Clausthal
,
[* 1] Bergstadt im
Kreis
[* 3] Zellerfeld des preuß. Reg.-Bez. Hildesheim,
[* 4] Hauptort des
ehemals hannov. Harzes und eine der alten Wegsklausen (hospitia peregrinorum), liegt nebst der nur durch den Zellbach von
ihr getrennten Bergstadt Zellerfeld auf einem Plateau des nordwestl.
Teils jenes
Gebirges, in 534 m (Bahnhof)
bis
599 in (Schützenhaus) Höhe, an der
Nebenlinie Langelsheim-Clausthal
-Zellerfeld (25 km) der
Preuß. Staatsbahnen
[* 5] und hat (1890) 8736 (4212
männl., 4524 weibl.) E., darunter 124 Katholiken;
Post erster Klasse, Telegraph, [* 6] ein Oberbergamt (s. Bergbehörden) für die Provinz Hannover [* 7] ausschließlich der Reg.-Bez. Aurich, [* 8] Osnabrück [* 9] und des Amtes Neustadt, [* 10] für den Reg.-Bez. Cassel ausschließlich des Bezirks Vöhl und für den Reg.-Bez. Schleswig [* 11] (6 Berginspektionen, 1 Bergfaktorei, 9 Hüttenämter), 1 Berg- und Landesbauinspektion, 1 Hüttenamt, Markscheiderbureau, Steuer- und Katasteramt, Oberförsterei, Superintendentur; evang. Kirche zum Heiligen Geist, 1639–42 erbaut, 1689 vergrößert, die größte Holzkirche der Welt mit vorzüglicher Orgel (1888), kath. Nikolaikirche, Denkmal (Granitsäule mit bronzenem Medaillon) des Geologen Adolf Römer, [* 12] 1882 vor der Akademie errichtet, und ein Kriegerdenkmal auf dem Kronenplatze.
Die Bergakademie (1892/93: 145 Studierende, darunter 99 Preußen), [* 13] die älteste preußische, wurde 1775 vom Lyceum abgezweigt, 1805 und 1821–44 erweitert, wobei die Forstakademie (jetzt in Münden) abgetrennt wurde, und erhielt 1859 eine neue Studienordnung. 1864 wurde sie «Bergakademie» genannt, während sie bis dahin von 1810 ab «Bergschule» hieß. Zu ihr gehören ein physik. Kabinett, chem. und Probier-Laboratorium, Modellwerkstätte, geognost. Sammlung, eine Bibliothek (28000 Bände), Sammlungen von Modellen (500 Stück), Mineralien [* 14] besonders des Harzes, Fossilien, Hüttenprodukten und Instrumenten.
Mit ihr verbunden sind zur Ausbildung von Unterbeamten eine Bergschule (26 Schüler) und eine Bergvorschule (24 Schüler). Ferner bestehen ein königliches luth. Gymnasium mit Realabteilungen (Direktor Dr. Seebeck, 11 Lehrer, 6 Klassen, 143 Schüler, 1 Vorklasse, 10 Schüler), Bürger- und höhere Mädchenschule, Handels- und gewerbliche Fortbildungsschule, magnetisches Observatorium (1843), ein naturwissenschaftlicher Verein («Maja», 1848 gegründet) mit Bibliothek und reichen Sammlungen, Verein für Geschichte und Altertumskunde, Freimaurerloge, städtisches Krankenhaus, [* 15] Konsumverein, Vorschußvereinsbank, städtische Sparkasse.
Die Einwohner arbeiten in den
Bergwerken und Hütten,
[* 16] da
das Klima und die Bodenbeschaffenheit
Landwirtschaft (ausgenommen Viehzucht)
[* 17] nicht gestatten. Außerdem bestehen eine königl. Centralschmiede für
Maschinen- und Werkzeugfabrikation, ferner Fabrikation von Cigarren (4 Fabriken),
Strumpfwaren (4 Fabriken),
Bleiweiß,
[* 18] Zündwaren
und mechan.
Instrumenten; Elfenbeinschnitzerei, 2 Möbeltischlereien, 4 Mühlen,
[* 19]
Brauerei, Kanarienvogelzucht und
-Handel. Clausthal
ist
Sitz der 3. Sektion der Knappschaftsberufsgenossenschaft. Die frühere Münze ist 1848 nach Hannover verlegt. Clausthal
wird
vielfach als Kurort und
Sommerfrische besucht. Im Badehause des Knappschaftsvereins werden Wannen-,
Sturz-, Fichtennadel- und
mediz.
Bäder gegeben. 1 km entfernt liegt das Sanatorium
Schwarzenbach gegen Neurasthenie,
Störungen des
Kreislaufs und
Stoffwechsels.
Gegenüber eine Meierei mit Milchsterilisierungsanstalt.
Der oberharzische Bergbau [* 20] gehört nach Alter und Umfang der Gruben und Werke zu den großartigsten in Deutschland. [* 21] Nach dem Eingehen des ältern Bergbaus infolge der Pest um 1350 suchten ¶
mehr
Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig
[* 23] in der Umgegend von Grund und Wildemann, die Grafen von Hohenstein
[* 24] in der Gegend
von St. Andreasberg durch erteilte Bergfreiheiten (um 1520) wieder Bergarbeiter nach dem Harze zu ziehen. 1524 wurde die erste
Bergordnung für «Grund und umliegende Gebirge» erlassen. 1544 und 1548 wird der Clausthaler
Bergbau bereits
erwähnt; 1595 waren bereits 55 Gruben im Bau. Seit 1620 etwa sind die Clausthaler
Gruben die wichtigsten. In hoher Blüte
[* 25] waren dieselben um 1730, wo die Gruben Dorothea und Carolina auf ihrer Höhe standen.
Die Stadt hatte 1736: 8930, 1757 unter 8000, 1762 unter 7000 E. 1844 und 1852 litt sie sehr durch Feuersbrünste.
Viele Gruben wurden nach und nach von den Gewerken aufgelassen und gingen an die Regierung über. Am wurden alle
Gruben königlich und gewährten bis in die neueste Zeit reiche Überschüsse. Die Kurinhaber wurden durch Ablösung abgefunden.
Auf den 4 Silberhütten (824 Silberhüttenleute) Clausthal
, Altenau, Lautenthal und Andreasberg wurden (1892) 10951 t
einheimische und 3909 t überseeische Erze verhüttet und daraus gewonnen: 83 kg Gold,
[* 26] 49342 kg Silber, 7690 t Blei,
[* 27] 227 t Kupfer,
[* 28] 941 t
Vitriol, 1823 t Schwefelsäure
[* 29] im Gesamtwerte von 8225205 M. Auf der Clausthaler
(ehemals Frankenscharner)
Hütte wird Werkblei, Blicksilber und Schwarzkupfer dargestellt, die verkäuflichen Produkte jedoch von der Altenauer und von
der Lautenthaler Hütte geliefert.
Bei der geringen Menge Erze, die der St. Andreasberger Bergbau bietet, werden auf der dortigen, ebenso auch auf der Altenauer Hütte überseeische Erze verschmolzen. Als bedeutendste Gruben sind zu nennen Herzog Georg Wilhelm (865 m tief), Anna Eleonore, Bergmannstrost und Rosenhof. Der Georgs-Stollen (19 km lang, 260–285 m tief) wurde 1777–79 erbaut. 1851–-54 wurde ein bei Gittelde ausmündender neuer Stollen, der Ernst-August-Stollen, in Angriff genommen, der in seinem Hauptteil vollendet wurde und, mit seinen Schachtquerschlägen und Verflügelungen 26 km lang und 200 m unter jenem, ein Meisterstück der bergmännischen Technik ist.
Zur Wasserabführung sind 170 ober- und 26 unterirdische Wasserräder,
[* 30] 6 Wassersäulenmaschinen
[* 31] und 6 Turbinen mit mehr als 3000 Pferdekräften
im oberharzischen Bergbau im Betriebe. Etwa 390 m unter der Erdoberfläche dient eine etwa 6600 m lange
Wasserstraße zum Transport bis zu einem am höchsten Punkte der großen Aufbereitungsanstalt angelegten Schachte. Die Eisenerze
werden teils auf der fiskalischen Eisenhütte, Rotehütte bei Elbingerode, woselbst hauptsächlich schweres Gußwerk, Hartguß
und Stabeisen verfertigt wird, verschmolzen, teils von westfäl. Hütten verwendet. Die fiskalische Eisenhütte zu Lerbach
liefert Gußwaren für die Oberharzer Werke und Kunstgußwaren, besonders Öfen
[* 32] und Geschirr. Die Förderung
der drei Berginspektionen (3239 erwachsene, 247 jugendliche Arbeiter) Clausthal
, Lautenthal und Grund und der Grubenverwaltung Andreasberg
betrug (1892):
Bergwerksprodukte | Tonnen | Wert in M. |
Silbererze | 4 | 45991 |
Zinkerze | 8492 | 969716 |
Bleierze | 11053 | 1954710 |
Kupfererze | 220 | 14947 |
Schwefel | 19 | 169 |
Von volkswirtschaftlichem Interesse sind die zur Unterstützung der Arbeiter dienenden Einrichtungen, wie Kornmagazin, Knappschaftskasse für Kranke, Invaliden, Witwen und Waisen u. s. w. Die frühern Privilegien, Freiheit von allen Steuern, vom Militärdienste u. dgl. sind aufgehoben. –
Vgl. Günther, Die Besiedelung des Oberharzes (Halle [* 33] 1884);
ders., Der Harz in Geschichts-, Kultur- und Landschaftsbildern (Hannov. 1888);
ders., Aus der Geschichte der Harzlande (Bd. 1-4, ebd. 1890–91).