Costarica
(span., »reiche Küste«),
der südlichste der mittelamerikan. Freistaaten (s. Karte »Westindien [* 2] und Zentralamerika«),
liegt zwischen 8° und 11° 16' nördl. Br. und 82° 40' und 84° 50' westl. L. v. Gr., auf der Landenge zwischen dem Großen Ozean und dem Karibischen Meer, nördlich begrenzt von Nicaragua [* 3] und südlich vom Staat Panama. Die Grenze gegen Nicaragua geht von Punta de Castilla an den Fluß San Juan aufwärts bis 3 engl. Meilen unterhalb Castillo, hält sich von da an in einer Entfernung von 2 engl. Meilen vom Fluß und dem Nicaraguasee und geht schließlich vom Sapoa (Nebenfluß des Sees) in gerader Linie zur Salinasbai.
Die
Grenze gegen
Panama
(Vertrag von 1856) verläuft von der
Punta Burica am
Stillen
Ozean zur
Quelle
[* 4] des Dorces (Dóraces) und
diesen
Fluß abwärts zum
Karibischen
Meer. Dieser
Fluß entsteht indes gar nicht in den
Kordilleren, sondern ist identisch mit
dem unbedeutenden Küstenflüßchen
Hone, welches in 82° 48' westl. L. v. Gr. mündet.
Der Flächeninhalt beträgt 51,760 qkm (941 QM.), wovon jedoch der größte Teil noch unerforscht
und unbewohnt ist. Der Oberflächengestaltung nach ist Costarica
ein verhältnismäßig schmales Gebirgsland, das
auf beiden Seiten von Küstenlandschaften begrenzt ist und in der Mitte ein
Tafelland oder zentrales
Hochland
enthält.
Letzteres wird von einer doppelten Gebirgskette (im Durchschnitt gegen 2000 m hoch) gebildet, welche von Veragua her in nordwestlicher Richtung das Land durchzieht und im SO. des Sees von Nicaragua sich weiter gegen NW. fortsetzt. Tiefe Paßeinsenkungen fehlen den Ketten, und die Abfälle sind nach dem Stillen Ozean zu steil, während sie sich zum Atlantischen Meer hinab ziemlich sanft senken. Beide Ketten stehen durch Querjoche, die das Thalland zwischen ihnen in mehrere Abteilungen teilen, öfters in Verbindung.
Von den einzelnen Gipfeln, welche das Tafelland umgürten und die zum großen Teil noch thätige Vulkane [* 5] sind und häufige Erdbeben [* 6] veranlassen, sind die bedeutendsten: der Pico blanco oder Nemu (2942 m hoch), anscheinend ein ungeöffneter Trachytkegel im Südostteil des Landes;
der 3459 m hohe Turialba und der 3505 m hohe Irazu (Vulkan von Cartago), zwei thätige Feuerberge in der Gegend von Cartago;
nördlicher der 2652 m hohe Barba und der schwefelreiche Poas oder Votos (2711 m hoch), wiederum Vulkane, und noch mehr nordwestlich, im S. des Nicaraguasees, die isolierten vulkanischen Kegel Tenorio und Miravalles (1432 m), Rincon de la Vieja und Orosi (1585 m hoch).
Die Ostküste des Landes ist fast ganz unentwickelt und einförmig; an der Westseite finden sich die größern Buchten: Golfo Dulce und die Nicoyabai. Von den Flüssen sind auf größere Strecken schiffbar der San Juan und seine Nebenflüsse San Carlos und Sarapiqui (Sucio) sowie der in den Nicaraguasee mündende Rio [* 7] Frio. Die übrigen sind selbst mit Einschluß des von der Hochebene dem Stillen Ozean zueilenden Rio Grande entweder gar nicht oder doch nur auf unbeträchtliche Strecken schiffbar; auch sind sie nur in gewissen Jahreszeiten [* 8] wasserreich und wie alle Gebirgswasser reißend und von sehr ungleicher Tiefe, mit bald verengertem, bald erweitertem Bette. Das Klima [* 9] ist nach der Lage der ¶
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Landstriche verschieden, heiß und mehr oder weniger ungesund an den zum großen Teil sumpfigen Küsten (mittlere Temperatur
25-30° C.), dagegen schön, gemäßigt und gesund auf der Höhe des Tafellandes, der glücklichsten Region von Costarica
, wo das Thermometer
[* 11] 27° C. nicht übersteigt und im Durchschnitt 17° steht. Beschwerlich ist hier nur die Regenzeit, welche
im April beginnt und erst Ende November abläuft, und während welcher die Wege, selbst die Hauptstraßen, welche die Züge
von mit Ochsen bespannten Carretas (zweiräderigen, plumpen Wagen) einzuschlagen haben, fast völlig unpassierbar sind.
Mit Eintritt der Nordstürme, welche immer den Eintritt der trocknen Jahreszeit verkünden, werden die Gewitter seltener. Der Metallreichtum des Landes ist nicht groß, obschon Gold, [* 12] Silber, Kupfer [* 13] und Blei [* 14] an vielen Stellen gefunden werden und auch Steinkohlen vorkommen. Die prächtigen Urwälder enthalten eine Fülle der herrlichsten Luxus- und Farbhölzer und liefern kostbare Gummiarten, Vanille, Sassaparille etc. Im allgemeinen ist die Vegetation auf der östlichen Seite großartiger als am Westfuß der Kordilleren.
Die Tierwelt, welche die Urwälder bevölkert, ist besonders an Mammalien und Vögeln sehr reich. Unter erstern sind der Tapir, Jaguar und Kuguar, allerlei Affen, [* 15] das Nabelschwein, der amerikanische Hirsch, [* 16] das Armadill etc. hervorzuheben; unter letztern finden sich namentlich Papageien, Tukane, Hokkohühner, Löffelreiher, Turteltauben, Trompetenvögel etc., auf dem Hochland Aasgeier, rothaubige Spechte, Wachteln, Regenpfeifer, Falken etc. Große und gefährliche Schlangen [* 17] sind zahlreich vorhanden, ebenso Insekten [* 18] in unermeßlicher Fülle; doch sind letztere auf der Westseite schöner als an der Ostküste.
Die Zahl der Bewohner betrug nach der Zählung von 1874: 185,000, jetzt (1885) etwa 200,000; die Zahl der unabhängigen Indianer dürfte 300 nicht überschreiten. Die Bewohner stehen im Ruf der Arbeitsamkeit, Fähigkeit und einer milden, freundlichen Gesinnung. Sie sind der großen Mehrheit nach unvermischt spanischer Rasse. Die Hauptmasse der Bevölkerung [* 19] bewohnt die Hochebene von San José oder Cartago und das Thal [* 20] des Rio Grande. Staatsreligion ist die römisch-katholische, aber alle andern Konfessionen [* 21] sind geduldet. Für Volksbildung sorgen die ärmlich ausgestattete Universität von San José, zwei Lyceen und (1883) 925 Elementarschulen mit zusammen 13,924 Schülern.
Hauptbeschäftigung bildet der Landbau und zwar vorzüglich die seit 1832 eingeführte Kultur des Kaffees, für welchen der Boden ganz besonders geeignet erscheint, und der noch bis jetzt das Haupthandelsprodukt ist. Kaffee wird bis zu mehr als 800 m, Tabak [* 22] über 1600 m kultiviert, Mais und Bohnen im ganzen Land, Kakao, Zuckerrohr und Bananen in den Tiefebenen. Viehzucht [* 23] wird besonders auf den Savannen und Catingas (mit vereinzelten Bäumen und Büschen besetzten Wiesenflächen) in den Departements Guanacaste und Alajuela betrieben. Von Metallen wird nur Gold (in den Minen von Monte Aguacate) ausgebeutet, und 1829-80 wurden aus dem im Land gewonnenen Gold 2,351,807 Pesos Goldmünzen geprägt. Die Industrie ist noch ganz unbedeutend. Die Branntweinbrennerei und der Tabaksbau sind Monopol der Regierung.
Der Handel ist recht bedeutend. Die Einfuhr belief sich 1883 auf 2,081,805 Pesos, darunter deutsche Waren (Baumwollen- und Wollenstoffe, Kurzwaren, Modeartikel) für 60,000 Pesos. Die Ausfuhr betrug 2,431,636 Pesos, einschließlich von 9,204,490 kg Kaffee im Wert von 2,000,593 Pesos. Außerdem wurden ausgeführt: Kautschuk, Rindshäute, Rehfelle, Bananen, Perlmutter, Schildpatt, Gold etc. Etwa die Hälfte der gesamten Ausfuhr geht nach England, nach Deutschland [* 24] für 264,000 Pesos.
In den beiden Häfen Punta Arenas und Limon liefen 1883: 174 Schiffe [* 25] von 256,911 Ton. Gehalt ein, darunter 92 nordamerikanische von 146,549 T., 62 englische von 99,841 T. und nur 5 deutsche von 2198 T. Für die Herstellung von Landstraßen ist bis in die neueste Zeit nur wenig geschehen. Indes führt eine 114 km lange Eisenbahn von Limon bis Carillo am Rio Sucio und soll von dort bis nach Alajuela (69 km) weitergebaut werden. Alajuela steht bereits mit San José und Cartago durch eine 42 km lange Eisenbahn in Verbindung, deren Fortsetzung bis nach Punta Arenas noch Projekt ist. Die Telegraphenleitungen haben eine Länge von 585 km. -
Landesmünze ist der Peso zu 100 Centavos, wovon 1000 gleich 975 amerikanischen Dollars sind. Maße und Gewichte sind die altkastilischen, mit Ausnahme der Cajuela, die gleich 0,687 Lit. ist.
Die Verfassung von 1859, seitdem mehrfach abgeändert, ist noch immer in Kraft.
[* 26] Der Präsident, die Senatoren
(je zwei für jedes der fünf Departements) und die Abgeordneten werden durch Wahlmänner auf vier Jahre gewählt. Urwähler
ist jeder Bürger, der eine »anständige Existenz« hat. Der Präsident ernennt die fünf Mitglieder seines Kabinetts und sämtliche
Beamte. Costarica
wird in fünf Departements (San José, Heredia, Alajuela, Cartago und Guanacaste) und die Comarca
von Punta Arenas eingeteilt.
San José ist Hauptstadt. Die Staatseinnahmen beliefen sich 1883/84 auf 1,586,561 Pesos (Zölle 407,740 Pesos, Branntweinmonopol 446,435 Pesos, Tabaksmonopol 122,058 Pesos), die Ausgaben auf 1,985,426 Pesos (Kriegsdepartement 252,480 Pesos, öffentliche Arbeiten 341,440 Pesos). Die Eisenbahn brachte 85,090 Pesos ein, kostete aber für Verwaltung und Weiterbau 189,917 Pesos, und auch Post und Telegraph [* 27] erforderten Zuschüsse aus der Staatskasse. Das Nationaleigentum (öffentliche Gebäude, Schulen, Kasernen, Eisenbahnen etc.) repräsentierte 1884 einen Wert von 11 Mill. Pesos; dagegen betrug die innere Schuld 795,344 Pesos (außerdem waren 578,000 Pesos Papiergeld im Umlauf) und die äußere Schuld 12 Mill. Pesos, ungerechnet von seit 1872 rückständigen Zinsen im Betrag von 7,396,075 Pesos. Die bewaffnete Macht soll alle Männer von 18 bis 55 Jahren begreifen und besteht aus einer stehenden Armee von 116 Offizieren, 85 Musikern und 277 Mann, einer Operationsarmee (Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren) von 14,930 Mann, einer Reserve von 5641 Mann und einer Nationalgarde von 3300 Mann, zusammen 2485 Offizieren und 21,864 Mann. Die Flagge besteht aus 5 Streifen: blau, weiß, rot (doppelte Breite [* 28] der andern), weiß, blau (s. Tafel »Flaggen [* 29] II«). [* 30]
Das Land wurde von Kolumbus entdeckt und von ihm Costa Rica y Castilla de Oro genannt, weil er
an verschiedenen Stellen von den Eingebornen mit Goldstückchen beschenkt worden war. Die ersten spanischen Niederlassungen
waren Fonseca in Chiriqui (1523) und Brusellas am Golf von Nicoya. Beide wurden aber bald wieder verlassen.
Der erste wahre Eroberer des Landes, welcher dasselbe zum größten Teil durchzog, war Juan Vasquez de Coronado (1561-65). Derselbe
gründete 1563 Cartago in der Nähe der heutigen Stadt; 1578 wurde Esparza gegründet. 1821 erfolgte die Unabhängigkeitserklärung,
der Sitz der Regierung ward nach San José verlegt, und Costarica
war fortan einer der Vereinigten
[* 31]
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Staaten von Mittelamerika, bis es sich 1840 von der Union lossagte und durch ein Staatsgrundgesetz vom April 1848 als unabhängiger
Staat konstituierte. Gegen Ende 1848 hatte der Staat einen Aufstand der Indianer zu bekämpfen und Ende 1850 einen Krieg mit Honduras
[* 33] zu führen. Unter innern Streitigkeiten hatte Costarica
verhältnismäßig wenig zu leiden. Länger dauernde
Unruhen entstanden erst, als der 1850 zum Präsidenten erwählte Juan Rafael Mora zum viertenmal an die Spitze der Regierung
berufen wurde.
Eine Koalition der Liberalen und der Fremden, besonders der Engländer und Deutschen, deren wachsendem Einfluß Mora entgegengetreten war, stürzte ihn worauf der Arzt José Maria Montalegre zum Präsidenten ernannt und eine neue Konstitution eingeführt wurde. Mora suchte zwar mit Hilfe des Präsidenten von San Salvador sich der Gewalt wieder zu bemächtigen, wurde aber überwältigt und nach kriegsgerichtlichem Spruch erschossen Von 1863 bis 1866 war Jesus Jimenes Präsident, der auch, als sein Nachfolger José Maria Castro 1868 durch eine Revolution gestürzt wurde, wieder die Regierung in die Hand [* 34] nahm.
Doch mußte er im April 1870 zurücktreten, worauf zuerst Bruno Carranza, aber schon im Oktober Thomas Guardia Präsident wurde. Derselbe blieb mit wenigen Unterbrechungen (1876 war Esquirol, 1877 Herrera auf wenige Monate Präsident) bis zu seinem im Juli 1883 erfolgten Tod Präsident der Republik, da er meist als Diktator regierte. Er führte den obligatorischen und unentgeltlichen Unterricht sowie die allgemeine Wehrpflicht ein, brachte aber durch den schlecht geleiteten Eisenbahnbau [* 35] und mangelnde Sparsamkeit die Finanzen des Staats in eine üble Lage.
Nach seinem Tode trat Prospero Fernandez an die Spitze des Staats.
Vgl. Wagner, Die Republik Costarica
(Leipz. 1856);
M. de Peralta, Costarica
, its
climate, constitution etc. (Lond. 1873);
Derselbe, Costarica
, Nicaragua y Panama (Madr. u. Par. 1883);
Costarica
Fernandez, Documentos para
la historia de Costarica
(San José, 3 Bde.);
Polakowsky im »Ausland« 1883 und in »Petermanns Mitteilungen« 1883 u. a.;
B. A. Thiel, Lenguas y dialectos de los Indios de Costarica
(San José 1882);
Karte von Friederichsen (Hamb. 1876).