Dajak
(Olo-Ngadschu),
ein zur malaiischen Rasse gehöriger Volksstamm auf Borneo, der die Hauptmasse und zugleich den ältesten Teil der Bevölkerung der Insel bildet (s. Tafel »Asiatische Völker«, [* ] Fig. 23). Sie zerfallen in die Biadschu, die Bewohner der Südküste von Borneo, zwischen der Mündung des Baritoflusses und dem Gebirge von Kota-Waringin (wozu die Olo-Pulopetak, Olo-Mengkatip, Olo-Sampit etc. gehören), die Ot-Danom, im Innern der Insel an den Flüssen, und in die Dajak-Paré, an der Ostseite. In ihrer Körper- und Gesichtsbildung zeigen die Dajak den charakteristischen Typus der Malaien.
Sie sind von mittlerer Größe, schmächtig gebaut, aber kräftig und ausdauernd, namentlich unermüdliche Fußgänger. Ihre Hautfarbe ist ein bald helleres, bald dunkleres Braun, das Haar stets schwarz und lang. Von Charakter werden sie als ehrlich und zuverlässig geschildert; beleidigt und gereizt, sind sie jedoch rachsüchtig und grausam. Ihre Zahl wird auf ca. 2½ Mill. berechnet. Die gewöhnliche Kleidung besteht bei den Männern aus einem schmalen Lendengurt (Tschawat) und einem Streifen um Stirn und Hinterkopf; die Frauen tragen einen engen, bis an die Kniee reichenden Rock und einen großen, aus Stroh oder Nipablättern geflochtenen Hut.
Das Hauptnahrungsmittel der Dajak bildet Reis, der mit großer Sorgfalt angebaut wird. Haustiere sind Schweine, Hunde und Hühner; doch wird ihr Fleisch, wie das der Affen und Krokodile, nur bei festlichen Gelegenheiten gegessen. Die Verfassung der Dajak ist mit derjenigen der übrigen malaiischen Völker identisch. An der Spitze der verschiedenen Stamme stehen Häuptlinge, deren Würde teils erblich ist, teils durch Stimmenmehrheit der Stammesmitglieder übertragen wird.
Indessen ist die wirkliche Gewalt der Radschas unbedeutend, da alle wichtigern Angelegenheiten durch Volksversammlungen geregelt werden. Recht wird nach den traditionell bestehenden Gesetzen gesprochen. Die Dajak sind ein kriegerisches, wenn auch nicht besonders tapferes Volk. Ihre Hauptwaffen sind das dolchähnliche Parang, große, säbelartige Messer (Mandan) und das Sumpit, ein langes Bambusrohr, aus dem sie hölzerne, mit Fischzähnen oder Eisen versehene und vergiftete Pfeile schießen. Blutrachefehden vererben sich unter den Stämmen von Geschlecht zu Geschlecht; dabei besteht als Ehrensache die greuliche Sitte des Kopferbeutens (Menayau), indem man Wehrlose beider
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Geschlechter aus sicherm Hinterhalt überfällt und ihnen den Kopf abschneidet, um ihn als Kriegstrophäe aufbewahren zu können. Wer noch keinen abgeschnittenen Kopf aufweisen kann, darf nicht heiraten, und nach der Zahl solcher Köpfe, deren manches Haus über 100 aufweist, richtet sich das Ansehen des Besitzers. Gewöhnlich vereinigen sich mehrere zu einem Mordzug (Ngadschu); Züge in größerm Maßstab, an welchen 800-1000 Personen teilnehmen, heißen Assan und sind als Kriegführung anzusehen.
Zum Schutz gegen Säbelhiebe und Pfeile dienen eine mit Baumwolle wattierte Jacke und eine Art Harnisch aus Fellen oder Baumrinde, außerdem hölzerne Schilde. Die Wohnungen der Dajak sind lange, schuppenartige, auf 2-6 m hohen Pfählen ruhende Gebäude (in Süd- und Ostborneo von 60-70 m Länge) mit niedrigen Wänden und einem spitz zulaufenden Dach, doch ohne Fenster. Das Haus ist durch eine Scheidewand in einen Vorder- und einen Hinterraum abgeteilt, welch letzterer wieder in so viele Räume zerfällt, als Familien unter dem gemeinsamen Dach wohnen sollen.
Zur Verteidigung der Dörfer gegen feindliche Angriffe dienen kleine Bambuspfähle (Ranju), welche im hohen Gras in kleinen Abständen voneinander angebracht werden. Die Dajak sind in der Regel ausgezeichnete Schmiede, welche mit ihren unvollkommenen Werkzeugen besonders gute Schwerter verfertigen; das dazu nötige Eisen wird von ihnen selbst gegraben und geschmolzen. Die häuslichen Arbeiten ruhen auf den Frauen, die aber im übrigen von den Männern gut behandelt werden. In Bezug auf die Ehe herrscht durchweg die Monogamie.
Die Toten wurden ehemals häufig verbrannt und die Asche in irdenen Gefäßen aufbewahrt; gegenwärtig werden sie in der Regel begraben, seltener in hölzernen Kisten im Wald über der Erde aufbewahrt. Bis zur Bestattung der Leiche ruht alle Arbeit; überall wird dem Verstorbenen (wenn auch erst nach der Beerdigung) ein Menschenopfer dargebracht. Zu den ursprünglichen religiösen Vorstellungen der Dajak gehört der Glaube an die Geister der Verstorbenen. Als Aufenthalt derselben werden die hohen Berge betrachtet und ihnen dort Speise- oder Hühneropfer dargebracht.
Viele Stämme im O. verehren auch Sonne, Mond und Sterne. An den früher hier vorhandenen Buddhismus erinnern die Ruinen von Buddhatempeln und mancherlei Inschriften, die sich noch heute vorfinden. Jener Periode, an die jetzt jede Erinnerung fehlt, dürften auch heilig gehaltene antike Gefäße (Tapayan), verzierte Vasen ohne Henkel, mit Abbildungen von Blumen, Drachen u. a. angehören, von denen einzelne in dem Ruf besonderer Wunderkraft stehen, so daß von weit und breit förmliche Wallfahrten zur Heilung von Krankheiten und zur Befreiung von Bezauberungen zu ihnen unternommen und oft blutige Kämpfe um ihren Besitz geführt werden.
Sonst herrscht viel Aberglaube, der sich besonders in der Verehrung von Talismanen (Steinen, Krokodilzähnen etc.) und in sogen. Gottesurteilen äußert. Eine große Rolle unter den Dajak spielen die Balians, Frauen, welche zugleich als öffentliche Sängerinnen, Tänzerinnen, Priesterinnen, Wahrsagerinnen, Zauberinnen sowie als Hebammen u. Ärztinnen fungieren. Die Sprache der Dajak gehört nach Fr. Müller zur malaio-javanischen Gruppe der malaiischen Sprache und zerfällt in zahlreiche Dialekte; eine Grammatik derselben lieferte K. v. d. Gabelentz (Leipz. 1852). Von einer Litteratur ist nicht die Rede, es fehlt selbst an einer Schrift; aber in mündlicher Überlieferung sind Geistesprodukte, zum Teil Erzählungen aus alter Zeit, erhalten worden.
Vgl. Buddingh, Neerlands-Oost-Indië-Reizen (Rotterd. 1859-61);
Perelaer, Etnographische beschrijving der Dajak (Zalt-Bommel 1870);
Bock, Unter den Kannibalen auf Borneo (Jena 1882).