(vom grch. chrónos,
d. i. Zeit), soviel wie Zeit- oder Geschichtsbuch. Die Chronik kann die Geschichte der
Welt im allgemeinen, oder im besondern die eines
Landes,
Volks und seiner Fürsten oder eines Ortes behandeln; mit den
Annalen
(s. d.) ursprünglich gleichbedeutend wird nach heutigem
Sprachgebrauche der
NameChronik auf solche Werke beschränkt, in denen die geschichtlichen Ereignisse ausführlicher und in einem
gewissen innern Zusammenhange erzählt werden.
Man unterscheidet davon einerseits die kürzern, nur chronologisch berichtenden, oft gleichzeitig niedergeschriebenen
Annalen,
und andererseits die pragmatische Geschichtschreibung. Vorzüglich auf Werke des spätern Mittelalters und der nächstfolgenden
Jahrhunderte wird der
Name angewandt, und man versteht unter «Chronikenstil» ihre nüchterne,
aber oft durch treffende
Ausdrücke und eigentümliche Darstellungsweise ansprechende Schreibart. Die älteste Weltchronik
(bis 325) ist von Eusebius in griech.
Sprache
[* 2] verfaßt, von Hieronymus übersetzt und fortgesetzt. Hierauf beruhen
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]
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alle Weltchroniken des Mittelalters, die für uns erst da wertvoll werden, wo der Verfasser sich der Geschichte seiner eigenen
Zeit nähert. Unter den ältern haben die des AngelsachsenBeda (bis 725) und die des Bischofs Frechulf von Lisieux (gest. um
850) eigentümliche Bedeutung. Im 13. Jahrh. beginnt man auch in den Volkssprachen,
neben dem Lateinischen, Chronik zu schreiben, gereimte sowohl wie prosaische, und neben den allgemeinen werden Ortschroniken
vorzüglich im 16. und 17. Jahrh. häufig. Sie enthalten oft sehr wertvollen Stoff, sind aber meist ganz kritiklos und füllen
die ältere Zeit gern mit Fabeln aus.
(Bücher der) werden die beiden jüngsten Geschichtsbücher des Alten Testaments genannt,
welche in der Septuaginta mit dem Namen der Paralipomena, d. i. Nachträge, bezeichnet sind, weil man sie für eine Ergänzung
der Bücher Samuelis und der Könige hielt. Die Einteilung in zwei Bücher kam durch Bomberg aus der Septuaginta und Vulgata
in die hebr. Drucke. Nach der innern Anlage bilden sie nur ein Buch, zerfallen aber in fünf Teile:
1) 1 Chron. 1-9, Geschlechtsregister;
2) Kap. 10-29, die Geschichte Davids, zum Teil wörtlich entlehnt aus den Büchern Samuelis;
3) 2 Chron. 1-9, die Geschichte Salomos;
4) Kap. 10-28, die Geschichte des ReichsJuda während des Bestandes des Reichs Israel. Die Geschichte Israels
selbst wird vollständig ignoriert;
5) Kap. 29-36, die Geschichte des ReichsJuda nach dem Untergange Israels bis zum Ende des Exils. Zu der Chronik gehören als später
losgetrennte Teile die BücherEsra (s. d.) und Nehemia (s. d.).
Hieraus erklärt sich der Umstand, daß das BuchEsra mit denselben Sätzen beginnt, mit welchen die Chronik schließt.
Beide ließen sich nicht anders voneinander loslösen. Die BücherEsra und Nehemia stehen im hebr. Kanonvor derChronik, weil sie
früher kanonische Geltung erlangt haben als diese.
Die Chronik stammt, wie die in ihr und in Esra-Nehemia gegebene Genealogie beweist, erst aus der griech. Zeit
(etwa 300 v. Chr.). Sie stellt die jüngste Umbildung des alten überlieferten Geschichtsstoffes vor; derselbe ward nach den
Voraussetzungen des religiösen Glaubens zurechtgeschnitten. Vom Priestercodex her (s. Pentateuch) ist man gewohnt, sich die
Vergangenheit als im Besitze aller der Güter vorzustellen, welche man erstrebt oder nur unvollkommen besitzt.
Daher führt man besonders geschätzte Einrichtungen der Gegenwart auf die Vergangenheit zurück, so in der Chronik den
Tempelkult und seine Einrichtungen. Den Blick für die staatlichen Aufgaben der Vergangenheit hat man verloren. Man erblickt
daher die Größe der Vergangenheit in der vollkommenen Herrschaft des Mosaischen Gesetzes. Diese verbürgte
den VäternGlück und Gedeihen. Je mehr man sich unter der Herrschaft des Gesetzes in den Glauben eingelebt hat, daß alles
menschliche Thun genau vergolten werde, desto mehr erwartet man, daß der Verlauf der Volksgeschichte dem Vergeltungsglauben
entsprochen habe.
Man korrigiert nach diesem den Geschichtsverlauf. So entsteht die Geschichtsbetrachtung der Chronik: solange
Israel die Gesetze Moses hält, ist es ein mit irdischen Glücksgütern reich gesegnetes Volk;
dadurch, daß es abfällt, zwingt
es Gott, sie ihm zu nehmen. Um diese Betrachtung zu ermöglichen, werden den frommen Königen fabelhafte Siege und unhistor.
Großthaten für das Gesetz, wird wirklich oder vermeintlich unfrommen Königen
allerhand Unheil angedichtet
oder von ihnen erlittenes nach dem Vergeltungsglauben gedeutet. Nach dieser Geschichtsbetrachtung ist das Judentum nicht das
Ziel der Entwicklung Israels, sondern sein Ausgangspunkt. Der Verfasser der Chronik hat, abgesehen von den judäischen
Stammbäumen, außer den im Alten Testament erhaltenen Quellen, keinerlei alte Quellen besessen und auf Grund
dieser seine Darstellung entworfen. Das von ihm vielleicht sonst benutzte, wenigstens mehrfach citierte Material bestand in
einer nachexilischen Bearbeitung der Königsgeschichte von gleichem Charakter und gleichem Unwerte. Daraus folgt, daß der
Inhalt der Chronik, sofern er von dem Inhalte von Samuelis und Könige abweicht, wohl Quelle
[* 4] für das 3. Jahrh.
v. Chr. ist, und zwar eine vorzügliche, aber keine Quelle, welche über die Geschichte Israels belehrt.