Titel
Dacier
(spr. daßjeh), 1) André, franz. Philolog, geb. zu Castres in Oberlanguedoc, studierte zu Saumur unter Tanneguy Lefèbre, ging 1672 nach Paris, [* 2] trat hier 1685 zum Katholizismus über, wurde 1695 Mitglied der Akademie der Inschriften und der französischen Akademie, die ihn 1713 auch zu ihrem ständigen Sekretär [* 3] erwählte, 1708 Bibliothekar des Königs im Louvre und starb Er hinterließ eine Ausgabe des Festus und Verrius Flaccus (Par. 1681, Amsterd. 1699) »in usum Delphini« (s. Dauphin) sowie mittelmäßige Übersetzungen des Horaz (Par. 1681-89, 10 Bde.),
der »Poetik« des Aristoteles (1697),
mehrerer Dialoge des Platon (1699, 2 Bde.),
des Epiktet (1715),
der »Lebensbeschreibungen« des Plutarch (1721, 8 Bde.) u. a.
2) Anne, die gelehrte Tochter des gelehrten Tanneguy Lefèbre und Gattin des vorigen, geboren im ¶
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März 1654 zu Saumur, kam nach dem Tod ihres Vaters 1672 nach Paris, verheiratete sich 1683 und starb, ohne daß ihre überlegene Gelehrsamkeit das Glück der Ehe getrübt hätte, Sie edierte den Kallimachos (Par. 1674), bearbeitete »in usum Delphini« den Florus (1674), Aurelius Victor (1681), Eutropius (1683),
Dictys Cretensis und Dares Phrygius (1684) und übersetzte Anakreon und Sappho (1681),
einige Stücke des Plautus (1683) und Aristophanes (1684, erste französische Übersetzung), den Terenz (1688), die »Ilias« (1699) und die »Odyssee« (Amsterd. 1708). Bekannt sind ihre Streitschriften: »Traité des causes de la corruption du goût« (1714),
worin sie Homer gegen Lamotte verteidigte, und »Homère défendu contre l'apologie du père Hardouin« (1716), worin sie den Versuch des Jesuiten Hardouin, mit wunderlichen Erklärungen Homer zu Hilfe zu kommen, zurückwies. Eine neue Ausgabe ihrer Homer-Übersetzung erschien 1850.
3) Bon Joseph, Baron, franz. Historiker, geb. zu Valognes in der Normandie, studierte Theologie, ward 1772 Mitglied der Akademie der Inschriften und 1782 deren beständiger Sekretär. Er stiftete das Komitee der Handschriften, welches die »Notices et extraits« aus den ungedruckten Werken der Pariser Bibliothek herausgab. 1784 begann er eine vollständige Ausgabe der Chronik von Froissart zu veranstalten, deren Druck aber schon während des ersten Bandes unterbrochen wurde.
Als Mitglied der Munizipalität der Stadt Paris 1790 hatte Dacier
die neue Verteilung der Steuern zu besorgen; das Finanzministerium
jedoch, das ihm Ludwig XVI., der ihn oft zu Rate zog, anbot, schlug er aus. Während der Revolution lebte er in tiefer Zurückgezogenheit
und erschien erst 1795 bei der Stiftung des Nationalinstituts, dessen Mitglied er wurde, wieder. 1800 wurde
er erster Vorsteher der Nationalbibliothek, 1802 Mitglied des Tribunats und 1823 der Akademie und starb in Paris.
Außer seiner Übersetzung des Älian (1772) und der Ausgabe der »Cyropädie« Xenophons (1777, 3 Bde.) sind zu
erwähnen: »Histoire de l'Académie des inscriptions« sowie »Rapport sur les progrès de l'histoire et de la littérature ancienne
depuis 1789 jusqu'à 1808« (1810, neue Ausg. 1862).