Cleve.
[* 1]
1) Kreis [* 2] im preuß. Reg.-Bez. Düsseldorf, [* 3] hat (1890) 508,11 qkm, 52724 (26262 männl., 26462 weibl.) E., 2 Städte und 43 Landgemeinden.
2) Cleve
oder Kleve, holländ. Kleef, Kreisstadt im
Kreis Cleve
und Hauptstadt des ehemaligen Herzogtums Cleve
, 5 km vom Rhein und 7 km
von der niederländ. Grenze entfernt, am Flüßchen Kermisdal, einem
Überreste des um 1000 n. Chr. versandeten West-Rhein-Armes, und an den Linien Köln-Zevenaar
und Cleve
-Nymwegen (27,2 km) der
Preuß. Staatsbahnen,
[* 4] liegt an einem Bergrücken, inmitten schöner Parkanlagen auf drei Hügeln,
dem
Kirch-, Schloß- und Heideberg, ist Sitz des Landratsamtes, eines Landgerichts (Oberlandesgericht Köln)
[* 5] mit 9
Amtsgerichten
(Cleve
, Dülken, Geldern, Goch,
Kempen, Lobberich, Mörs, Rheinberg,
Xanten), eines Amtsgerichts, Hauptzoll-,
Steuer-,
Katasteramtes,
und hat (1890) 10409 (5203 männl., 5206 weibl.) E., dar-
[* 1]
^[Abb.: Wappen
[* 6] von Cleve]
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.] ¶
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unter 1571 Evangelische und 161 Israeliten, Post erster Klasse, Telegraph,
[* 8] je 2 kath. und evang. Kirchen, ein Bethaus der Mennoniten,
eine Synagoge, ein königl. Gymnasium, 1619 als reformierte lat.
Schule eröffnet (Direktor Dr. Liesegang, 13 Lehrer, 8 Klassen, 199 Schüler), eine simultane Landwirtschaftsschule (mit Staatsunterstützung)
und ein Gefängnis. Sehenswert ist die kath. Stifts(Haupt-)kirche, ein
großartiger Backsteinbau in got. Stil, 1341‒1425 erbaut, mit Grabmälern der Grafen und Herzöge von Cleve
, namentlich des Grafen
Adolf Ⅲ. (gest. 1394) und Margaretas von Berg (gest. 1425). In der Mitte der Stadt auf steiler Anhöhe das vormalige Residenzschloß
der Herzöge, Schwanenburg genannt, jetzt Sitz des Landgerichts und Gefängnis, mit dem Schwanenturm
(56 m), den Herzog Adolf Ⅰ. 1439 aufführen ließ, und dem Standbild des Kurfürsten Johann Sigismund (1859, von Bayerle). An
die Sage vom Schwanenritter, von Richard Wagner in der Oper «Lohengrin» bearbeitet, erinnert seit 1882 ein Denkmal am Kleinen Markt.
Im Rathaus befinden sich einige Altertümer, im SO. der Stadt der Prinzenhof, 1644 von Moritz von Oranien-Siegen
als kurbrandenb.
Statthalter des Herzogtums Cleve
erbaut, jetzt Hotel. Die eisenhaltige Mineralquelle wurde 1846 gefaßt, eine
schöne Trinkhalle erbaut und 1847 ein Badehaus und Kaltwasserheilanstalt errichtet. Cleve
ist seit dem 11. Jahrh.
durch den schiffbaren Spoy-Kanal mit dem Rhein verbunden und hat eine Hafenanlage, Eisengießerei
[* 9] und
Maschinenfabrik sowie Fabrikation von Tabak,
[* 10] Leder und Baumwollzeugen. – 7 km von der Stadt am Bergabhange das 1811 hergestellte
Grabmal des Prinzen Moritz (gest. 1679). Im W. der Stadt zieht sich die Hügelreihe des Tiergartens mit reizenden Parkanlagen
an der Landstraße und Eisenbahn nach Nymwegen hin.
Südlich davon der Clever
Berg (90 m) mit schöner Aussicht. 7 km nördlich von Cleve
bei dem Dorf Brienen ein Denkmal für die
von Goethe gefeierte heldenmütige Jungfrau Johanna Sebus, 1811 von Napoleon errichtet. Der Reichswald, 4 km von Cleve
, ist der
größte Wald der Rheinlande (70 qkm); 12 km entfernt liegt Calcar (s. d.). –
Vgl. Scholten, Die Stadt
Cleve
(Cleve
1881);
Führer durch Cleve
und Umgebung (ebd. 1888);
Char, Bad
[* 11] Cleve
(2. Aufl., ebd. 1881);
Brockmann, Bad Cleve
und Umgegend
(Düsseld. 1886).
Das ehemalige Herzogtum Cleve
, das zum Westfälischen Kreise
[* 12] des Deutschen Reichs gehörte und auf 2200 qkm
etwa 100000 E. zählte, ist ein sehr fruchtbares und wohlhabendes Land. Es kam nach Erlöschen des Mannsstammes der Grafen
von Cleve
mit Johann Ⅱ. durch Erbrecht 1368 an die Grafen von der Mark und wurde 1417 auf dem Reichstag zu Konstanz
[* 13] zum Herzogtum
erhoben. Herzog Johann Ⅲ. von Cleve, der seinem Vater 1521 in der Regierung folgte, hatte bereits seit 1511 infolge
seiner Vermählung mit Maria, der Erbtochter des letzten Herzogs von Jülich und Berg und Grafen von Ravensberg, nach dessen
Tode die ererbten Länder mit Cleve vereinigt.
Wilhelm Ⅴ. (1539‒92) suchte seit 1543 die Reformation einzuführen und machte infolge seiner Vermählung mit einer Tochter des Herzogs von Geldern Anspruch auf dieses Land, veranlaßte aber dadurch einen Kriegszug Kaiser Karls Ⅴ. gegen Cleve und wurde nun gezwungen, Geldern an den Kaiser abzutreten und in Cleve und Jülich die kath. Religion zu erhalten. Nach dem Erlöschen der herzogl. Linie mit Johann Wilhelm 1609 wurden die Lande nach Beilegung des sog. Jülich-Cleveschen Erbfolgestreites (s. Jülich) unter die Erbprätendenten Brandenburg [* 14] und Pfalz-Neuburg geteilt.
Cleve, Mark und Ravensberg fielen hiermit 1666 an Brandenburg. Im Lunéviller Frieden trat Preußen [* 15] 1801 den westlich des Rheins gelegenen Teil C.s an Frankreich ab, der dem Roer-Departement einverleibt ward, sowie 1805 den östlich des Rheins gelegenen Teil, der, mit Ausnahme von Wesel, [* 16] welches Frankreich behielt, 1806 dem neugebildeten Großherzogtum Berg überlassen wurde. Nach dem Sturze Napoleons Ⅰ. gelangte das Herzogtum Cleve, mit Ausnahme des Uferdistrikts an der Maas und einiger Ortschaften nördlich, die an Holland fielen, wieder an Preußen und gehört jetzt zum Reg.-Bez. Düsseldorf. –
Vgl. Char, Geschichte des Herzogtums Cleve (Cleve 1845).