Culpa
(lat.),
Schuld,
Fahrlässigkeit, Unvorsichtigkeit, in der
Rechtswissenschaft jede einer
Person
zuzurechnende Widerrechtlichkeit (injuria); im engern
Sinn wird die Culpa
(Fahrlässigkeit) dem
Dolus malus (rechtswidriger Vorsatz)
entgegengesetzt.
Hat nämlich derjenige, welcher sich eine unerlaubte
Handlung oder Unterlassung zu schulden kommen ließ,
dabei eine rechtswidrige Absicht gehabt, dann hat er sich eines
Dolus schuldig gemacht; hatte er zwar
eine solche nicht gehegt, aber doch durch Vernachlässigung der nötigen Behutsamkeit, Sorgfalt, Vorsicht die Beeinträchtigung
eines fremden
Rechts herbeigeführt, dann
liegt eine Culpa
im engern
Sinn vor, während, wenn der widerrechtliche Erfolg nach
menschlicher Einsicht unter Berücksichtigung der besonderer Verhältnisse des einzelnen
Falles nicht vorhergehen oder doch
durch menschliche
Kräfte nicht abgewendet werden konnte, ein
Casus
(Zufall) vorhanden ist, für welchen
niemand einzustehen hat.
Jede widerrechtliche
Handlung aber (Culpa
im weitern
Sinn) besteht entweder in einem positiven
Thun oder in einem schuldhaften
Unterlassen (»Kommissiv- und Omissivhandlung«),
und hiernach teilt man die Culpa
im weitern
Sinn ein in Culpa
in faciendo
und Culpa
in omittendo oder non faciendo, je nachdem man durch eine positive
Handlung in eine fremde Rechtssphäre eingreift
oder durch eine pflichtwidrige Unterlassung einen andern in
Schaden bringt. Bezüglich dieser letztern Art der Culpa
ist aber
zu bemerken, daß auf dem Gebiet der
Privatrechts in der
Regel niemand verpflichtet ist,
Schaden von einem
andern abzuwenden; nur dann, wenn man durch ein besonderes Obligationsverhältnis zu einem
Thun verpflichtet ist, kann von
einem schuldhaften Unterlagen die
Rede sein.
Was die
Haftpflicht für Culpa
anbelangt, so bestimmt sich dieselbe nach dem
Grade der letztern. Dabei ist aber zu beachten, daß
auf dem Gebiet des bürgerlichen
Rechts in Ansehung des
Dolus keine verschiedenen
Grade unterschieden werden.
Vielmehr ist man hier für die vorsätzliche widerrechtliche Beeinträchtigung einer fremden Rechtssphäre unter allen Umständen
verantwortlich und zum vollen
Ersatz des verursachten
Schadens sowie zur Wiederherstellung des verletzten Rechtszustandes verpflichtet,
abgesehen von den etwanigen strafrechtlichen
Folgen der widerrechtlichen Handlungsweise.
Dagegen kommt es bei der
Frage, ob man für eine durch
Fahrlässigkeit (Culpa
im engern
Sinn) hervorgerufene Rechtsverletzung haftverbindlich
sei, auf den
Grad der Culpa
an. Dieser
Grad der Culpa
bestimmt sich nach der
Größe der Unachtsamkeit und Nachlässigkeit, und als
Maßstab
[* 2] hierfür kann man entweder die gewohnte Handlungsweise des Schuldigen selbst (relativer,
subjektiver
Maßstab, culpa
in concreto) oder die Handlungsweise andrer
Menschen (absoluter, objektiver
Maßstab) und zwar wieder
entweder eines gewöhnlichen, nicht allzu vorsichtigen
Menschen (culpa
lata
in abstracto) oder eines besonders vorsichtigen und
besonnenen
Mannes, wie die
Römer
[* 3] sagten, eines umsichtigen
Hausvaters, diligens paterfamilias (culpa
levis
in abstracto), wählen.
Man unterscheidet hiernach weiter eine grobe und eine geringe
Fahrlässigkeit (culpa
lata, levis). Je mehr Sorgfalt anzuwenden
man verpflichtet ist, für desto geringere Culpa
hat man zu haften, so daß also die zu prästierende Culpa und
die anzuwendende Sorgfalt in umgekehrtem
Verhältnis zu einander stehen. Der
Umfang der Prästationspflicht
richtet sich, mehrere römischrechtliche Singularitäten ausgenommen, einesteils danach, ob man zu dem Benachteiligten in
einem obligatorischen
Verhältnis steht und in welchem, und sodann, ob
man in einem solchen Obligationsverhältnis wesentlich
Lasten übernommen oder mehr Vorteile zu erwarten hat. Hiernach haftet der, welcher von dem Rechtsverhältnis, aus welchem
seine Verpflichtung entspringt, keinen Vorteil hat,
nur für grobe Nachlässigkeit (culpa
lata), z. B. der
Depositar; es sei denn, daß er sich zu dem
Geschäft hinzugedrängt hätte. Derjenige aber, welcher aus dem betreffenden
Geschäft
einen Vorteil zieht, haftet für alle und jede
Fahrlässigkeit, auch für culpa levis (omnis culpa). Allgemeine
Regel ist
ferner, daß, wenn derjenige, welcher
¶
mehr
in einem Rechtsverhältnis für alle Schuld einzustehen hat, entweder nur seine eignen Sachen oder nur die Sachen des andern gegen Beschädigung oder Untergang zu schützen vermag, er zunächst für die letztern sorgen muß. Bezüglich des Beweises des Verschuldens gelten die allgemeinen Beweisregeln, so daß also eine Schuld nicht vermutet wird und jeder, der einen Anspruch auf eine behauptete Schuld gründet, solche auch zu beweisen hat. Manche Rechtslehrer treten übrigens für eine Dreiteilung der Culpa ein, indem sie zu der Culpa lata und Culpa levis noch eine Culpa levissima, ein ganz geringes Verschulden, hinzufügen, wie denn auch das preußische Landrecht zwischen grobem, mäßigem und geringem Verschulden unterscheidet.
Unter letzterm ist eine Schuld zu verstehen, welche nur bei vorzüglichen Fähigkeiten oder bei besonderer Kenntnis der Sache oder des Geschäfts oder durch eine ungewöhnliche Anstrengung der Aufmerksamkeit vermieden werden konnte. Über die Folgen der Culpa in strafrechtlicher Beziehung vgl. Fahrlässigkeit. Die wichtigste Monographie über die zivilrechtliche Culpa ist Hasse, Die Culpa des römischen Rechts (Kiel [* 5] 1815; 2. Ausg. von Bethmann-Hollweg, Bonn [* 6] 1838).