Titel
Chrysostomos
1) Johannes, Patriarch von Konstantinopel, [* 2] einer der berühmtesten Kirchenväter und Redner, geboren um 347 zu Antiochia, wurde nach dem Tod seines Vaters Secundus von seiner frommen Mutter Anthusa trefflich erzogen und von dem berühmten heidnischen Rhetor Libanius unterrichtet, widmete sich anfangs dem Advokatenstand, fühlte sich aber von diesem Beruf bald nicht mehr befriedigt. Vom Bischof Meletius empfing er nach drei Unterrichtsjahren und darauf erfolgter Taufe in seinem 23. Jahr die Weihe zum Amt eines Vorlesers der Heiligen Schrift, unterwarf sich in der Nähe von Antiochia schweren Kasteiungen, bis ihn eine Krankheit 380 zur Rückkehr nach Antiochia nötigte.
Hier zum Diakonus und dann zum
Presbyter geweiht, entwickelte er vor seiner großen
Gemeinde ein seltenes
Rednertalent, welches sich besonders in den 21
Homilien
»De statuis ad populum Antiochenum«, als er 387 nach einem
Aufstand
der Antiochener diese zur
Buße rief, kundgibt. 398 berief ihn der
Kaiser zum
Bischof der Hauptstadt. Die Strenge seiner
Forderungen zog ihm in den höhern
Klassen zahlreiche Feinde zu, die, als Chrysostomos
auch die lasterhafte
Kaiserin
Eudoxia nicht schonte,
Anklage wegen Lästerung der
Kaiserin und wegen Verschleuderung von Kirchengütern gegen ihn erhoben.
Von einer bei dem kaiserlichen
Landgut »Zur
Eiche« (daher die
Synode ad quercum genannt) in der
Nähe von
Chalcedon abgehaltenen Versammlung von
Bischöfen unter dem Vorsitz des Theophilus von
Alexandria, seines erbittertsten Gegners,
ward er abgesetzt, begab sich 403 in die
Verbannung, ward aber auf einstimmige
Forderung seiner
Gemeinde bald wieder zurückgerufen.
Jedoch neue
Ausfälle gegen die
Kaiserin hatten schon 404 seine abermalige
Verbannung zur
Folge, zuerst nach
Nicäa, dann nach Kukusus in den
Wüsten des
Taurus und zuletzt, da auch hier sein frommer
Eifer nicht müßig blieb, nach
Pityus
am östlichen
Ufer des
Schwarzen
Meers. Er starb aber auf der Deportationsreise dahin 14. Sept. 407. Der
Name Chrysostomos
ward ihm erst nach
seinem
Tod beigelegt und sollte die
Fülle seiner
Beredsamkeit bezeichnen.
Die
griechische Kirche feiert sein
Gedächtnis 13. Nov., die römische 27. Jan. Den
Charakter des Chrysostomos
zeichnet ein streng sittlicher,
mit
Liebe gepaarter
Ernst aus, der auch in der
Schrift Ȇber den
Priesterstand« hervortritt, und seine
Gesinnungen waren bei
aller Färbung durch die herrschende
Orthodoxie und bei aller seiner Vorliebe für die mönchische
Askese
seiner Zeit echt christlich. Das
Volk nannte ihn
»Johannes den Almosenspender«. Im großen und ganzen legt Chrysostomos
in seinen
Predigten
und
Homilien, welche sich fast über das ganze
Alte und
Neue Testament erstrecken, die
Bibel
[* 3] auf eine ungezwungene
Weise aus
und weiß
¶
mehr
sie auch mit seltener Meisterschaft fruchtbar anzuwenden. Sein Erfolg als Redner wurde aber auch wesentlich unterstützt durch die Art seines Vortrags, welcher trotz aller im Charakter der damaligen griechischen Prunkrede begründeten Mängel durch wahre Popularität, Klarheit, edle Wortfülle, Kraft [* 5] und Salbung ausgezeichnet war. Die beste Ausgabe seiner Werke lieferte Montfaucon (Par. 1718-38, 13 Bde.; Par. u. Leipz. 1834-40), eine Auswahl Dübner (Par. 1861-62, 2 Bde.). Übersetzt wurden seine Homilien von Cramer (Leipz. 1748-51, 10 Bde.), in Auswahl von Lutz (2. Aufl., Tübing. 1853) und Mitterrutzner (Kempt. 1866 ff.).
Vgl. Neander, Joh. Chrysostomos
(3. Aufl., Berl. 1848);
Lutz, Chrysostomos
und die berühmtesten Redner (2. Aufl., Tübing. 1859);
Thierry, Chrysostomos
et l'impératrice Eudoxie (2.
Aufl., Par. 1874);
Förster, Chrysostomos
in seinem Verhältnis zur antiochenischen Schule (Gotha
[* 6] 1869);
Böhringer, Die Kirche Christi und ihre Zeugen, Bd. 9 (2. Aufl., Stuttg. 1876).
2) Griech. Redner, s. Dion Chrysostomos.