Cinchona
L. (Chinarindenbaum, Fieberrindenbaum), Gattung aus der Familie der Rubiaceen, so genannt zum Andenken an die Gräfin von Chinchon, Gemahlin des Vizekönigs von Peru [* 3] (s. unten), immergrüne Bäume oder Sträucher mit gegenständigen, einfachen, meist lederartigen, glänzenden, ganzrandigen, gestielten, oft auf der Unterseite purpurroten oder kurz vor dem Abfallen sich purpurviolett färbenden Blättern, weißen, fleischfarbenen oder purpurnen, wohlriechenden Blüten in endständigen, dekussiert ästigen, oft ansehnlichen Blütenrispen, vom Kelchsaum gekrönten, zweifächerigen, vielsamigen Kapseln [* 4] und zusammengedrückten, kleinen, ringsum geflügelten Samen. [* 5]
Die Cinchonen sind höchst elegante, wenn auch nicht besonders auffallende Gewächse und stimmen so sehr untereinander überein, daß eine vollkommen befriedigende Feststellung der Arten, deren Zahl gegenwärtig auf etwa 33 oder 36 bestimmt wird, noch nicht erreicht ist; Spielarten und Bastarde vereinigen die Arten zu einer fast ununterbrochenen Reihe, deren Endglieder kaum schärfer von den verwandten Gattungen als von den Pflanzen ihrer eignen Reihe zu trennen sind.
Süd-Amerika. Fluß- und

* 6
Südamerika.
Von etwa zwölf
Arten wird die
Rinde zur fabrikmäßigen
Darstellung des
Chinins benutzt, aber nur wenige
Arten liefern offizinelle
Rinde. Die Cinchonen wachsen in den
Kordilleren von
Südamerika
[* 6] von 10° nördl. bis 22° südl.
Br.; der
eigentliche
Mittelpunkt der besten Cinchonen (Cascarillos finos) ist aber die
Provinz Loxa im südlichsten Teil von
Ecuador
von 7° nördl. bis 15° südl.
Br. Sie lieben ein wechselvolles, feuchtes
Klima
[* 7] und eine mittlere
Temperatur von 12-20° und
finden diese klimatischen Verhältnisse besonders in einem Höhengürtel von etwa 2000 m; doch wachsen
Cinchonen noch bei 3500 m
Höhe, und die nicht offizinellen steigen bedeutend tiefer herab. Dem
Charakter der tropischen
Vegetation
entsprechend, wachsen die Cinchonen meist zerstreut, höchstens da und dort zu kleinern
Gruppen vereinigt, und nur Cinchona
corymbosa
Karsten bildet waldartige Bestände.
Cinchona
Calisaya
Wedd. (s. Tafel
»Arzneipflanzen
[* 8] II«),
ein hoher, dickstämmiger Baum mit ausgebreiteter, reichbelaubter Krone, verkehrt eiförmig-länglichen, 8-15 cm langen Blättern, mit bisweilen rötlichen Blattstielen und rötlichen Mittelrippen, eiförmigen oder fast doldentraubigen Blütenrispen und fleischroten, weichhaarigen Blüten, wächst in den bolivischen Provinzen Enquisivi, Yungas, Larecaja, Caupolican und in der peruanischen Provinz Carabaya zwischen 1500 und 1800 m Seehöhe.
Rio de Janeiro (Provin

* 9
Rio de Janeiro (Provinz und Stadt).
Cinchona
Ledgeriana
Moens. mscpt., bisweilen als
Varietät der vorigen betrachtet,
jedenfalls ihr sehr nahe stehend, stammt aus
Samen, welche am
Rio
[* 9]
Mamore in
Bolivia
[* 10] gesammelt wurden und durch Ledger nach
London,
[* 11] von dort nach
Java kamen. Die
Rinde dieses
Baums besitzt den höchsten Chiningehalt, nämlich 9-13,25 Proz.
Cinchona
succirubra
Pav., ein
Baum von 15-25 m
Höhe, dessen aus der verletzten
Rinde ausquellender milchiger Saft
bald intensiv rot wird (daher der
Name), mit 18
cm langen, eiförmigen, im
Alter oft blutrot überlaufenen Blättern, pyramidaler
Rispe und kurzhaarigen, purpurnen
Blüten, wächst in
Ecuador, vorzüglich im Gebirgsstock des
Chimborazo, bei 600-1500 m
Seehöhe.
Cinchona
officinalis Hook. fil.,
ein 10-15 m hoher
Baum mit fast eiförmiger
Krone, 5-12
cm langen, ei-lanzettlichen oder lanzettlichen Blättern, fast doldentraubiger
Rispe und rosenroten
Blüten, wächst in
Ecuador,
Provinz Loxa, bei 1600-2400 m
Seehöhe und ist sehr veränderlich.
Cinchona
micrantha
Ruiz et Pav.,
ein 6-20 m hoher
Baum mit 23
cm langen, breit eiförmigen Blättern, großer, pyramidaler, vielblütiger
Rispe und weißen
Blüten, wächst in
Bolivia und
Peru.
Holywood - Holz

* 12
Holz.Diese Arten liefern hauptsächlich die Chinarinden (s. d.) des Handels, welche von den Stämmen, Ästen und Zweigen, in neuerer Zeit auch von den Wurzeln genommen werden und zu den vorzüglichsten Arzneimitteln gehören; ihre Wirkung beruht hauptsächlich auf dem Gehalt an Alkaloiden, wie Chinin und Cinchonin. Das Holz [* 12] ist fast geschmacklos und enthält nur Spuren dieser Körper neben viel Chinovin, ist auch zu technischer Verwendung nicht brauchbar. Die Blätter schmecken säuerlich bitter, riechen auch trocken noch theeähnlich und enthalten geringe Mengen der Alkaloide, aber bis 2 Proz. Chinovin.
Die
Blätter von Cinchona
succirubra sollen als Fiebermittel alle Beachtung verdienen. Die
Blüten schmecken bitterer als die
Blätter,
aber in den angenehm schmeckenden wässerigen
Aufguß geht diese
Bitterkeit nicht über. Auch die
Samen schmecken bitter. Bei
dem nicht eigentlich massenhaften Auftreten der Cinchonen und der rücksichtslosen Ausbeutung derselben hat
man nicht mit Unrecht Befürchtung wegen der gänzlichen Ausrottung der kostbaren
Bäume gehegt. In neuerer Zeit wird jedoch
überall, Pitayo ausgenommen, ein vorsichtigeres
Verfahren eingehalten; in Loxa verschont man beim
Schälen kleinerer
Bäume
einen breiten Rindenstreifen, von welchem aus sich die ganze
Rinde allmählich wieder erneuert, wobei eine sehr geschätzte
Ware entsteht.
Cinchonaceen - Cinchon

* 16
Seite 4.133.Eine regelrechte forstliche Benutzung der Cinchonen in ihrer Heimat müßte die günstigsten Aussichten haben, wenn sie durch besser geordnete politische und soziale Zustände unterstützt würde. Die Übersiedelung der Cinchonen nach andern Ländern erscheint daher als ein außerordentlich wichtiges Unternehmen. Nachdem Condamines Bemühungen, lebende Cinchonen nach Europa [* 13] zu bringen, mißglückt waren, gelang es Weddell, Samen herbeizuschaffen, welche in Paris [* 14] keimten. Im J. 1851 kamen durch Vermittelung der Jesuiten Cinchonen nach Algerien, [* 15] doch scheinen die Akklimatisationsversuche hier und 1866 auch auf Réunion mißglückt zu sein; auf Miquels Veranlassung schickte der holländische Kolonialminister Pahud den ¶
mehr
Botaniker Haßkarl nach Südamerika, welchem es 1854 gelang, in 21 Wardschen Kasten junge Cinchona
-Pflänzlinge nach Batavia
[* 17] zu bringen
und Samen nach Holland zu schicken. Aber schon 1852 hatten die Holländer Cinchona
Calisaya von einem Pariser Handelsgärtner gekauft
und auf Java angesiedelt; Karsten brachte 1854 Samen der wertvollen Cinchona
lancifolia var. discolor dorthin,
und bald lieferten auch die Haßkarlschen Samen kräftige Pflanzen. 1876 besaß man bereits über 2 Mill. Cinchonen, darunter
1,225,000 Cinchona
Calisaya, 565,000 Cinchona
officinalis und 4400 Cinchona lancifolia. Im J. 1859 fingen die Engländer an, die Übersiedelung
der Cinchona
nach Indien zu betreiben.
Ost-Indien

* 18
Ostindien.
Markham ging 1860 nach den Grenzländern Perus und Bolivias, um Cinchona
Calisaya zu sammeln; Spruce erhielt die
Aufgabe, in Ecuador Cinchona
succirubra zu erlangen, und Pritchett wurde in die Gegend von Huanuco entsandt. Später trat auch Croß
hinzu und siedelte die von ihm gesammelten Cinchona
Calisaya succirubra und Condaminea in Indien selbst an. Markhams und
Pritchetts Pflänzlinge kamen in üblem Zustand in Indien an; aber gleichzeitig gesammelte Samen gingen in Kew, in Ostindien,
[* 18] auf Trinidad und Jamaica gut auf, und Spruce brachte kräftige Pflänzlinge nach Utacamund.
Weitere Ansiedelungen wurden begonnen 1861 in Hakgalla im zentralen, bis 1570 m ansteigenden Gebirgsland. Ceylons, 1862 in
Dardschiling, im südlichen Teil von Sikkim, im südöstlichen Himalaja, 1865 in Neuseeland und 1866 auf
dem australischen Kontinent in Brisbane (Queensland). Als Mittelpunkt des ganzen Unternehmens ragt aber Utacamund hervor mit
seinen Filialen bis zur Südspitze Indiens, zum Teil auf Höhen von 2200-2500 m. Im J. 1866 hatte Utacamund 297,000 Stück Cinchona
succirubra,
758,000 Cinchona
officinalis, 37,000 Cinchona Calisaya, 29,000 graue Rinden liefernde Arten, im ganzen 1,123,000 Stück.
Mexiko

* 19
Mexiko.
Hakgalla hatte 1865 über 500,000, Dardschiling und Rungbee 1866 über 300,000 Stück. Außerdem aber sind schon Hunderttausende
von jungen Chinabäumchen an Private abgegeben worden. Auch auf Jamaica gedeihen die Pflanzungen. Im J. 1859 begannen die
Bemühungen, Cinchona
-Arten in Kalifornien zu akklimatisieren, und 1866 suchte Kaiser Maximilian die Kultur derselben in Mexiko
[* 19] einzuführen.
Bemerkenswert ist die Thatsache, daß die Kultur den Chiningehalt der Rinden steigert, so daß z. B. Cinchona officinalis, welche
in Amerika
[* 20] eine wenig gehaltreiche Rinde liefert, auf Java bis 4,6 Proz. Chinin erzeugt. Auch hat man gefunden,
daß in Moos eingehüllte Stämme dickere, alkaloidreichere Rinde entwickeln. (Vgl. Chinarinden.)
Die frühere Geschichte der Chinarinden verliert sich in ungewisse Angaben. Das Wort Quina (Rinde) gehört der Inkasprache an; aber die Peruaner, welche mit größter Zähigkeit an überlieferten Gebräuchen festhalten, wenden heute noch die China [* 21] nicht an, fürchten sie vielmehr. Auch sind aus der Zeit des spanischen Einfalls in Peru keine Beweise alter Bekanntschaft des eingebornen Volkes mit der Chinarinde überliefert worden. Man hat erzählt, daß die Peruaner den Spaniern die Heilkräfte der China verschwiegen hätten; am wahrscheinlichsten aber ist, daß die frühste Kenntnis der China auf die Gegend von Loxa beschränkt geblieben war.
Lima - Limburg

* 22
Lima.Dort soll 1630 der spanische Corregidor von Loxa, Don Juan Lopez de Cañizares, durch Chinarinde vom Wechselfieber geheilt worden sein, und als nun 1638 die Gemahlin des Vizekönigs von Peru, Grafen von Chinchon, in Lima [* 22] am Fieber erkrankte, sandte jener Corregidor Chinarinde an den vizeköniglichen Leibarzt Juan de Vega, dem es auch gelang, die Gräfin damit zu heilen (daher Polvo de la condesa, Gräfinpulver). Durch Vega kam die Rinde 1639 nach Spanien; [* 23] 1643 erhielt der Kardinal de Lugo in Rom [* 24] Chinarinde aus Peru, und so wurde Rom der erste Stapelplatz des Mittels, welches nun als Polvo de los Jesuitos weitere Verbreitung fand. Im J. 1655 gelangte die Rinde nach England, wo sie der Londoner Arzt Robert Talbor zuerst in richtiger Dosis anwandte. Er soll 1679 den Dauphin von Frankreich damit geheilt haben, worauf Ludwig XIV. das Geheimnis kaufte und 1681 publizierte. 1669 fand sich die Chinarinde auch in deutschen Apotheken.
Über die Stammpflanze der Chinarinde berichtete zuerst Condamine, welcher 1737 bei Loxa die jetzt als Cinchona officinalis var. und Condaminea bekannten Pflanzen sammelte und eine Beschreibung nebst Abbildung 1740 der Pariser Akademie vorlegen ließ. J. ^[Joseph] de Jussieu sammelte 1739 bei Loxa die später als Cinchona pubescens bezeichnete Art, und 1742 stellte dann Linné die Gattung Cinchona auf. Durch die Forschungen von Mutis, Ruiz und Pavon wurde die weitere Verbreitung der Cinchonen in den Kordilleren bekannt, und so traten allmählich gegen 1785 Mittel- und Südperu und Neugranada mit Loxa in Konkurrenz. Die botanische und pharmakognostische Erkenntnis der Chinarinden wurde besonders durch H. v. Bergen, [* 25] Schleiden, Delondre und Bouchardat (1826), Berg, Weddell, Howard u. a. gefördert.
Vgl. Weddell, Histoire naturelle des quinquinas (Par. 1849, deutsch, Wien [* 26] 1865);
Derselbe, Notes sur les quinquinas (deutsch von Flückiger u. d. T.: »Übersicht der Cinchonen von Weddell«, Schaffh. 1871);
Delondre und Bouchardat, Quinologie (Par. 1854);
Karsten, Die medizinischen Chinarinden Neugranadas (Berl. 1858);
Derselbe, Flora Columbiae terrarumque adjacent. specim. select. (das. 1858-69);
Howard, Illustr. of the Nueva Quinologia of Pavon (Lond. 1862; deutsch, das. 1862);
Derselbe, Quinology of the East India plantations (das. 1869 u. 1876, 3 Bde.);
Markham, The Cinchona species of New Granada [* 27] (das. 1867);
Triana, Nouvelles études sur les quinquinas (Par. 1872);
Phoebus, Die Delondre-Bouchardatschen Cinchonen (Gießen [* 28] 1864);
Planchon, Des quinquinas (Par. u. Montpellier [* 29] 1864);
Berg, Die Chinarinden der pharmakognostischen Sammlung zu Berlin [* 30] (Berl. 1865);
Markham, Notes on the culture of Cinchonas (Lond. 1859);
Derselbe, Account of Peruvian bark and its introduction into British India etc. (das. 1880);
Mac Ivor, Cultivation of Cinchonae in India (Madr. 1863);
Gorkom, Die Chinakultur auf Java (Leipz. 1869);
King, A manual of Cinchona cultivation in India (Kalk. 1876);
Kuntze, Cinchona, Arten, Hybriden und Kultur der Chinabäume (Leipz. 1878);
Flückiger, Die Chinarinden in pharmakognostischer Hinsicht dargestellt (Berl. 1882).