Damaskus
(arab. Dimischk-e'
Scham), Hauptstadt der asiatisch-türk.
Provinz Suria
(Syrien), im
Rang die fünfte Stadt
des osmanischen
Reichs, in entzückender
Lage am östlichen
Fuß des
Antilibanon, etwa 700 m ü. M., in dem weiten
Thal
[* 2] von
Damaskus
(El Gutah) mit einer
Bevölkerung
[* 3] von 48,000
Seelen in 134 Dörfern, das, außerordentlich reich an
Getreide
[* 4] und
Früchten,
von den
Orientalen als das schönste der vier irdischen
Paradiese gepriesen wird. Der Barrada
(Chrysorrhoas) durchströmt in
mehreren
Armen die
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Stadt, bewässert dann die stundenweit ausgedehnten Gärten und Felder der Umgegend und verliert sich endlich gegen O. hin in Sümpfen. Die Stadt ist von festen Mauern mit Türmen und Gräben umgeben und hat neun Thore. Die Straßen sind krumm, staubig und unsauber und führen nach orientalischer Weise zwischen kahlen, fensterlosen Lehmwänden hin; aber das Innere der Häuser, die Hofräume und Gärten sind zum Teil glänzend und durch Blumenpracht, Säulenhallen und Springbrunnen überaus lieblich.
Die schnurgerade, an 2 km lange Hauptstraße der Stadt soll dieselbe sein, welche in der Apostelgeschichte (9, 11) als die
»gerade« erwähnt wird. Im übrigen hat Damaskus
trotz
seines hohen Alters nur wenig Altertümer (einen römischen Aquädukt, einige Inschriften und Säulen
[* 6] etc.) aufzuweisen. Unter
den sehr zahlreichen Moscheen (angeblich 248) ist die berühmteste die Moschee der Omejjaden (Herakliosmoschee), ursprünglich
eine Kirche des heil. Johannes, welche an der Stelle eines korinthischen Tempels errichtet und später von Abd ul Malik
(705-715), dem fünften Kalifen des Hauses der Omejjaden, in das jetzige, durch seine Pracht und Schönheit ausgezeichnete Wunderwerk
arabischer Baukunst
[* 7] umgewandelt wurde.
Den Mittelgang des Gebäudes bilden zwei Reihen von je 40 ungeheuern Säulen von Serpentin, Granit, Porphyr und vielfarbigem Marmor;
vier Thore öffnen sich gegen die vier Himmelsgegenden. Von den drei Minarets genießt »Mâdinet 'Isâ«
besondere Verehrung wegen der Sage, daß am Jüngsten Tag Jesus sich auf dieses Minaret vom Himmel
[* 8] herablassen werde. Das größte
Heiligtum der Moschee ist die Kapelle, wo das Haupt Johannis des Täufers ruhen soll, obschon es zur Zeit des byzantinischen
Reichs nach Konstantinopel
[* 9] gebracht wurde. An nichtmohammedanischen Gotteshäusern besitzt Damaskus
10 Synagogen,
eine griechische, eine maronitische, eine syrische, eine armenische Kirche und 3 römisch-katholische Klöster.
Merkwürdig ist auch das umfangreiche Serail im NW. der Stadt, das 1219 erbaut wurde und jetzt als Citadelle benutzt wird. Ausgezeichnet
ist Damaskus
ferner durch Glanz und Schönheit seiner Kaffeehäuser. Auch zeigt man hier die Grabmäler zweier
Gemahlinnen des Propheten (der Umm Selma und Umm Habiba) sowie die Grabstätten mehrerer Kalifen, Heiligen, Weisen, Dichter und
der beiden Sultane Nureddin und Salaheddin. Die Bazare von Damaskus
(über 30 an der Zahl) sind die originellsten im Morgenland; sie
ziehen sich in unendlichen Verzweigungen bedeckter Passagen um die Moschee der Omejjaden herum und haben
vor den meisten andern des Orients den Vorzug, daß sie alles zum Lebensgenuß und Lebensverkehr Erforderliche in sich fassen.
In ihnen findet man herrliche Karawanseraien, Warenhäuser, eine Börse, Schlafstätten fremder Kaufherren, Bäder, Kaffeehäuser
und klare, frische Quellen.
Unmittelbar bei der Großen Moschee befindet sich der umfangreichste Bazar in ganz Syrien, der durch Bogen
[* 10] in 16 Abteilungen getrennt
ist. Im N., W. und S. breiten sich vor den Thoren drei große Vorstädte aus; die bedeutendste ist die südliche, der Meidan.
Die Zahl der Einwohner beträgt etwa 150,000 (früher 400,000), bestehend aus 6000 Juden und 18,000 Christen
(Armeniern, Griechen etc.), im übrigen aus christenfeindlichen Mohammedanern. Vor dem großen
Christengemetzel 1860 zählte man 32,000 Christen in Damaskus.
In industrieller Beziehung ist Damaskus berühmt durch seine Bäckereien
und Konditorwaren, sein Rosenöl (aus der Damaszener Rose), seine Seidenmanufakturen.
Der schwere Damast wird zwar noch hier verfertigt, jedoch von ähnlichen Fabriken
in Westeuropa übertroffen.
Die Anzahl der Webstühle
[* 11] für seidene Zeuge und gemischte Baumwolle
[* 12] wird auf 4000 angegeben. Auch Gold- und Silberfäden werden
in beträchtlicher Menge verfertigt, ferner Gold- und Silberstoffe aller Art, elegante Sattlerarbeiten und Geschirre, feine Öle,
[* 13] Parfümerien, Balsame und andre Toilettenartikel, Teppiche etc. Ehedem, bevor Tamerlan die Waffenschmiede
von Damaskus
fortführte, hatten auch seine Säbelklingen Weltruf.
Auch die Garküchen von Damaskus
(etwa 400) sind nicht zu vergessen. Der Handel der Stadt ist noch jetzt ziemlich bedeutend und
wird hauptsächlich mit Europa
[* 14] über Beirut, Aleppo, Tripolis, Akka und mit Bagdad durch eine französische
konzessionierte Gesellschaft, welche täglich 16 Frachtwagen entsendet, sowie vermittelst Karawanen von jährlich 2000 Kamelen
betrieben. Auch die große Pilgerkarawane für Mekka sammelt sich hier alljährlich im September. Haupthandelsartikel sind:
Südfrüchte, Wein, Olivenöl. Unter den Erzeugnissen der Umgegend sind die großen Damaszener Pflaumen und die Damaszener Trauben,
welche, am Stocke getrocknet, die besten Rosinen geben, hervorzuheben. Die Einfuhr betrug 1884: 12,2 Mill.,
die Ausfuhr 4,8 Mill. Frank. Damaskus
ist Sitz eines deutschen Konsuls.
Geschichte. In der Geschichte erscheint Damaskus
zuerst zur Zeit des Königs David, welcher Damaskus
nach einem blutigen Krieg eroberte.
Doch machte es sich schon unter Salomo wieder unabhängig, und die Könige von Damaskus
benutzten die Spaltung
des israelitischen Reichs, um auf die nördlichen Teile desselben Angriffe zu machen. Besonders Benhadad I. und II. und Hasael
bedrängten das Reich Israel wiederholt. Das Reich von Damaskus
umfaßte den ganzen Osten Syriens, ward aber 810 v. Chr. von den Assyrern
unterworfen.
Sowohl unter der assyrischen als später unter der babylonischen und persischen Herrschaft blieb Damaskus
eine blühende
Stadt und Hauptstadt Syriens; erst unter den Seleukiden verlor es diese Stellung. Als Antiochos Dionysios 85 im Kriege gegen die
Araber blieb, ward deren Anführer Aretas I. von den Damaszenern zur Herrschaft berufen. Seine Nachkommen
herrschten seit 64 v. Chr. unter römischer Oberhoheit, bis 105 n. Chr. Trajanus Damaskus
der römischen Provinz Syrien einverleibte.
Das Christentum faßte hier frühzeitig Wurzel,
[* 15] und Paulus wurde hier zum Christentum bekehrt. Seit Hadrian führte die Stadt
den Ehrentitel Metropolis, Kaiser Philippus machte sie zu einer römischen Kolonie. Diokletian legte daselbst
gegen die Sarazenen bedeutende Waffenfabriken, Magazine und Festungswerke an. Später wurde Damaskus
der Sitz eines Bischofs und dem
oströmischen Reich einverleibt. 635 eroberten es die Araber unter dem Kalifen Omar nach zweimonatlicher Belagerung.
Omar residierte abwechselnd hier und zu Mekka; Moawija, der Stammvater der omejjadischen Kalifen, verlegte seine Residenz
hierher, und seine Nachkommen sowie die ersten Abbassiden residierten von 660 bis 753 daselbst. Nachdem Almansor Bagdad zu seiner
Residenz gemacht, wurde Damaskus
durch Statthalter verwaltet, von denen mehrere ein eignes Sultanat begründeten. So ward es 877 von
Achmed, dem Tuluniden, dem Kalifat entrissen, wechselte aber öfters die Dynastie. Auch in den Kreuzzügen
wurde wiederholt um den Besitz von Damaskus
gekämpft. 1148 belagerten die Kreuzfahrer Damaskus
ohne Erfolg. 1154 ward es von dem Sultan
Nureddin von Aleppo erobert. Nach Nureddins Tod kam es in die Gewalt Saladins und teilte hierauf meist das Los von Aleppo und Ägypten.
[* 16] Timur schlug die Ägypter unter den Mauern von
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Damaskus und legte der Stadt eine Brandschatzung von 1 Mill. Dukaten auf. Trotzdem diese bezahlt wurde, drang das Heer in die Stadt ein und verheerte sie mit Feuer und Schwert Wegen seiner wichtigen Lage für den Handel des Orients ward Damaskus von neuem aufgebaut. Später waren die Mamelucken als Herrscher Ägyptens auch Herren von Damaskus, bis es im Herbst 1516 dem türkischen Sultan Selim I. gelang, Stadt und Gebiet dem osmanischen Reich einzuverleiben. Seit dieser Zeit war Damaskus als Sitz eines türkischen Statthalters ein wichtiger Bestandteil des Reichs. Am eroberte es Ibrahim Pascha für seinen Vater, den Vizekönig Mehemed Ali von Ägypten, und dieser erhielt es 1833 von der Pforte nebst Syrien und Palästina [* 18] abgetreten; aber schon 1840 nötigten die europäischen Großmächte Mehemed Ali, Syrien dem Sultan zurückzugeben.
Seitdem ist Damaskus wieder türkisch und der alte schlechte Zustand wiederhergestellt. 1840 (noch unter ägyptischer Herrschaft) fand hier eine große Judenverfolgung statt, bei welcher der fanatische französische Konsul Graf Ratti-Menton die Hauptrolle spielte. In den Tagen vom 9.-16. Juli 1860 fand hier eine furchtbare Metzelei der Christen durch die fanatisierte mohammedanische Bevölkerung statt, infolge deren die christliche Bevölkerung aus Damaskus und den benachbarten Orten meist nach Aleppo und in andre sichere Plätze übersiedelte und erst nach genügenden Garantien für ihre Sicherheit zurückkehrte. Die Anstifter und Hauptschuldigen jener Metzelei wurden von der Pforte am Leben gestraft.
Vgl. Kremer, Topographie von Damaskus (Wien [* 19] 1855);
Parter, Five years in Damaskus (2. Aufl., Lond. 1870).