Coriolānus,
der
Beiname,
den der röm.
Patricier Gnäus Marcius nach den röm. Geschichtsbüchern für die 493 v.Chr.
durch seine Tapferkeit herbeigeführte Eroberung
Coriolis erhielt, eines wichtigen Waffenplatzes der
Volsker. Als Hungersnot
das
Volk bedrückte, riet er im Senat dazu, die aus
Sicilien angelangten Getreidevorräte den
Plebejern
vorzuenthalten, wenn sie sich nicht zur Abschaffung des erst 3 Jahre vorher errungenen
Tribunats verständen. Die
Tribunen
luden ihn hierauf vor die plebejische
Volksversammlung, die damals zuerst zum Gericht über einen
Patricier zusammengerufen
wurde. Coriolanus
ward verurteilt und ging zu seinem Gastfreunde, dem Könige der
Volsker,
Attius
Tullius, nach
Antium ins Exil.
Als nun anläßlich der Feier der
Circensischen Spiele die
Volsker mit
Attius nach
Rom
[* 2] strömten, warnte letzterer nach einer
zwischen ihm und Coriolanus
getroffenen Verabredung die Konsuln vor einem angeblichen Handstreiche der
Volsker. Infolgedessen wurden
die
Volsker genötigt, vor
Anbruch der Nacht
Rom zu verlassen, und erklärten wegen dieser
Beleidigung
Rom
den
Krieg. Coriolanus
, neben
Attius
Tullius zum Feldherrn erwählt, eroberte 488 die röm.
Kolonie Circeji, drang siegreich durch ganz
Latium vor und lagerte
sodann fünf Milien vor
Rom bei den Cluilischen
Gräben, von wo aus er die
Äcker der
Plebejer verwüsten
ließ, während er die der
Patricier schonte.
Die
Plebejer weigerten sich zu den Waffen
[* 3] zu greifen, da sie die
Patricier im Einverständnis mit ihrem Standesgenossen wähnten;
so sandte in der Bedrängnis der Senat fünf Konsulare an Coriolanus
, die ihm den Beschluß, daß seine
Verbannung aufgehoben sei,
überbrachten. Aber Coriolanus
verlangte auch die Zurückgabe alles bis dahin den
Volskern abgenommenen
Landes
und gewährte eine Frist von 33
Tagen. Am 31.
Tage kamen zehn Konsulare zu ihm; doch Coriolanus
gab nichts von seiner Forderung nach.
Als am folgenden
Tage auch die Priester ihn vergeblich angefleht hatten, stieg die Verzweiflung in
Rom aufs äußerste. Da
zogen am dritten
Tage die edelsten Frauen, geführt von Coriolanus'
greiser
Mutter Veturia und seiner Gattin Volumnia,
die seine beiden kleinen
Söhne an der
Hand
[* 4] hatte, in das Lager.
[* 5] Durch die
Thränen seiner
Mutter ward sein Trotz gebeugt. «Du
hast zwischen dem Vaterlande und deinem
Sohne gewählt; ich entsage der Rückkehr», sprach er zu ihr,
und führte das volsk.
Heer zurück.
Die Erzählung, daß er hierauf sogleich von den erbitterten
Volskern ermordet worden sei, und eine andere, daß er sich selbst
den
Tod gegeben habe, beruht auf einer spätern Umbildung der ältern Sage. Nach den ältern
Quellen lebte er unter den
Volskern
noch lange und ist erst als
Greis, oft über das Elend der
Verbannung klagend, gestorben. Die Erzählung von Coriolanus
ist ganz unhistorisch:
sie widerspricht in vielen Punkten direkt feststehenden
Thatsachen. Plutarch hat Coriolanus'
Leben beschrieben;
Shakespeare sein
Schicksal
in einer
Tragödie behandelt. –
Vgl. Mommsen, Die Erzählung von Gn.
Marcius Coriolanus
(im «Hermes»,
[* 6] Bd.
4, Berl. 1869, und in den
«Röm. Forschungen», Bd. 2, ebd. 1879).