[* 1] (rätoroman. Cuera, ital. Coira, franz.
Coire), Hauptstadt des schweizer. Kantons Graubünden,
590 m ü. M.,
Endpunkt der
Bahn von
Sargans-Rorschach (bez. Zürich),
[* 2] im Churer Rheinthal da gelegen,
wo die
Plessur aus dem
Schanvic heraustritt, und wo die Splügenstraße und die Julierstraße auseinander gehen. In abgesondertem,
höherm Stadtteil thront der
»Hof«,
[* 3] die bischöfliche
Residenz, mit altem, merkwürdigem
Dom im romanischen
Stil. Vor dem
Dom
steht das Denkmal des 1865 verstorbenen KapuzinerpatersTheodosius. Mit dem Bischofspalast in
Verbindung
steht der hohe Römerturm Marsoel; ein zweiter (Spinoel) ist fast gänzlich abgetragen.
Die Stadt zählt (1880) 8889 Einw. (2431 Katholiken). Solange die
GraubündenerPässe nicht die übermächtige
Konkurrenz derAlpenbahnen erdrückte, besaß Chur eine ansehnliche
Spedition. Seither
hat die
Durchfuhr von
Waren und
Personen abgenommen; nur der Zudrang von Touristen und Kurgästen ist größer
geworden. Chur hat 2
Banken, eine paritätische Kantonschule
(Gymnasium,
Industrieschule und
Lehrerseminar umfassend), ein Priesterseminar
in dem ehemaligen Prämonstratenserkloster St. Luci und eine Kantonbibliothek von 18,000
Bänden.
Die Stadt, ziemlich eng und düster gebaut, ist römischen Ursprungs
(Curia Raetorum) und wurde früh
Bischofsitz, als solcher schon 451 erwähnt. Nach und nach vom
Bischof unabhängig geworden, erhielt sie 1489 die
Rechte einer
Reichsstadt. 1524 wurde die
Reformation daselbst eingeführt. Zu Anfang des 17. Jahrh. war Chur der Schauplatz
wilder Parteikämpfe; 1798-99 ward es durch die
Kämpfe zwischen
Franzosen und Österreichern mitgenommen. In der
Umgegend ist die
Sauer- und
Salzquelle von Pasugg und höher, an der »obern«
Straße und in lieblichem voralpinen
Thal
[* 4] (1212
m ü. M.) gelegen, der Luftkurort
Churwalden zu erwähnen.
Vgl.
Planta, Verfassungsgeschichte der Stadt Chur im
Mittelalter (Chur
1879).
(Kt. Graubünden,
Bez. Plessur).
596 m. Gem. und Stadt. Hauptstadt des Kantons Graubünden
und Hauptort des Bezirkes Plessur, bildet zugleich einen der 39 Verwaltungs-
und Gerichtskreise des Kantons. Die Stadt liegt am Ausgange des Schanfiggerthales in sehr geschützter Thaleinbuchtung an
der Plessur und 2,2 km oberhalb deren Einmündung in den Rhein. Sie «wird eingeschlossen vom grossartigen
Bergrahmen des breitstirnigen Calanda, des schroff aus der Rheinebene emporsteigenden Montalins und des schön bewaldeten Pizokelberges».
Während die Vereinigten Schweizerbahnen in Chur endigen, führt die von Davos her kommende schmalspurige Rätische Bahn bis
nach Thusis; die Linien Reichenau-Ilanz und Thusis-St. Moritz derselben sind im Bau begriffen und sollen
bis im Sommer 1903 vollendet sein. Bevor die Linie Chur-Thusis der Rätischen Bahn gebaut war, bildete Chur den Ausgangspunkt
fast aller in das Innere des Kantons führenden Postkurse; heute gehen die meisten Posten von Reichenau und Thusis aus,
in Chur haben nur noch die über Churwalden nach dem Engadin (über Julier und Albula) und Davos, sowie die nach Arosa und Tschiertschen
führenden Kurse ihren Ausgangspunkt.
Immerhin ist der Postverkehr, namentlich während der Sommermonate, noch ein sehr bedeutender. Das nämliche gilt auch vom
Depeschen- u. Telephonverkehr. Chur ist der Sitz der Direktion des X. eidgen. Postkreises, des Inspektorates
des VI. Telegraphenkreises, der Direktion des III. Zollkreises und der Direktion der Rätischen Bahn. Residenz des BistumsChur (s. diesen Art.), das die Kantone Graubünden,
Uri,
Schwyz,
Unterwalden, Glarus
und Zürich,
sowie das Fürstentum Lichtenstein umfasst.
Die Häuserzahl Churs beträgt 966; davon treffen auf den bischöflichen Hof u. die alte geschlossene
Stadt 336; 630 liegen ausserhalb dieser Grenzen. Die Zahl der Einwohner beläuft sich auf 11706, wovon 7732 Ref. u. 3974 Kathol.;
ihrer Muttersprache nach scheiden sich die Einwohner in 9403 Deutsche, 1449 Romanen, 724 Italiener, 85 Franzosen u. 45 Angehörige
anderer Sprachen. Ein verhältnismässig kleiner Teil der Bevölkerung, vielleicht ca. 6%, gehört den
Landwirtschafttreibenden an; Wiesenbau und Viehzucht vermögen in Chur, wo die Milch jederzeit gut verwertet werden kann,
ihren Mann wohl zu ernähren; jedoch sind auch der Obst- und Weinbau nicht unbedeutend, wogegen der Ackerbau sich in ziemlich
engen Grenzen hält.
Der Hauptteil der Bevölkerung ist der kaufmännische; nachdem der Transithandel aufgehört hat, hat sich der Innenhandel
sehr erfreulich entwickelt; zahlreiche Vertreter zählt besonders der (Veltliner-) Weinhandel. Zwei Banken, die Graubündner
Kantonalbank, eine reine Staatsbank, und die private «Bank für Graubünden"
vermitteln
einen grossen Teil des Geldverkehrs für den ganzen Kanton Graubünden.
Das Gewerbe leistet in einzelnen Zweigen, namentlich
der Schreinerei, recht Tüchtiges; dagegen hat das Fabrikwesen bisher sich noch nicht stark entwickelt, immerhin bestehen
eine Anzahl Etablissemente, die zusammen einer grossen Zahl von Personen Brot geben; so zwei Wollspinnereien und -webereien,
die sich mit der Fabrikation des sog. Bündnertuches beschäftigen, einige Baumwollstickereien, eine
Chokoladefabrik, eine Lack- u. Farbenfabrik etc. Einige hundert Arbeiter beschäftigt die Reparaturwerkstätte der Vereinigten
Schweizer Bahnen.
Die Stadt scheidet sich in 3 verschiedene Teile: 1. den im O. derselben auf einem Plateau am Abhang des Mittenberges, eines
Ausläufers des Montalin, liegenden bischöflichen Hof;
2. die alte Stadt, die im O. an den Fuss des Mittenbergs
sich anlehnt und im S. durch die Plessur begrenzt wird und 3. die im W., hauptsächlich aber im NW. und N. der alten Stadt
aus zahlreichen zerstreuten Häusern bestehende Neustadt.
dem linken, s. Ufer der Plessur nach W. verlaufende WelscheDörfli, sowie das 2½ km n. gelegene Masans, das eigene Kirche und
Schule hat.
Auf dem bischöflichen Hofe, wo unzweifelhaft die erste römische Anlage der Stadt war, stehen die Domkirche, das bischöfliche
Schloss, die Häuser der Domherren und die katholische Schule, etwas weiter oben das Priesterseminar St.
Luzius (bis anfangs des 19. Jahrhunderts Prämonstratenserkloster) mit hübscher Kirche; die Gymnasium, Realschule und Lehrerseminar
umfassende, von ungefähr 400 Schülern besuchte paritätische Kantonsschule und das 100 Schülern Raum bietende Konvikthaus
derselben.
Sehr sehenswert ist vor allem die Domkirche, deren ursprünglicher Bau Bischof Tello ums Jahr 780 zugeschrieben
wird, unzweifelhaft zum Teil aber bis ins 4. Jahrhundert zurückreicht. Der Ausbau des Domes ging sehr langsam vor sich; hieraus
erklärt sich die Mischung verschiedener Stilelemente vom byzantinischen bis zum spätgotischen. 1282 wurde die damals noch
mit einem flachen Dache versehene Kirche eingeweiht. In ihrem Innern enthält sie verschiedene Kunstdenkmäler,
Bilder von Dürer, Holbein dem jüngeren, Lukas Kranach, J. Stumm und der in Chur geborenen Angelika Kaufmann, einen
sehr schönen von J. Russ inLuzern
in Holz geschnitzten und von M. Wohlgemut aus Nürnberg bemalten Hochaltar, Sarkophage, Grabmonumente,
Sakramentshäuschen, Reliquienkästchen, Monstranzen, Messgewänder, Paramente und Urkunden aller Art. -
Das in seinem Hauptteil im Barokstil des 18. Jahrhunderts gehaltene bischöfliche Schloss ist ebenfalls ein verschiedenen
Zeiten angehörender Bau; im N. lehnt es sich an den römischen Turm Marsöl, in dem sich die Privatkapelle des Bischofs, Archiv
und Bibliothek befinden.
In der Stadt selbst, d. h. der ehemals von Mauern und Graben umgebenen Alt-Stadt, die wie die meisten alten
Städte noch recht enge Gassen aufweist, sind bemerkenswert die beiden reformierten Kirchen zu St. Martin und zu St. Regula,
die zwar keine besonderen Sehenswürdigkeiten bieten, das Rätische Museum mit der sehr sehenswerten Sammlung der historisch-antiquarischen
Gesellschaft, den naturhistorischen Sammlungen und der
Kantonsbibliothek; das Regierungsgebäude, das
Staats- und Bankgebäude, das städtische Rathaus mit der im Stil der spätern Renaissance getäfelten Bürgerratsstube,
das neue städtische Schulhaus, die sehr schöne in orientalischem Stil erbaute von Planta'sche Villa, die nunmehr in den
Besitz der Rätischen Bahn übergegangen ist und derselben als Verwaltungsgebäude dient, und das Geburtshaus
der Malerin Angelika Kaufmann.
Auf dem längst zu einer öffentlichen Anlage umgewandelten alten Friedhof befindet sich das Denkmal des bündnerischen Dichters
Johann Gaudenz von Salis-Seewis (geb. † den kleinen Vorplatz vor dem Rätischen Museum ziert das
Denkmal des um die Erforschung des Kantons in naturwissenschaftlicher Beziehung sehr verdienten Dr. med.
Ed. Killias (1829-1891), und in der Anlage vor dem Regierungsgebäude erhebt sich das Vazeroler Denkmal, ein dreiseitiger
Obelisk aus weissem Marmor, zur Erinnerung an das der Ueberlieferung nach (urkundlich jedoch nicht verbürgte) im Jahre 1471 zu
Vazerol geschlossene Bündnis der drei rätischen Bünde.
Die in breitem Gürtel von N. nach W. sich um die alte Stadt herumziehende Neustadt zählt viele freundliche Landhäuser;
aber auch die geräumige und gut eingerichtete Kaserne, das städtische Krankenhaus, das Kreuzspital, von dem gemeinnützigen
Kapuziner Pater Theodosius Florentini gegründet, befinden sich in dieser Gegend, während ein drittes Spital,
das «Krankenasyl auf dem Sand», eine Stiftung des 1881 verstorbenen Bürgermeisters Chr. Bener in Chur, auf der entgegengesetzten
Seite ö. der Stadt, am Ausgang des Plessurthales, liegt. In etwas weiterer Entfernung, in dem wunderschönen im N. der
Stadt sanft gegen O. ansteigenden Lürlibad, befindet sich die kantonale Irren- u. Krankenanstalt Waldhaus,
mit Raum für ca. 250 Kranke; mit derselben verbunden ist die Loë-Anstalt, eine von Baron Klemens von Loë herrührende Stiftung,
in welcher 20 heilbare körperlich Kranke unentgeltlich Aufnahme finden. In geringer Entfernung von der Anstalt Waldhaus ist
das bürgerliche Altersasyl, weiter n. das bürgerliche Waisenhaus, während zwei andere Waisenanstalten,
der «Foral» u. die
¶
mehr
«Hosangsche Stiftung», im W. der Stadt sich befinden. Reichlich gesorgt
ist für Bildungszwecke; ausser den Primarschulen u. der schon erwähnten Kantonsschule gibt es in Chur auch noch eine städtische
Sekundarschule, eine gewerbliche und eine kaufmännische Fortbildungsschule, eine Koch- und Haushaltungsschule, eine Frauenarbeitsschule
und das katholische Töchterinstitut Constantineum.
Chur weist im Verhältnis zu seiner Höhenlage ein ausserordentlich mildes Klima auf; darum gedeihen
denn auch an geschützten Stellen Kastanien und Feigen, und an den sonnigen Halden der Umgebung reift ein feuriger Wein. Nach
langjährigen Beobachtungen beträgt die mittlere Jahrestemperatur 9,44° C., diejenige des Frühlings 9,36°, diejenige
des Sommers 17,99° und diejenige des Winters 0,68°. Die Niederschlagsmengen sind sehr gering und betragen
im Durchschnitt nur 840 mm per Jahr.
Nebel sind in Chur ausserordentlich selten; dringen dennoch etwa einmal im Spätherbst solche durch das Rheinthal bis nach
Chur herauf, so verschwinden sie nach sehr wenigen Tagen, oft auch schon nach ein paar Stunden; sehr
oft aber erfreut sich Chur des schönsten Sonnenscheines und des glanzvollsten Himmels, wenn das Rheinthal von Sargans abwärts
im tiefsten Nebel steckt und in Zürich,
St. Gallen
und andern Städten wochenlang kein Fleckchen blauen Himmels zu sehen ist. - Eine grosse
Annehmlichkeit von Chur bilden die zahlreichen, stets sehr gut unterhaltenen, prächtigen Waldspaziergänge
in dessen Umgebung.
Den Naturfreund erfreut eine reiche Flora, die auf kleinem Gebiete neben Vertretern der südlichen Kastanienzone solche der
Alpenregion aufweist. Von südlichen Arten nennen wir Coronilla Emerus, Astragalus Monspessulanus, Oxytropis pilosa, Coluteaarborescens, Ononis rotundifolia - Alles Papilionaceen, die besonders in den Thalschaften des
s. Tirol
reichlich entwickelt sind. Noch charakteristischer sind die sonst der Hauptsache nach auf den S.-Fuss der Alpen beschränkten
Lappula deflexa, Galium tenerum und G. rubrum, Anemone montana, Tommmasinia verticillaris, Laserpitium Gaudini.
Eine Anzahl von Arten vom sö. Alpenfuss erreichen um Chur ihren westlichsten Standort, besonders das in der
Schweiz sonst nirgends vorkommende Dorycnium suffruticosum. Für die Umgegend Churs kennzeichnend sind ferner: Thesiumrostratum, Rhamnus saxatilis, Allium pulchellum, Helianthemum Fumana, Tunica saxifraga, Linaria Cymbalaria, Lappula myosotis,Anchusa officinalis, Lactuca perennis, Bryonia alba, Centaurea maculosa, Artemisia absinthium, Linosyris vulgaris, Galiumlucidum, Iris germanica, Lilium bulbiferum, Limodorum abortivum, Stupa pennata und St. capillata. Diese
letztern Pflanzen, die auch im Wallis
und anderswo vorkommen, verraten ein bevorzugtes Klima. Es ist unbestreitbar, dass auch Chur
im Sommer sich der günstigen klimatischen Bedingungen des Graubündner Hochplateaus erfreut. Sehr vollständige Angaben
über die Flora Churs finden sich in der Festschrift: Naturgeschichtl. Beiträge zur Kenntnisder Umgebungenvon Chur. Chur 1874.
Quellen, die von Parpan und der Lenzerheide 14-19 km weit hergeleitet werden, versehen die Stadt mit vortrefflichem Trinkwasser.
Die Besiedelung der Umgebung von Chur in vorrömischer Zeit bezeugen die Funde von Gegenständen aus der Bronze- und Eisenzeit,
so z. B. einer Sichel und anderer Bronzeobjekte beim WelschenDörfli, eines Bronzebeiles beim Lürlibad,
einer Lanzenspitze am Sonnenberg, einer Fibula aus der Eisenzeit, etc.
Der Ursprung der Stadt ist in der vorrömischen, alträtischen Zeit zu suchen. Römische Schriftsteller des 3. und 4. Jahrhunderts
nennen die Curia Raetorum als
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Die Häuserzahl von Chur hat sich in den letzten Jahren bedeutend vermehrt und beträgt wohl an 1100 gegen 966 im
Jahre 1900. Auch die Bevölkerungszahl ist gestiegen und beträgt nach einer 1908 vorgenommenen städtischen
¶
Eine bemerkenswerte Sehenswürdigkeit ist das Fontanadenkmal von
Richard Kissling in Zürich.
Mit der Vermehrung der Bevölkerung und der Entwicklung des Verkehrs hält auch die der Schulen Schritt;
die Kantonsschule, welche ein Gymnasium, eine technische Abteilung und eine Handelsabteilung, sowie ein Lehrerseminar vereinigt,
zählt gegen 500 Schüler.
Die städtische Sekundarschule wurde durch Angliederung einer Töchterhandelsschule weiter ausgebaut.