Dädalos
[* 2] (Daidalos), der berühmteste griech. Künstler der mythischen Zeit, Sohn des Metion und Urenkel des Königs Erechtheus zu Athen, [* 3] Zeitgenosse des Theseus und Minos. Als Architekt, Bildner und Techniker allgemein bewundert, mußte er aus Athen fliehen, weil Künstlerneid ihn zur Ermordung seines Schülers und Neffen Talos verleitet hatte, und fand beim König Minos von Kreta Schutz. Hier verfertigte er die Kuh der Pasiphae, erbaute einen Tempel [* 4] der Göttin Britomartis sowie für den Minotaur das Labyrinth, ward aber von Minos wegen der für die Pasiphae gefertigten Kuh mit seinem Sohn Ikaros ins Labyrinth gesperrt. Sie entflohen von da mittels künstlicher Flügel von Wachs und Leinwand. Ikaros zwar stürzte in das nach ihm benannte Meer, aber ¶
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entkam nach Sizilien,
[* 6] wo er bei dem König Kokalos Aufnahme fand; der ihn auch hierher verfolgende Minos wurde von Kokalos oder
dessen Töchtern in einem warmen Bad
[* 7] erstickt (s. Minos). Dädalos
führte in Sizilien verschiedene Wasser- und andre Bauten aus und
ging dann mit Aristäos nach Sardinien,
[* 8] wo er für den König Iolaos großartige Werke (die Dädaleen) ausführte.
Zu Capua und Cumä in Unteritalien errichtete er dem Apollo Tempel. Selbst in Ägypten
[* 9] läßt ihn die Sage herrliche Proben seiner
Kunst geben, z. B. ein Propylon am Hephästostempel zu Memphis und ein Holzbild im Tempel selbst.
Von den zahlreichen auf Dädalos
zurückgeführten statuarischen Arbeiten sah Pausanias noch einen Herakles
[* 10] zu
Theben und zu Korinth,
[* 11] eine Athene
[* 12] in Knosos u. a., lauter Holzbilder im steifen ägyptischen Stil, aber lebensvoller als die
ägyptischen Vorbilder. Auch für Zimmermann und Schiffer soll Dädalos
manches (z. B. Axt, Säge,
[* 13] Bohrer,
[* 14] Segelstangen) erfunden haben.
Dädalos
ist nicht eine historische Person, sondern ein Gesamtname, auf den das Altertum die ältesten Erzeugnisse
der Architektur, Holzschneidekunst und die nützlichsten technischen Erfindungen, deren Urheber unbekannt waren, zusammentrug.
Gerade die auf Kreta ihm zugeschriebenen Werke sind aber derart, daß sie auf einen kosmischen Bildner, auf einen Gott deuten,
wie denn der Dichter Pindaros geradezu den Namen Dädalos
für Hephästos
[* 15] setzte. Auf Ähnliches leiten die attischen
Sagen von der Abstammung des Dädalos
von Erechtheus, mit dessen Beziehungen zur Athene, auf Ähnliches endlich die wesentliche Identität
des Dädalos
mit unserm »Wieland dem Schmied«, wie sie A. Kuhn in der »Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung« (Bd.
4, S. 95) überzeugend nachweist. Auf den Denkmälern finden sich drei Szenen der Dädalossage
behandelt:
das Zimmern der hölzernen Kuh, das Anfertigen der Flügel (Relief in Villa Albani bei Rom,
[* 16] s. Abbildung) und die Katastrophe des
Ikaros, den am Ufer betrauert (häufig in pompejanischen Wandbildern).
[* 2]
^[Abb.: Dädalos
und Ikaros, Relief in Villa Albani (Rom).]