Comte
(franz., spr. kongt, v. lat. comes), Graf. ^[= # (lat. Comes, franz. Comte, engl. Earl, ital. Conte), ein Wort von unbestimmter Abstammung, zuerst ...]
Comte
2 Seiten, 1'407 Wörter, 10'047 Zeichen
Comte
(franz., spr. kongt, v. lat. comes), Graf. ^[= # (lat. Comes, franz. Comte, engl. Earl, ital. Conte), ein Wort von unbestimmter Abstammung, zuerst ...]
Comte
(spr. kongt), 1) Isidore Marie Auguste François Xavier, der Begründer der sogen. positiven Philosophie, geb. zu Montpellier, [* 3] war Zögling der polytechnischen Schule, Mathematiker, Saint-Simonist und (1820) Mitarbeiter am »Organisateur«, wurde nach seinem Bruch mit dem Saint-Simonismus (1822) Mitarbeiter an dem neugegründeten Blatt [* 4] »Le [* 5] Producteur«, dann Repetent an der polytechnischen Schule (1832), Examinator für die Aufnahmszöglinge (1837), wurde, als er seit 1843 zu letzterer Stelle nicht wieder ernannt worden war und dadurch sein bescheidenes Einkommen verlor, von einer Gesellschaft in England lebender Verehrer seiner Schriften, unter denen sich Stuart Mill und der Bankier und Geschichtschreiber George Grote befanden, durch eine ansehnliche Jahrespension zu der Fortsetzung seiner Arbeiten in stand gesetzt und starb, nachdem seine Vorlesungen über die Geschichte der Humanität (seit 1849), durch welche er, von der Liebe zu Clotilde de Vaux begeistert, der Apostel einer Religion der Humanität zu werden hoffte, von der Regierung (1851) untersagt worden waren, in Paris. [* 6]
Seine Lehre [* 7] legte er zuerst in dem »Plan des travaux scientifiques nécessaires pour réorganiser la société« (Par. 1822; neue Aufl., das. 1824 u. d. T.: »Système de philosophie positive«),
dann in seinem Hauptwerk: »Cours de philosophie positive« (das. 1839, 6 Bde.; 4. Aufl. 1881),
nieder. Dieselbe, von ihm selbst »positive
Philosophie« genannt (daher seine in
Frankreich,
England,
Belgien
[* 8] zerstreuten
Anhänger sich »Positivisten« nennen), ist eine
Kombination von (aus seiner mathematischen Bildungsepoche
stammendem) Empirismus und (aus seiner
Saint-Simonistischen
Periode ihm anhaftendem)
Sozialismus. Aus der
Periode seiner religiösen
Begeisterung, die er selbst als seine »subjektive« bezeichnet hat,
stammen die
Schriften: »Système de politique positive, ou traité de sociologie«
(1852-54, 4 Bde.;
neue Ausg. 1880-83),
»Catéchisme positiviste« (2. Aufl. 1872),
»Appel aux conservateurs« (1855) und »Synthèse subjective« (1856),
deren Inhalt von einem Teil seiner Schüler, namentlich von dem bedeutendsten derselben, dem Akademiker Littré (s. d.),
nicht anerkannt worden ist. Der Letztgenannte hat unter dem
Titel: »A. Comte
et la philosophie positive« (2. Aufl.,
Par. 1864) eine
Biographie und
Darstellung der
Lehre Comtes
herausgegeben, welcher 1866 eine andre
Schrift:
»Auguste Comte
et
Stuart Mill«, folgte. In
England haben
Miß
Martineau (1853) und
Bridges (1865) seine
Schriften teilweise bearbeitet,
Stuart Mill
(»A. and the positivism«, Lond. 1865; deutsch von
Elise
Gomperz, Leipz. 1874),
Buckle,
Lewes,
Tylor,
Caird
(»The social philosophy and religion of Comte«
,
Glasgow
[* 9] 1885) u. a., in
Amerika
[* 10]
Carey ihn vielfach berücksichtigt. Seine
Briefe
an Mill erschienen unter dem
Titel:
»Lettres d'A. à
John
Stuart Mill 1841-46« (Par. 1877). Auch in
Italien
[* 11] und
Deutschland
[* 12] hat
er in neuerer Zeit vielfach, besonders bei den Naturforschern, Eingang gefunden.
Comtes
»Philosophie positive« richtet sich in ihrem negativen Teil gegen jede
Metaphysik, jede Einführung von Anfangs- oder
Endursachen. Beide
Enden der
Dinge sind uns unzugänglich, nur die Mitte gehört uns. Der
Atheist ist für den Positivsten nur
eine
Abart des Theologen, der
Pantheismus nur eine Form des
Atheismus.
Theologie und
Metaphysik, jeder
Versuch,
das
Universum durch
Gründe zu erklären, die außer ihm sind, ist
Transcendenz;
Immanenz ist die
¶
Wissenschaft, welche dasselbe durch Gründe erklärt, die innerhalb desselben sind. Seinem positiven Teil nach besteht der Positivismus in einer neuen Auffassung der Entwickelung des Menschengeistes und in einer neuen Anordnung der Wissenschaften. Jener zufolge durchläuft der denkende Geist notwendigerweise drei Stadien (trois états): das theologische, das metaphysische und das positive. Während des ersten werden die Naturerscheinungen durch übernatürliche Ursachen (Wunder und persönliches Eingreifen von Göttern), während des zweiten durch abstrakte Ursachen (scholastische Entitäten, realisierte Abstrakta) erklärt; während des dritten begnügt man sich, den Zusammenhang der Phänomene zu konstatieren durch Beobachtung, hervorzurufen durch das Experiment, kurz, jede Thatsache mit ihren vorangegangenen Bedingungen zu verknüpfen.
Diele Methode hat die moderne Wissenschaft geschaffen und ist bestimmt, die Stelle der alten Metaphysik einzunehmen. In dem Maß, als eine wissenschaftliche Frage eine experimentale Lösung zuläßt, tritt sie aus dem metaphysischen Nebel in das klare Licht [* 14] der Wissenschaft über; was sich nicht experimentell verifizieren läßt, gehört nicht in die Wissenschaft. Die Anordnung des Wissens (welcher im allgemeinen die Baconsche Einteilung der Wissenschaften zu Grunde liegt, und) welche er die »natürliche Hierarchie der Wissenschaften« nennt, geht vom Einfachen zum Zusammengesetzten.
Die Grundlage von allem bildet die Mathematik; dann folgen die Astronomie, [* 15] die Physik, die Chemie, die Biologie und die Soziologie, deren jede die Vorstufe und Voraussetzung der nächsten ausmacht. Die Gesellschaftswissenschaft ist nicht möglich ohne die Wissenschaft vom Leben, diese nicht ohne Chemie, die ihrerseits die Physik wie diese die Astronomie und diese die Mathematik zur Basis hat. Diese Ordnung der Logik wird durch die Geschichte bestätigt. Die Psychologie ist nur ein Teil der Physiologie (Phrenologie); die Moral beruht auf dem geselligen Trieb und weist Eigennutz und Selbstsucht zurück, indem sie an die Stelle des eignen Vorteils als Motiv des Handelns (Egoismus) den des »andern« (Altruismus) und das allgemeine Wohl über das jedes Einzelnen setzt.
Über seine Beziehungen zu Kant vgl. Zimmermann, Kant und die positive Philosophie (Wien
[* 16] 1874). Comtes
»Politique
positive« enthält das bis ins Detail ausgearbeitete Ideal der künftigen Organisation der menschlichen Gesellschaft, welche
dadurch charakteristisch ist, daß in derselben den »positiven« Philosophen (ähnlich wie den Wissenden in der Platonischen
Republik) die herrschende Stellung eingeräumt und unter denselben eine Art Hierarchie mit einem Oberhaupt
an der Spitze (ähnlich wie im katholischen Priestertum mit dem römischen Papst) eingerichtet wird, daher die »positive« Gesellschaft
von Gegnern als »Katholizismus ohne Christentum« bezeichnet worden ist.
Nach dem Muster derselben sind von Anhängern Comtes
in England (Congreve, Bridges u. a.) Positivistengemeinden
gegründet und an verschiedenen Orten Kirchen (in London
[* 17] zwei) eröffnet worden, in welchen »positivistischer« Gottesdienst abgehalten,
ein (dem katholischen nachgebildetes) »positivistisches« Ritual und sogar ein »positivistischer« Kalender beobachtet wird.
In neuester Zeit sind unter den Mitgliedern Spaltungen eingetreten, infolge deren ein Teil der (übrigens niemals zahlreich
gewesenen) »Positivisten« sich der herrschenden Kirche genähert hat, so daß der Rest der Anhänger von der
strengen Observanz kaum über 100 betragen soll. Einen
populären Auszug aus Comtes
sechsbändigem Hauptwerk, dem »Cours«, veranstaltete
neuerdings Jules Rig: »La philosophie positive par Auguste Comte
Résumé« (Par. 1880, 2 Bde.)
und eine deutsche Bearbeitung des letztern v. Kirchmann (Heidelb. 1883, 2 Bde.).
2) Pierre Charles, franz. Maler, geb. 1815 zu Lyon, [* 18] wurde in Paris Schüler von Robert-Fleury und stellte 1847 eine Lady Jane Gray aus, die, von trefflicher Komposition, korrekter Zeichnung und lebensvoller Charakteristik, Erwartungen erregte, die er nachher in den Bildern: Heinrichs III. Begegnung mit dem Herzog von Guise (1855, im Luxembourg), Jeanne d'Arc bei der Krönung Karls VII. (1861, Museum in Reims) [* 19] und noch mehr in der Leonore von Este, Witwe des Herzogs von Guise, die ihren Sohn Heinrich schwören läßt, seinen ermordeten Vater zu rächen (1864, Museum in Lyon), in reichem Maß erfüllte. Unter seinen spätern Bildern nennen wir den letzten Besuch Karls V. im Schloß zu Gent [* 20] nach seiner Thronentsagung (1866), Zigeuner vor dem kranken Ludwig XI. (1869), Katharina von Medicis im Schloß Chaumont, Franz I. bei Benvenuto Cellini, Marie Touchet, die Sage von den vergifteten Handschuhen der Königin Johanna von Navarra, der Mutter Heinrichs IV., die Nichte Don Quichottes (1877) und den 1878 ausgestellten Dante.