Dammagruppe
(Kt. Bern, Nid- u. Obwalden, Uri u. Wallis). Gewöhnlich versteht man unter Dammagruppe die Gebirgsmasse zwischen Haslethal und Grimselpass im W., Furkapass und Urserenthal im S., Reussthal bis Wassen im O. und Meienthal, Sustenpass und Gadmenthal im N. Das ist z. B. der Fall in Studers Ueber Eis und Schnee (2. Aufl., Bd I, S. 462 ff.), ferner in den Jahrbüchern des S. A. C. Die genannte N.-Grenze ist aber doch etwas unsicher, obwohl sie orographisch wohl begründet erscheint. Die Geologen verlegen sie meist noch etwas weiter nach N. Baltzer zieht sie in seiner geologischen Monographie des mittleren Teils des Aarmassivs (Beiträge zur Geolog. Karte der Schweiz. 24) durch das Erstfelderthal, die Schlossberglücke und das Wendenjoch ins Gadmenthal, Aeppli in seinem Artikel über die Alpen (in diesem Lexikon S. 39 und auf der zugehörigen Uebersichtskarte) vom untern Reussthal über den Surenenpass, Engelberg und den Jochpass ins Genthal und nach Innertkirchen. Wir halten uns hier an diese letztere Grenze, die auch das Gebiet des Titlis der Dammagruppe zuteilt. In diesen Grenzen erfüllt die Dammagruppe ungefähr ein Trapez, dessen parallele Seiten durch die S.- und N.-Grenze und dessen nicht parallele Seiten durch die W.- und O.-Grenze gebildet werden und dessen Flächeninhalt etwa 600 km2 beträgt.
Die Richtungsverhältnisse und die Gliederung dieser Gruppe sind sehr eigentümliche. In den Kämmen und Thälern herrschen Richtungen vor, die mehr oder weniger senkrecht zur Hauptrichtung der Alpen stehen, so in den beiden Ketten, die den Trift- und den Rhonegletscher einschliessen, dann in den Ketten des Sustenhorns und des Fleckistocks, d. h. gerade in den Hauptgliedern der Gruppe, die auch die höchsten Gipfel derselben enthalten. Es sind Querketten. Grössere Längsketten in der Hauptrichtung der Alpen sind nur diejenige der Spitzberge auf der N.-Seite des Urserenthals und diejenigen im Gebiet des Titlis, welch' letzteres sich gerade durch seine vorherrschende Längsrichtung deutlich von der Dammagruppe im engern Sinn unterscheidet, abgesehen noch von der geologischen Abweichung. Querthäler sind ausser den Grenzthälern des Hasle- und Reussthals noch die Thäler des Rhone-, Trift- und Steingletschers auf der W.-Seite, das Thal des Kehlegletschers, das Voralpthal, der grössere Teil des Meienthals, das Gornerenthal, das Inschithal auf der O.-Seite und noch manche kleinere. Längsthäler sind in der engern Dammagruppe nur das Göschenenthal, dann das Urserenthal und das Nessen-Gadmenthal an deren S.- und N.-Grenze. Zahlreicher sind die Längsthäler wieder im Titlisgebiet: Erstfelderthal, Waldnacht-Bockitobel, Surenenalp, Genthal, Wendenalp.
Für die Gliederung des Dammamassivs eignet sich ausser dem Sustenpass noch die Sustenlimmi, ein 3100 m hoher Gletscherpass, der vom Steingletscher s. hinüber zum Kehlegletscher und damit vom obersten Gadmenthal ins oberste Göschenenthal führt. Er trennt die Gruppe des Sustenhorns und Fleckistocks vom Triftgebiet. Mit Inbegriff der Titlisgruppe erhalten wir dann drei Gruppen, von denen jede wieder in zwei Ketten zerfällt, nämlich:
1. Das Triftgebiet, begrenzt vom Gadmenthal, Sustenlimmi, Göschenenthal, Urserenthal, Furka, Grimsel und Haslethal. Es umfasst die beiden Ketten, die in leichtgeschwungenen Bogen den Trift- und den Rhonegletscher einfassen. Ein Anhängsel dazu ist die Spitzbergkette n. vom Urserenthal.
3. Die Sustenhorn-Fleckistockgruppe, umschlossen vom Meienthal, Sustenpass, Sustenlimmi, Göschenenthal und einem Teil des Reussthals. Die beiden Glieder dieser Gruppe umschliessen das Voralpthal, aus welchem das Sustenjoch nach der Sustenalp im obersten Meienthal führt.
3. Die Titlis-Spannörtergruppe, n. vom Sustenpass bis zum Surenen- und Jochpass. Das Wendenjoch, das von der Surenenalp hart am Titlis vorbei sw. nach Gadmen führt, teilt diese Gruppe in zwei Glieder: in die kleinere Kette des Titlis und der Gadmenflühe zwischen
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Wendenjoch und Jochpass und in das grössere Gebiet der Spannörter, das den Raum zwischen Meienthal, Sustenpass, Wendenjoch, Surenenpass und Reussthal ausfüllt.
a. Das Triftgebiet
ist das interessanteste Glied der Dammagruppe, schon wegen seiner zwei mächtigen Gletscher, dem Trift- und Rhonegletscher, die zu den grössten und schönsten der Schweiz gehören. Sie sind ungefähr gleich gross und messen zusammen mit ihren Firnbecken etwa 48 km2. Am Firnrücken der Triftlimmi treffen sie zusammen. Dieser in sanften Wellenlinien auf- und absteigende Rücken gewährt in seinen Einsenkungen, der untern und obern Triftlimmi, leichte Uebergänge vom einen Gletscher zum andern und auf der zwischenliegenden Höhe des Limmistöckli (3197 m) einen prachtvollen Ueberblick über die beiden grossen Firngebiete und ihre herrlichen Randketten. Von da senkt sich der Triftgletscher 8 km weit nach NW., der Rhonegletscher 9 km weit nach S., zuerst in Form weiter Firnmulden, dann als vielgestaltige Eiszungen bald sanfter geneigt und spaltenfrei, bald tausendfach geborsten über steilere Stufen. Dabei endet der Rhonegletscher in 1800 m, der Triftgletscher erst in 1350 m Höhe, so dass letzterer beträchtlich steiler und dem entsprechend wilder erscheint als ersterer. Die übrigen Gletscher der Gruppe sind meist solche zweiter Ordnung. Die w. Kette hat nur kleinere Gehängegletscher; grösser sind die Gletscher der ö. Kette. Der mächtigste von ihnen ist der Steingletscher, noch ein typischer Thalgletscher mit wohlausgebildeter Eiszunge und weitem Firnbecken. Zwischen Triftgebiet und Sustenhörner senkt er sich über mehrere Terrassen von über 3000 m bis auf etwa 1900 m n. hinunter bis nahe an den Sustenpass. Ihm benachbart und mehr oder weniger mit ihm zusammenhängend ist der Steinlimmigletscher, ebenfalls noch ein Thalgletscher. Reich vergletschert ist sodann der Hintergrund des Göschenenthals. Hier dominiert der Dammafirn, der in mächtigen Falten von den Winterbergen herunter wallt.
Ein selbständiger, grösserer Thalgletscher ist der Kehlegletscher, das Gegenstück des Sustengletschers und mit diesem durch die Sustenlimmi und die Thierberglimmi verbunden. Endlich senken sich aus der Gegend des Galenstocks der Siedeln- und der Tiefengletscher gegen die Furka und das Urserenthal. Zu all' diesen grössern Gletschern kommen eine Menge kleinere, teils als Seitengletscher der genannten, teils mehr isoliert als kleinere Gehänge- und Kargletscher, so dass die ganze Gruppe als ausserordentlich gletscherreich erscheint und gerade diesem Umstand ihre schimmernde Pracht und ihre Anziehungskraft auf die Bergsteiger verdankt.
Die Gipfel des Triftgebietes reihen sich, wie bereits angedeutet, in zwei sanft geschwungenen Bogen zu beiden Seiten des Trift- und Rhonegletschers an. Die Gesteinsschichten streichen von SW. nach NO. und fallen steil nach SO. Die Gipfel zeigen daher isoklinalen Bau mit schroffen Abstürzen nach NW. und meist sanfteren Abhängen nach SO., wie man dies z. B. deutlich am Galenstock erkennt. Aus dem zwischenliegenden Gletscherthal steigen die beiden Ketten nur mässig steil und nicht mehr sehr hoch empor, während die Abstürze nach Aussen, d. h. zum Haslethal und Göschenenthal, ausserordentlich schroff und tief sind. Die w. Kette beginnt am Grimselpass mit dem Nägelisgrätli, das oft zum Uebergang vom Grimselpass zum Rhonegletscher und zur Furka benutzt wird und auch in der Kriegsgeschichte einmal eine Rolle gespielt hat, indem in den Kämpfen von 1799 die auf der Grimsel stehenden Oesterreicher von einer Abteilung Franzosen über das Nägelisgrätli umgangen und besiegt wurden. Von da steigt die Kette über die mehrgipfeligen Gerstenhörner und Hintern Gelmerhörner zum ebenfalls mehrhöckerigen Tieralplistock, um hier mit 3400 und 3106 m zu kulminieren. Dann folgen die Diechterhörner, das Gwächtenhorn, der spitze Kirchlistock, das breite Steinhaushorn und mehrere andere, zum Teil noch unbenannte Spitzen bis zum Mährenhorn (2924 m). Hier biegt die Kette mit rasch abnehmender Höhe nach W. um und endigt mit dem Benzlauistock und Pfaffenstock über Innertkirchen. Die ganze Kette bildet eine vielzackige Zinnenmauer, deren einziger tieferer Einschnitt, der Furtwangsattel, als direkter Uebergang von Guttannen nach dem Triftgletscher benutzt wird. Von da bis zum südlichsten Gerstenhorn sinkt kein Gipfel und keine Lücke unter 3000 m; die meisten der erstern erreichen 3100 bis über 3300 m. Von dieser geschlossenen Hauptkette gehen nur kurze Seitenrippen aus, so der Thälistock vom Tieralplistock gegen den Rhonegletscher, das Triftstöckli von den Diechterhörnern, das Sackgrätli vom Steinhaushorn und der Stotziggrat vom Mährenhorn aus gegen den Triftgletscher. Etwas bedeutender sind die zwei Kämme, die den weitverzweigten Thalkessel der Gelmeralp gegen das Haslethal abschliessen u. in den Vorderen Gelmerhörnern eine schöne Zackenmauer bilden. Am Ausgang des Gelmerthals liegt in 1829 m der einsame Gelmersee, hart über der vom Fremdenstrom durchfluteten Grimselroute, aber selten besucht. Einige andere kleine Bergseen finden sich am Nägelisgrätli, am Benzlauistock und am Mährenhorn.
Grossartiger und formenreicher noch als die W.-Kette ist die O.-Kette des Triftgebietes. Ihr zentrales Stück vom Tiefenstock bis zum Hintern Tierberg, das mit dem Eispanzer seiner O.-Flanke das Hintergehänge des Göschenenthales bildet, heisst in Uri «Winterberg». Als König erhebt sich hier die breite Kuppe des Dammastocks zu 3633 m, auf der W.-Seite bis auf den Scheitel in Eis gehüllt, auf der O.-Seite dagegen in schroffen Felswänden auf den Dammafirn abstürzend. Unmittelbar n. davon folgen der Schneestock (3608 m), der Eggstock (3550 m) und der Weiss Nollen (3433 m); nach S. der Rhonestock (3603 m), der Tiefenstock (3513 m) und die gewaltige Kuppel des Galenstocks (3597 m). Von da senkt sich die Kette über den zackigen Galengrat zum Furkahorn (3028 m) und weiter zum Furkapass. Vom Eggstock bis zum Galenstock zeigt die ganze Gipfelreihe eine auffallende Gleichmässigkeit der Höhen, indem die Differenz zwischen dem niedrigsten (Tiefenstock 3513 m) und höchsten (Dammastock 3633 m) Gipfel nur 120 m beträgt. Auch die Lücken dazwischen sind wenig tief eingeschnitten. Es sind vereiste Scharten, die von beiden Seiten, besonders aber von O. her, nur schwer und nicht ohne Gefahren zugänglich sind. Die bekanntesten sind der Dammapass (ca. 3500 m) zwischen Dammastock und Rhonestock und
Karte der Dammagruppe
Lf. 39. ^[Karte: 6° 10’ O; 46° 40’ N; 1:160000]
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebr. Attinger Neuenburg.
Karte der Dammagruppe.
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der Tiefensattel (ca. 3320 m) zwischen Tiefenstock und Galenstock. N. vom Schneestock folgt die mehrgipflige Zackenreihe des Maasplankstocks und des Hintern Tierberges, die sich durchweg nahe an 3400 m hält. Jenseits des tiefen Einschnitts «Zwischen Tierbergen» erhebt sich der Vordere Tierberg trotz seiner schroffen Formen nur noch zu 3091 m, dann, durch die Steinlimmi (2734 m) getrennt, der Giglistock zu nur noch 2900 m. Hier biegt die Kette nach W. um und endigt am Radlefshorn (2604 m) und Doggelistein (2400 m). Dazwischen erhebt sich noch eine Reihe kleinerer Felshörner, wie das Wanghorn (2837 m), der Drosistock (2831 m), der Murmetenstock u. a.
Seitliche Verzweigungen hat auch die ö. Triftkette nur wenige und meist nur kurze aufzuweisen. Zwei solche schliessen den Steinlimmigletscher ein mit dem Brunnenstock und Thaleggli auf der N.-Seite, dem Tierbergli und Bockberg auf der S.-Seite. Zwei andere gehen vom Hintern Tierberg aus, der eine nach W. zum Thältistock, an dessen S.-Fuss die Trifthütte des S. A. C. steht, der andere ö. über das breite Gwächtenhorn als Bindeglied zwischen Triftgebiet und Sustenhörner, von jenem getrennt durch das hohe Eisjoch der Tierberglimmi, von diesem durch den Touristenpfad der Sustenlimmi (3103 m). Die grösste Seitenkette, zugleich die einzige bedeutendere Längskette der eigentlichen Dammagruppe ist die vom Tiefenstock abzweigende Kette der Spitzberge zwischen Göschenenthal und Urserenthal. Charakteristisch sind für sie die steilen Abstürze mit zerrissenen Felsköpfen, Rippen, Bändern und kleinen Gletschern auf der N.-Seite und die breiten Rasenterrassen der Stellialp, Rainbordalp, Ochsenalp, Rossmettlen auf der S.-Seite. Die Kette ist also ein ausgesprochener Isoklinalkamm. Ihre bedeutendsten Gipfel sind das Gletschhorn (3307 m), der Winterstock (3231 m), der Lochberg (3088 m), die Hörner und Zacken der Spitzberge (Blauberg, Feldschyn, Mütterlishorn, Mittagstock, Lochstock, u. a.) und endlich der Bäzberg (2550 und 2388 m). Ans meisten interessieren davon der Bäzberg durch seine Einbeziehung in die Gotthardbefestigungen, dann die Alpligenlücke (2778 m) als kürzester Uebergang von der Göscheneralp nach Realp und zum Furkapass, endlich das Gletschhorn mit seiner Krystallhöhle am Tiefengletscher, in welcher im Jahre 1868 prächtige Morionen (schwarze Bergkrystalle) gefunden wurden, darunter 50 Exemplare im Gewicht von 1-2 Zentnern, wovon die schönsten im Berner Museum aufbewahrt werden. (Siehe hierüber den Art. Krystallhöhle).
b. Die Sustenhorn-Fleckistockgruppe
besteht aus zwei Hauptketten, die sich am Sustenjoch verknüpfen. Von da ziehen die Ketten, etwas auseinanderstrebend und das rauhe, hochromantische Voralpthal einschliessend, nach SO., um sich am Ende desselben wieder zu nähern, so dass dieses nur einen engen, schluchtartigen Ausgang zum Göschenenthal findet. Die beiden Ketten sind wie die Triftketten Querkämme und zeigen auch im Streichen und Fallen der Gesteinsschichten und im isoklinalen Bau der Gipfel ähnliche Verhältnisse wie diese. Die Gipfel sind mächtige, trotzig aufgetürmte Felsbauten, die nur von kühnen und gewandten Bergsteigern bezwungen werden. Dies gilt besonders von den Sustenhörnern der w., aber auch vom Stücklistock (3309 m) und Fleckistock (3418 m) der ö. Kette. Bei den Sustenhörnern ist die Nomenklatur etwas unsicher. Die neuern Siegfriedblätter nennen den höchsten Gipfel einfach Sustenhorn (3512 m), die breite Felsmasse unmittelbar n. davon Hinteres Sustenhorn (3320 und 3340 m) und die niedrigere, aber scharf zugespitzte Pyramide über dem Sustenpass Vorderes Sustenhorn oder Sustenspitz (2931 m). Oft heisst aber auch der höchste Gipfel Hinteres Sustenhorn, der mittlere Vorderes Sustenhorn und der nördlichste wieder Sustenspitz. Im Uebrigen weist diese Kette zwar noch eine Reihe schöner Spitzen und Zacken auf, die aber meist noch unbenannt sind, obwohl manche von ihnen 3200 und selbst 3300 m übersteigen. In der ö. Kette ragen noch der Voralpstock oder Winterberg (3214 m), der Kühplankenstock (3223 m) und der Salbitschyn (2989 m) als mächtige, wild zerrissene Felsmassen hervor. Gegen den Sustenpass hin verlängern sich diese beiden Ketten nur noch wenig durch den Sustenspitz (2931 m) einerseits und das Griessenhörnli (2853 m) andererseits. - Die Verzweigungen der beiden Hauptketten sind nur gering. Doch entsendet die ö. Kette einige Rippen gegen das Meien- und Reussthal, so eine vom Fleckistock zum Fedistock, eine vom Kühplankenstock über den Schwarzenstock und Mittagstock gegen Wassen und eine vom Salbitschyn nach O. zum Meiggelenstock.
Die Vergletscherung in dieser Gruppe ist lange nicht so stark wie im Triftgebiet. Es herrschen die Gehänge- und Kargletscher, die ersteren mehr in der w., die letzteren mehr in der ö. Kette. Bedeutende Ausdehnung hat immerhin der Brunnifirn, der fast das ganze W.-Gehänge des Voralpthals besetzt hält. Beträchtlich sind auch die gegen die Sustenlimmi hinunter hängenden Firne. Unter den Kargletschern der O.-Kette sind der Rütifirn und der Kartigelfirn die grössten. Der einzige richtige Thalgletscher der Gruppe ist der Wallenbühlfirn, der vom Sustenjoch ins Voralpthal hinunterhängt und auch vom Brunnifirn Zuzug erhält.
c. Die Titlis-Spannortgruppe
zerfällt geologisch und orographisch in zwei Zonen, eine Kalkgebirgszone und eine Gneiss- oder Schiefergebirgszone, die parallel nebeneinander von SW. nach NO. streichen u. durch das Wendenjoch und die Schlossberglücke, sowie durch die Längsthäler der Wendenalp und des Erstfelderthals voneinander getrennt werden. Die Kalkkette baut sich hauptsächlich aus Hochgebirgskalk (Malm) auf, dessen Schichtflächen nach NW. geneigt sind, während die steil abgebrochenen Schichtköpfe nach S. schauen und hier gewaltige Wände aufbauen. Unter dem Hochgebirgskalk zieht sich ein schmales, aber deutliches Band von Dogger, Lias, Rötidolomit und Verrucano durch, das vom Ausgang des Genthals unter den Gadmen Flühen und dem Titlis durch zum Wendenjoch aufsteigt, dann an der O.-Seite des Titlis nach Nieder Surenen fällt und damit nach N. ausbiegt, bald aber wieder gegen die Schlossberglücke steigt und endlich auf der N.-Seite des Erstfelderthals unter dem Schlossberg und Geissberg gegen das Reussthal streicht. Das Ausbiegen dieses Bandes nach Nieder Surenen ist eine Folge der Erosion, die zwischen Titlis und Schlossberg die Sedimentdecke vollständig abgetragen und den Gneiss blosgelegt hat, der in der so entstandenen Lücke bis nach Nieder Surenen übergreift. Durch diese Lücke ist die Kalkkette in zwei Stücke zerschnitten, von welchen das eine nö. über Schlossberg und Erstfelder Geissberg gegen das Reussthal, das andere über Titlis, Reissend Nollen, Wendenstöcke und Gadmer Flühe sw. streicht, um sich endlich mit dem Achtelsassgrätli zwischen Nessenthal und Genthal auszukeilen. Alle diese Berge stellen breite pultförmige Massen dar, die sanfter von NW. ansteigen und fast senkrecht nach SO. abbrechen. Die breiten Pultflächen sind zum Teil von dicken Firnlagen, Plateaugletschern, bedeckt, so besonders am Titlis und Reissend Nollen, in geringerm Maass auch an den Wendenstöcken, Gadmenflühen und am Schlossberg. Das Haupt der ganzen Kette, der Titlis (3239 m), übt vermöge seiner Höhe und dominierenden Stellung die grösste Anziehung auf die Touristen aus. Er gehört zu den besuchtesten Aussichtsbergen der Schweiz und soll schon 1739 oder 1744 von einem Klosterbruder aus Engelberg bestiegen worden sein. Sicher ist eine Besteigung vom Jahr 1786.
Die Kette der Spannörter, aus Gneiss und krystallinen Schiefern aufgebaut, die steil nach SO. fallen, ist in ihren Gipfeln bei Weitem nicht so massig, wie die Titliskette. Statt der breiten wuchtigen Pultberge finden sich hier eine Menge von Zacken und Spitzchen jeder Art. Der Hauptkamm läuft in kleinen Zickzacks hin und her und entsendet eine Menge kurzer Seitenrippen nach S. und SO. Obwohl er in seinen höchsten Gipfeln, dem Grossen und Kleinen Spannort (3202 und 3149 m), noch nicht ganz die Höhe des Titlis erreicht und im Uebrigen fast überall unter 3000 m zurück bleibt, so ist er doch weit stärker vergletschert als die Titliskette. Aber die Gletscher sind alle klein und auf beide Gehänge ziemlich gleichmässig verteilt. Der grösste davon ist der Glattenfirn, der von den Spannörtern ins Erstfelderthal hinunter hängt und dort auch eine kleine Zunge bildet. Von da ist der ganze Kamm bis zu den Urat- und Fünffingerstöcken s. vom Titlis in Firn und Eis gehüllt, und nur die Spitzen ragen als dunkle Felszacken daraus hervor (Grassengletscher,