir ihn wieder zur Zeit des Römerzuges
Kaiser
Heinrichs VII. von Luremburg; auf ihn setzte Dante Alighieri
große Hoffnungen,
die zuerst durch die vergebliche
Belagerung von
Florenz und dann durch den 1313 erfolgten
Tod des
Kaisers
vernichtet wurden. Die letzten Lebensjahre, etwa von Ende 1316 an, brachte Dante Alighieri
in Ravenna zu, unter dem
Schutze
Guido Novellos von
Polenta, wahrscheinlich als
Lehrer wirkend und von seinen
Kindern umgeben. Hier starb er
kaum von einer Gesandtschaft nach
Venedig,
[* 12] womit ihn
Guido da
Polenta betraut hatte, zurückgekehrt, im
Alter von wenig mehr als 56 J. kurz darauf gestürzt und vertrieben, konnte
Guido seine
¶
mehr
Absicht, dem Dichter ein würdiges Denkmal zu errichten, nicht verwirklichen; ein solches ist ihm erst 1483 vom damaligen Statthalter
von Ravenna, Bernardo Bembo, dem Vater des Kardinals Pietro Bembo, errichtet worden. Seit Anfang 1892 wird in und außerhalb
Italiens mit Eifer, aber mit wenig Erfolg, gesammelt für die Errichtung eines großartigen Dante
-Denkmals
in Ravenna; Papst Leo XIII. hat 10000 Frs. für diesen Zweck angewiesen.
war vermählt mit Gemma, aus dem Florentiner Geschlecht der Donati, die ihn um mehr als 10 Jahre überlebt hat, aber in Florenz geblieben ist, auch dann noch, als er in Ravenna drei Kinder, Pietro, Jacopo und Beatrice, bei sich hatte. Von andern Kindern des Dichters (man hat von sieben gesprochen) ist nur noch die Existenz einer Tochter, Antonia, verbürgt, welche in Florenz blieb. Das Geschlecht, von D.s Sohn Pietro fortgepflanzt, blühte in Verona bis zur zweiten Hälfte des 16. Jahrh., da Ginevra, die letzte des Geschlechts, mit dem Grafen Antonio Serego sich vermählte. Im gräfl. Geschlechte der Serego-Alighieri leben D.s Nachkommen noch in der Gegenwart fort.
Vgl. Paur, Über die Quellen zur Lebensgeschichte D.s (Görlitz [* 14] 1862);
Boccaccio, Vita di Dante Alighieri
(mehrfach gedruckt; beste, kritische
Ausg. von Macri-Leone, Flor. 1888);
Leonardo Bruni, Vita di Dante Alighieri
(ebenfalls vielfach gedruckt);
G. Pelli,
Memorie per servire alla vita di Dante Alighieri
(2. Aufl., Flor.
1823);
A. Bartoli, Vita di (ebd. 1884);
Diaconis, Nuova ricognizione sulla vita, sulle opere e sui tempi di (Udine 1887);
Scartazzini, Dante-Handbuch (Lpz. 1892).
Außerdem zahlreiche Dante-Biographien in ital., deutscher, franz. und engl. Sprache, [* 15] die aber wesentlich nur biogr. Romane sind.
D.s Werke. I. Kleinere Werke («Opere minori», beste Ausg. von Fraticelli, 3 Bde., Flor. 1861-62; von Giuliani, 5 Bde., ebd. 1868-82): 1) «Lyrische Gedichte» (Il canzoniere), eine ziemlich reichhaltige Sammlung von Gedichten erotischen und philos. auch satir. Inhalts, zu verschiedenen Zeiten entstanden und von ungleichem Werte, die ältesten, aus dem vorletzten Decennium des 13. Jahrh., wesentlich Nachahmungen der provençalischen und alt-ital. Poesie, die spätern durchaus originell, selbständig, bahnbrechend (gute Ausg. von Fraticelli, Flor. 1861; Palermo, [* 16] ebd. 1858; Giuliani, ebd. 1863 u. 1868; deutsch von Kannegießer und Witte, 2 Bde., Lpz. 1842; von Krafft, Regensb. 1859; von Wege, Lpz. 1879).
Vgl. Pantano, Della lirica di Dante Alighieri (Neap. 1865);
Carducci, Delle rime di (Livorno [* 17] 1874). -
2) «Das neue Leben» (La vita nuova), eine poetische, vielfach in die Form der Vision eingehüllte Darstellung seiner Jugendliebe, aus Gedichten bestehend, die er während des Lebens und nach dem Tode der Geliebten gedichtet, zu welchen die Erzählung der jeweiligen Veranlassung und die scholastische Zergliederung gleichsam den prosaischen Kommentar bilden; nicht Wahrheit und Dichtung, aber künstlerische Darstellung einer wahren Herzensgeschichte, zwischen 1292 und 1295 geschrieben (erste Ausg. von Sermartelli, Flor. 1576; neue Ausg. von Giuliani, ebd. 1863 u. 1868; von Pizzo, Vened. 1865; beste Ausg. von Al. d'Ancona, Pisa [* 18] 1872 u. 1884; Witte, Lpz. 1876; deutsch von Oeynhausen, Wien [* 19] 1824; von Förster, Lpz. 1841; von Jacobson, Halle [* 20] 1877; von Wege, Lpz. 1879). - 3) «Das Gastmahl» (Il convivio), eine philos.
Encyklopädie in Form eines Kommentars zu philos. Canzonen des Dichters, sehr gelehrt, das erste Beispiel wissenschaftlicher ital. Prosa; hochwichtig, sowohl für die Kenntnis des Dichters, wie auch für die Erklärung seines Hauptwerkes. Das Werk ist unvollendet geblieben; von den 15 Traktaten, aus denen es nach dem Plane des Verfassers hätte bestehen sollen, liegen nur vier vor, die zwischen 1307 und 1309 geschrieben worden sind (beste Ausg. von Fraticelli, Flor. 1862; mit umfassendem Kommentar von Giuliani, 2 Bde., ebd. 1875; deutsch von Kannegießer, Lpz. 1845).
Vgl. Selmi, Il Convivio, sua cronologia, disegno, intendimento, attinenza alle altre opere di Dante Alighieri (Tur. 1865). -
4) «Über die Volkssprache» (De vulgari eloquentia), gewissermaßen ein Lehrbuch der Poetik, worin vom Ursprung und Wesen der Sprache, besonders der ital. Litteratursprache, sowie von dem Stil und den metrischen Formen gehandelt wird. Auch dieses um 1309 verfaßte Werk ist unvollendet geblieben. Von den mindestens fünf Büchern, auf die es berechnet war, ist nicht einmal das zweite vollendet (beste Ausg. von Fraticelli, Flor. 1861; von Giuliani, ebd. 1878; von Maignien und Prompt, Faksimile-Ausg. der Handschrift von Grenoble, [* 21] Vened. 1892; deutsch von Kannegießer, Lpz. 1845). - 5) «Über die Monarchie» (De monarchia), eine wahrscheinlich bei Anlaß des Römerzuges Heinrichs VII. (nach andern schon vor der Verbannung, wieder nach andern in den letzten Jahren des Lebens des Dichters) verfaßte lat. Abhandlung über das Verhältnis zwischen Staat und Kirche, die den Zweck verfolgt, die Selbständigkeit des Staates der Kirche gegenüber zu verfechten (beste Ausg. von Witte, Wien 1874; von Giuliani, Flor. 1878; deutsch von Kannegießer, Lpz. 1845; von Hubatsch, Berl. 1872). - 6) Briefe (Epistolae), im ganzen 14, die meisten unzweifelhaft unecht, von Dante Alighieri selbst herrührend etwa drei bis vier, die von hoher Wichtigkeit wären, wenn ihre Echtheit keinem Zweifel unterliegen würde (Ausg. von Torri, Livorno 1842; von Fraticelli, Flor. 1862; von Giuliani, ebd. 1882; deutsch von Kannegießer, Lpz. 1845). - 7) «Eklogen», zwei lateinische poet.
Sendschreiben an den Dichter Joh. de Virgilio in Bologna, deren Echtheit aber angefochten wird (Ausg. von Fraticelli, Flor. 1861; Giuliani, ebd. 1882; Pasqualigo, Lonigo 1888; deutsch von Kannegießer und Witte, Lpz. 1842; Krafft, Regensb. 1859); vgl. Fr. Macri-Leone, La bucolica latina nella letteratura italiana del secolo XIV (Tur. 1889). Andere, dem Dichter zugeschriebene Arbeiten, wie die «Bußpsalmen», der «Glaube», die Abhandlung «Über Wasser und Land», sind ungeschickte Fälschungen, als solche heutzutage allgemein anerkannt.
II. Die «Göttliche Komödie» (Divina Commedia), das Hauptwerk seines Lebens, bereits in des Dichters Jugend, vor 1290 beabsichtigt und von da an stets vorbereitet, in seiner jetzigen Gestalt aber erst nach 1313 bearbeitet und 1321 vollendet, ist dem Buchstaben nach die Geschichte der visionären Wanderung des Dichters durch die drei Reiche des Jenseits; dem allegorischen Sinne und seinem Zwecke nach ist es die Darstellung des Weges, den der sündige Mensch gehen muß, um zum Heil zu gelangen, das Epos der Erlösung. Der Dichter hebt an mit der Schilderung seiner Verirrung in einem finstern Walde, das Bild des weltlichen, von Gott abgekehrten Lebens. Seinem Versuche, den Wald zu verlassen und die sonnenbestrahlte Höhe zu erreichen, widersetzen sich drei Tiere: ein Leopard, [* 22] ein Löwe ¶
mehr
und eine Wölfin, meist als die Symbole der Unkeuschheit, des Stolzes und des Geizes gedeutet. Wie der Dichter, von der Wölfin bedrängt, zur Tiefe zurückkehrt, erscheint ihm der Schatten [* 24] Virgils, das Symbol der irdischen Leitung des Menschen, und führt ihn durch die Hölle und das Fegefeuer, wo er die ewigen und die zeitlichen Strafen der Sünde anschaut, bis zu den lichten Höhen des irdischen Paradieses, wo Beatrice, das Symbol der geistlichen Leitung des Menschen, den geläuterten Dichter unter ihre Leitung nimmt und ihn durch die neun Himmel [* 25] zur Region der ewigen Seligkeit und zur Anschauung der Gottheit führt.
Auf der langen Wanderung nimmt der Dichter Anlaß, anknüpfend an die Personen, denen er begegnet, an die Gespräche mit denselben und mit seinen Führern, die Mythologie und die Geschichte, namentlich die ital. Zeit- und Lokalgeschichte, sowie die tiefsten Fragen der Philosophie und der Theologie, der Scholastik und der Mystik zu besprechen, sodaß das Werk in seiner großartigen Universalität ein Gemälde der Zeit des Dichters nach allen Richtungen hin geworden ist. Er selbst hat es einfach Commedia genannt, damaligem Brauche entsprechend, wonach jede größere Dichtung, die glücklich endete, Komödie genannt wurde, mochte übrigens ihr Inhalt auch noch so ernsten Charakters sein.
Das Beiwort divina (göttlich) hat erst die bewundernde Nachwelt hinzugefügt. Das Gedicht besteht aus drei Teilen: Hölle, Fegefeuer und Paradies; jeder Teil hat 33 Gesänge; voran steht ein einleitender Gesang, sodaß es im ganzen 100 Gesänge sind mit 14233 Versen, von denen 4720 auf die «Hölle», 4755 auf das «Fegefeuer» und 4758 auf das «Paradies» kommen. In Bezug auf Gedankentiefe, Großartigkeit der Phantasie, Reichtum und Schönheit der Bilder, Universalität des Charakters, Schönheit der Sprache und Prägnanz des Stiles steht dieses in Terzinen gedichtete Werk in der gesamten Weltlitteratur ganz einzigartig da, viel bewundert, viel verbreitet, viel erklärt, aber wenig gelesen und noch weniger verstanden.
Ausgaben. Die «Göttliche Komödie» ist seit 1472 nahezu ein Halbtausendmal im Original gedruckt worden und gegenwärtig erscheinen davon in Italien alljährlich mindestens ein Halbdutzend neue Ausgaben. Aus dem 15. Jahrh. sind 15, aus dem 16. 30, aus dem 17. 3, aus dem 18. 31, und aus dem 19. bereits nahe an 300 Ausgaben bekannt. Die bemerkenswertesten sind: Aus dem 15. Jahrh.: die vier ersten, von Foligno, Jesi, Mantua [* 26] und Neapel [* 27] (1472-75), äußerst selten, aber mit diplomat. Treue reproduziert von Lord Vernon (Le [* 28] prime quattro ediz. della Divina Comedia, Lond. 1858), die Vindeliniana (Vened. 1477), die Nidobeatina (Mail. 1477-78) und die erste Florentiner (1481). Aus dem 16. Jahrh.: die beiden Aldinen (Vened. 1502 u. 1515), die Giuntina (Flor. 1506) und die der Crusca (ebd. 1595). Die drei Ausgaben des 17. Jahrh. sind wertlos.
Aus dem 18. Jahrh.: Cominiana (3 Bde., Padua 1726-27), die Zattasche Prachtausgabe (4 Bde. mit 112 Kupfertafeln, Vened. 1757-58), die erste Lombardische (3 Bde., Rom [* 29] 1791) und die Dionisische (3 Bde., Fol., Parma [* 30] 1795). Aus dem 19. Jahrh.: von Poggiali (4 Bde., Livorno 1807), von De Romanis (Rom 1810; 1815-17. u. 1820), Áncora (4 Bde., Fol., mit 125 Kupfertafeln, Flor. 1817-19), Paduaner (5 Bde., Padua 1822), zweite Crusca (2 Bde., Flor. 1837), Witte (Berl. 1862), sowie mehrere Ausgaben mit Kommentaren. Bemerkenswert die dem Format nach größte (Mail. 1809, 3 Bde., Fol., 57 cm lang und 38 cm breit) und kleinste (ebd. 1878, 1 Bd., 5 ½ cm lang, 3 ½ cm breit).
Übersetzungen. Die «Göttliche Komödie» ist in alle gebildeten Sprachen, ins Hebräische, Griechische und Lateinische, sowie in mehrere Dialekte übersetzt worden, in einigen Sprachen, wie ins Französische und Englische, [* 31] von 12 bis 20 verschiedenen Übersetzern. Deutschland [* 32] besitzt gegenwärtig 18 vollständige Übersetzungen des Gedichts, wozu noch 6 Übersetzungen der «Hölle» allein, eine, welche «Hölle» und «Fegefeuer» umfaßt und eine nicht geringe Zahl von Übersetzungen einzelner oder mehrerer Gesänge kommen. Die besten reimlosen Übersetzungen sind die von Philalethes (König Johann von Sachsen; [* 33] 3 Bde., Lpz. 1839-49; neue verbesserte Aufl., 3 Bde., ebd. 1865-66; nach dieser 4. Abdruck, 3 Bde., ebd. 1891), Blanc (Halle 1864), Witte (3. Aufl., 2 Bde., Berl. 1876), Kopisch-Paur (Berl. 1882) und Bertrand (Heidelb. 1887-91, bis jetzt nur «Hölle» und «Fegefeuer» umfassend).
Unter den gereimten Übersetzungen ragen hervor diejenigen von Kannegießer (3 Bde., Lpz. 1809-21; 5. Aufl., 3 Bde., ebd. 1873), Streckfuß (3 Bde., Halle 1824-26; 9. Aufl., Braunschw. 1871; neu bearb. von Roquette, neue Ausg. Stuttg. 1893), Krigar (3 Bde., Berl. 1870), Bartsch (3 Bde., Lpz. 1877), Notter (2 Bde., Stuttg. 1871-72) und Gildemeister (Berl. 1888). Unter den partiellen Übersetzungen zeichnen sich durch eigentümliche Vorzüge aus diejenigen der «Hölle» von Karl Graul und Julius Braun (erschöpfende Auskunft über alle deutschen Übersetzungen, sowie über die gesamte deutsche Dante-Litteratur bei Scartazzini, Dante Alighieri in Germania, [* 34] 2 Bde., Mail. 1881-83).
Kommentare. Die außerordentliche Gedrängtheit der Sprache, hin und wieder auch die Altertümlichkeit oder Eigentümlichkeit der Ausdrucksweise, namentlich aber die Fülle histor. Beziehungen, sowie die darin niedergelegte theol. und philos. Gelehrsamkeit machen das große Gedicht dem Laien ziemlich schwer verständlich. Daher hat die Arbeit der Auslegung sofort nach dem Tode des Dichters begonnen und wird gegenwärtig eifriger als jemals getrieben. Die bedeutendsten Kommentare zur Divina Commedia aus dem 14. Jahrh, sind der um 1324 geschriebene des Graziolo de' Bambaglioli (hg. von Fiammazzo, Udine 1892); der ungefähr gleichzeitige, eines unbekannten Autors (hg. von Selmi, Tur. 1865), beide nur die «Hölle» umfassend; wichtiger: Petrus Dantis (hg. von Vernon, Flor. 1845), Jacopo della Lana (in den erwähnten Ausgaben Vindeliniana und Nidobeatina; neue Ausg. von Scarabelli, Mail. 1865 und 3 Bde., Bologna 1866), der sog. Ottimo (hg. von Torri, 3 Bde., Pisa 1827-29), Boccaccio (beste Ausg. von Milanesi, 2 Bde., Flor. 1863), Benvenuto Rambaldi aus Imola (hg. von Vernon, 5 Bde., ebd. 1877), Francesco da Buti (hg. von Giannini, 3 Bde., Pisa 1858-62) und der etwas problematische des Florentiner Anonymus (hg. von Fanfani, 3 Bde., Bologna 1866-74). - Aus dem 15. Jahrh.: Joh. da Serravalle, Bischof von Fermo (hg. auf Veranlassung des Papstes Leo XIII. von Civezza und Domenichelli, Prato 1891), Bargigi (hg. von Zacheroni, Marseille [* 35] 1838), Landino (Flor. 1481, seither öfters gedruckt) und Stefano Talice da Ricaldone (hg. im Auftrag des Königs Umberto I. von Promis und Negroni, Tur. 1866 und 3 Bde., Mail. 1888). - Aus dem 16. Jahrh.: ¶