Titel
Cromwell
,
1)
Thomas Cromwell
,
Graf von
Essex, engl. Staatsmann, geb. 1498 zu
Putney, Sohn eines Grobschmiedes, aber aus guter
Familie stammend, reiste längere Zeit in
Italien,
[* 2] trat dann um 1525 in die
Dienste
[* 3] des
Kardinals
Wolsey, gewann nach dessen
Sturz
die
Gunst
Heinrichs VIII., wurde im Juli 1536 zum
Baron Cromwell
von Okenham sowie zum
Staatssekretär und
Großsiegelbewahrer
ernannt und als
Generalvikar Stellvertreter des
Königs mit der absoluten
Gewalt über die
Kirche, deren Umwandlung in des
Königs
Sinn er durchführte; sein Vorgehen gegen die Klöster verschaffte ihm den Beinamen
»Hammer
[* 4] der
Mönche«. Cromwell
wurde
nun der
Führer der eigentlich protestantischen
Partei am
Hof
[* 5]
Heinrichs und vermittelte, 1539 zum
Grafen von
Essex erhoben, dessen
Ehe mit
Anna von
Kleve, um dadurch
Verbindungen mit den deutschen
Protestanten anzuknüpfen. Allein die
Intrigen der katholischen
Partei unter dem
Herzog von
Norfolk und
Bischof
Gardiner sowie des
Königs Widerwille gegen die ihm von Cromwell
aufgedrungene
Ehe führten den
Sturz des
Ministers herbei; Cromwell
wurde, des
Hochverrats und der Ketzerei angeklagt, zum
Tod verurteilt und hingerichtet.
2) Oliver,
Protektor der vereinigten
Republik
England,
Schottland und
Irland, geb. zu.
Huntingdon in bescheidenen Verhältnissen,
obwohl seine
Familie väterlicherseits mit dem vorigen, mütterlicherseits mit den
Stuarts verwandt war.
In der
Familie wurde eine puritanische
Frömmigkeit und Sittenstrenge geübt, welche sich früh auf Cromwell
übertrug. Die Gerüchte
von einer leichtsinnigen, wüsten
Jugend Cromwells
sind durchaus grundlos.
Nachdem er ein Jahr in
Cambridge studiert und einige
Zeit in
London
[* 6] zugebracht hatte, vermählte er sich mit
Elisabeth Bourchier, der Tochter eines
Londoner
Bürgers, und bewirtschaftete seine
Güter in St.
Ives und
Ely, besuchte dabei aber eifrig die Versammlungen der
Puritaner. 1628 wurde
er ins
Parlament gewählt, wo er sowohl durch seine politischen und religiösen
Gesinnungen als durch seine
Verwandtschaft
mit J.
^[John]
Hampden in die
Reihen der Oppositionshäupter geführt wurde.
Während der folgenden elf Jahre der königlichen Selbstregierung lebte er wieder auf seinem
Gut, gewann aber unter den
Puritanern
einen immer steigenden Einfluß. So wurde er auch in die 1640 berufenen
Parlamente gewählt, wo er durch feurige, schwärmerische
Reden trotz seiner plumpen
Erscheinung Aufsehen erregte. Als der
Krieg zwischen König und
Parlament ausbrach,
legte Cromwell
zuerst als
Kapitän eines Reitertrupps, dann als Oberst eines
Regiments glänzende Proben seiner Begabung ab. Im
Gegensatz
zur Halbheit der meisten hatte er ein klares
Bewußtsein von der Tragweite seines Entschlusses: nötigenfalls, sagte er,
müsse der König niedergeschossen werden.
Da er einsah, daß die Kavaliere des Königs den sich aus den untern Volksschichten zusammensetzenden Truppen des Parlaments überlegen waren, suchte er ein gesinnungstüchtiges, von politischer und religiöser Überzeugung getragenes Heer zu bilden und schuf eine Anzahl von Musterkompanien aus den ihm ergebenen Puritanern, welche die strengen Gewohnheiten ihrer Versammlungen ins Lager [* 7] brachten und daher als »Heilige« verspottet wurden, aber für die Sache der Freiheit mit Gut und Blut einstanden.
Mit diesen
Truppen brachte er bei
Marston-Moor den bisher unbesiegten
Kavalieren des
Prinzen
Ruprecht eine
Niederlage
bei und hatte den Hauptanteil an dem
Sieg von
Newbury über den König dessen Vorteile aber
wegen der matten Verfolgung des Obergenerals, des
Grafen von
Manchester,
[* 8] nur gering waren.
Um so entschiedener trat Cromwell
im
Parlament
für energischere Kriegführung ein und bewirkte durch die sogen. Selbstverleugnungsbill vom
April 1645, wonach kein Parlamentsmitglied ein bürgerliches oder militärisches
Amt bekleiden durfte,
den Rücktritt der bisherigen
Generale, während er selbst durch eine Ausnahmebestimmung das
Kommando der
Reiterei, den zweiten
Posten in der
Armee unter
Fairfax, behielt.
Mit dem in puritanischem
Sinn reorganisierten
Heer erfocht Cromwell
den glänzenden
Sieg bei
Naseby, worauf
Karl I.
im April 1646 ins
Lager der
Schotten floh, 1647 aber an das englische
Parlament ausgeliefert und auf
Schloß Holmby gefangen
gesetzt wurde. Indem es nun alsbald zu einem
Konflikt zwischen dem presbyterianischen
Parlament und der independentistischen
Armee kam, welche es ablehnte, sich auflösen oder nach
Irland verschicken zu lassen, und sich wahrscheinlich
mit
Willen und
Wissen Cromwells
der
Person des
Königs bemächtigte traten
Fairfax und Cromwell
mehr und mehr an die
Spitze
des
Staats und rückten 6. Aug. in
London ein, um die vor den
Presbyterianern geflohenen Mitglieder des
Parlaments in dasselbe zurückzuführen.
Die
Verhandlungen mit dem König brach Cromwell
, nachdem
Karl auf die
Insel
Wight geflohen war, ab, da er durch
Fortsetzung derselben seine
Popularität im
Heer zu verlieren fürchtete, und im
Januar 1648 wurde auf sein Betreiben ein Exekutivausschuß
für
England vom
Parlament gewählt, dessen einflußreichstes Mitglied Cromwell
ward. Royalistische
Aufstände, die im Frühjahr 1648
¶
mehr
ausbrachen, schlugen Fairfax, Ireton und Cromwell
nieder; letzterer besiegte erst die Empörer in Wales, schlug dann ein schottisches
Heer, das zur Befreiung Karls herbeimarschiert war, 17.-19. Aug. 1648 bei Preston, rückte in Schottland ein, drang bis Edinburg
[* 10] vor und nötigte die Schotten, Frieden zu schließen. Die Verhandlungen, welche das Parlament inzwischen
mit dem König aufgenommen hatte, und die ihrem Abschluß nahe waren, riefen nach Cromwells Rückkehr aus Schottland neue Gewaltmaßregeln
des Heers hervor: der König wurde auf das Felsenschloß Hurst gebracht und 6. und 7. Dez. das Parlament durch Ausstoßung aller
presbyterianischen Mitglieder gefügig gemacht. Im Januar 1649 beschloß das »Rumpfparlament« die Anklage
Karls wegen Hochverrats vor einem eigens gebildeten Gerichtshof, dem Cromwell angehörte; am 25. Jan. wurde der König zum Tod verurteilt
und am 30. hingerichtet.
In dem Staatsrat der nun begründeten englischen Republik spielte Cromwell die wichtigste Rolle, begab sich aber schon im Juli 1649 als Generalgouverneur nach Irland, wo protestantische und katholische Royalisten den Prinzen von Wales als König Karl II. proklamiert hatten. Nachdem die Erhebung mit entsetzlicher Härte und Grausamkeit niedergeworfen war, überließ Cromwell die Unterwerfung der letzten Reste der Rebellion seinem Schwiegersohn Ireton und eilte 1650 nach Schottland, wohin sich Karl II., als König anerkannt, begeben hatte. Cromwell schlug die Schotten 3. Sept. d. J. bei Dunbar entscheidend aufs Haupt, nahm Edinburg und Perth verfolgte dann Karl, der mit 14,000 Mann in England eingefallen war, und vernichtete durch die Schlacht bei Worcester das royalistische Heer vollkommen.
Inzwischen war die neue Republik mit den Niederlanden, wo man für die den Oraniern verwandten Stuarts viel Sympathie hatte, in Konflikt geraten, und nach der Navigationsakte vom 9. Okt. d. J., welche dem holländischen Handel eine tödliche Wunde schlug, kam es zum Krieg, in welchem Cromwells Gesinnungsgenosse, Admiral R. Blake, gegen die holländischen Seehelden Tromp und de Ruyter 1653 glorreiche Siege erfocht. Schon vorher war Cromwell nach London zurückgekehrt, nach seinen schottischen Siegen [* 11] ohne Frage der mächtigste Mann des Staats. Er verlangte die Auflösung des Rumpfparlaments und die Wahl einer wirklichen Vertretung des Volkes, und als die Mitglieder des Rumpfparlaments ohne Rücksicht auf seine Forderungen sich einen maßgebenden Einfluß auf die Zusammensetzung des neuen Parlaments sichern wollten, ließ er dieselben 20. April durch Musketiere auseinander sprengen; er selbst trat an die Spitze der neuen Exekutivbehörde. Am trat eine vom Rate der Offiziere ausgewählte Versammlung von independentistischen Notabeln, das sogen. kleine oder Barebone-Parlament, zusammen, löste sich aber schon im Dezember wieder auf.
Nun wurde 16. Dez. eine neue, vom General Lambert redigierte Verfassung proklamiert, welche Cromwell als »Lordprotektor«
auf Lebenszeit die oberste Staatsgewalt übertrug, die er gemeinsam mit einem zu erwählenden Parlament ausüben sollte. Die
neue Regierung des Protektors errang nach außen hin glänzende Erfolge: den Niederlanden ward 1654 ein
höchst günstiger Friede abgenötigt;
mit Dänemark [* 12] und Schweden [* 13] wurden Handels- und Freundschaftsverträge geschlossen;
die Sache der vom Herzog von Savoyen verfolgten protestantischen Waldenser erhielt von Cromwell kräftigste Unterstützung;
ein in Gemeinschaft mit Frankreich unternommener Krieg gegen Spanien [* 14] führte zu neuen glänzenden Seesiegen, zur Eroberung Jamaicas und zur Einnahme Dünkirchens durch die Engländer;
überall warf England sein Gewicht als europäische Großmacht in die Wagschale. Im Innern hielt eine strenge Militärherrschaft die Ordnung aufrecht;
das Reich wurde in zwölf Militärbezirke geteilt, an deren Spitze je ein Generalmajor die Ruhe sicherte;
religiöse Verfolgungen wurden nicht geduldet.
Aber eine rechte Konsolidation der innern Verhältnisse vermochte Cromwell trotz aller Bemühungen nicht herbeizuführen. Sein erstes, unbotmäßiges Parlament löste er nach kaum fünf Monaten auf. Mit dem zweiten, das zusammentrat, kam er nur dadurch aus, daß er an 100 gewählte Mitglieder wegen mangelnder moralischer Qualifikation ausschloß. Das so gereinigte Parlament bot ihm die Königskrone an und gewährte ihm, als Cromwell dieselbe nach längerm Schwanken auf Andrängen der Oberoffiziere ausschlug, eine bedeutende Verstärkung [* 15] seiner Amtsgewalt durch das Recht, seinen Nachfolger zu ernennen und ein Oberhaus zu bilden.
War aber schon die Zusammensetzung des Oberhauses schwierig, indem bei der Zurückhaltung des Adels zum Teil Leute niedern Standes gewählt werden mußten, so war es noch schlimmer, daß nach dem Zusammentritt beider Häuser im Januar 1658 die Gemeinen dem Oberhaus überhaupt die Anerkennung verweigerten. Cromwell mußte das Parlament 4. Febr. d. J. auflösen; er that es mit den Worten: »Gott sei Richter zwischen euch und mir!« So war der Friede im Innern nicht hergestellt, als Cromwell, der in der letzten Zeit wiederholentlich von Anschlägen auf sein Leben bedroht wurde und mehrfaches Familienunglück erlitt, starb, nachdem er seinen Sohn Richard zu seinem Nachfolger ernannt hatte.
Seine und seiner Angehörigen Leichen wurden von den Stuarts nach ihrer Rückkehr ausgegraben und an den Galgen gehängt; die Nachwelt aber ist zu dem Urteil gelangt, daß Cromwell einer der wesentlichsten Begründer von Englands Größe und einer der hervorragendsten Staatsmänner aller Zeiten gewesen ist. Eine Statue (von Noble) wurde ihm zu Manchester errichtet. Zum Helden eines Dramas machten ihn Raupach (»Cromwells Ende«, 1834),
Palleske (1857),
Brachvogel (»Der Usurpator«, 1860) u. a. Die Briefe und Staatsschriften Cromwells sind von Carde 1737, von Nicols 1743, in neuester Zeit, mit den Reden, von Th. Carlyle (neue Ausg. 1871, 5 Bde.) herausgegeben worden.
Vgl. Villemain, Histoire de Cromwell (Par. 1819, 2 Bde.; deutsch, Leipz. 1830);
O. Cromwell (ein Nachkomme des Protektors), Memoirs of the protector Oliver and of his sons, Richard and Henry (Lond. 1820);
Vaughan, The protectorate of Oliver Cromwell (das. 1838);
Merle d'Aubigné, Le [* 16] protecteur, ou la république d'Angleterre aux jours de Cromwell (Par. 1848; deutsch von Merschmann, Elberf. 1859);
Guizot, Histoire de la république d'Angleterre et de Cromwell (2. Aufl., Par. 1870; deutsch, Leipz. 1853);
Andrews, Life of Oliver Cromwell (Lond. 1868);
Sträter, Oliver Cromwell (Leipz. 1871);
R. Pauli im »Neuen Plutarch«, Bd. 1 (Leipz. 1874).
3) Richard, der älteste Sohn des vorigen, geb. war still auf dem Land erzogen, frei von allem Ehrgeiz, nahm die Würde als Protektor an, erkannte aber bald das Mißliche seiner Stellung. Als sich das vom Kriegsrat eigenmächtig berufene, von Oliver Cromwell gesprengte lange, sogen. Rumpfparlament als die höchste Staatsgewalt konstituierte, legte er seine Würde freiwillig nieder ¶
mehr
und zog sich auf sein Landgut zurück. Bei der Thronbesteigung Karls II. ging er nach Frankreich, kehrte jedoch um 1680 zurück und lebte unter dem Namen Clark zu Cheshunt in der Grafschaft Hertford. Er starb 1712. -
Sein jüngerer Bruder, Henry, war seit 1654 Statthalter von Irland, legte aber nach der Abdankung seines Bruders diese Würde ebenfalls nieder und starb 1674 in Zurückgezogenheit in England.
Vgl. Guizot, Histoire du protectorat de Richard Cromwell (2. Aufl., Par. 1869; deutsch, Leipz. 1857).