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330 hnstus. ^Vitt. -Was Christus uns ist, und welch ein unvergleichliches Necht es ist, unsern Erlöser anrufen zu dürfen, das kann dem Menschen nur im Gefühl seiner Sündhaftigkeit und seines gänzlichen Unwerthcs vor GOtt, in der Zerknirschung der Buße, die früher oder später, plötzlich und heftig, oder gelinde und anhaltend, über einen Jeden kommen muß, offenbar werden.
Der Sünder Freund, welcher sucht, was verloren ist;
ein Mensch, wie wir, zu unserm ganzen Elend erniedrigt;
in Allem versucht, wie wir, nur ohne der Sünde irgend auch im Gedanken zu unterliegen;
der Helfer, der Niemanden, auch den Verworfensten nicht, wenn er zu ihm kommt, hinausstößt;
der Heiligste und Gctreueste, wie der mitleidigste Retter;
er, die göttliche Allmacht und Liebe, uns aufs Nächste verwandt, und allgegenwärtig, um jeden Augenblick unser Flehen zu hören, ja unser leisestes Sehnen zu verstehen, und es in das Aller-heiligste des Vaters zu tragen: wer dieses Geschenk, der Welt von GOtt vermacht, nicht mit der tiefsten Rührung zu ergreifen weiß, der ist ohne Widerrede noch unreif zum wahreu Christenglauben, und zur Verkündigung des Wortes des Lebens.
Ein Solcher wird oft saure Wege geführt, und in Sünden fallen gelassen, bis er sein dringendstes Bedürfniß inne wird." u. Meyer, I. o. S. 183. - Es scheint auch noch wenig Erkenntniß von dem zu verrathen, was es ist: beten, vor dem Unendlichen und Heiligen, vor die höchste Majestät treten, wenn man meint, so ohne Weiteres in eigener Machtvollkommenheit und Würdigkeit das thun zu dürfen, und keines Mittlers, keines Fürbitters zu bedürfen.
Vielmehr wird ein Herz, jemehr es von dem Gefühl der Majestät GOttes, von der Kühnheit des Betens, und von dem Bewußtsein der eignen Unwürdigkeit durchdrungen wird, desto lebhafter auch das Bedm' nitz fühlen, den Mittler anzurufen, und durch ihn zum Vater zu kommen.
Ueberhaupt liegt in dem steten unverrückten Aufblick auf Christum, als den uns Nahen, Lebendigen, die Quelle des ganzen christlichen Lebens.
Das Leben eines Christen besteht in der steten Anrufnng Christi, in dem Umgänge mit ihm, wo wir ihn nicht als einen Fernen, von uns Getrennten, und von uns keine Kenntniß Nehmenden nur denken;
sondern an ihn, als den Gegenwärtigen, uns Kennenden uns wenden, Du zu ihm sagen, und aus seiner Fülle nehmen, was wir bedürfen.
Dieser Nerv des christlichen Lebens wird abgeschnitten, wenn man dem Christen die An rufung Christi nehmen will.
Erst mit ihr beginn das wahre christliche Leben, die wahre innere G? meinschaft mit Christo, wie sie bei den Aposteln war, Gal. 2, 20. - Endlich hat auch die Anrufung Christi den wesentlichen Einfluß auf unsern christlichen Cultus.
Fände da nur eine Anbetung GOttes Statt, wie wir ihn aus der Natur kennen, so würde darans ein kalter Natur-Gottesdienst entstehen, ähnlich dem deistischen oder theophilanthropistischen Cultus, der Niemanden erwärmt, Niemanden befriedigt, und in sich selbst den Keim seiner Auflösung trägt.
Erst mit der Anrufung Christi bekommt unsere Anbetung Innigkeit, Kraft, Wärme, weil wir nun den nahen, offenbaren, gegenwärtigen GOtt haben: und gerade die höchsten christlichen Feste erlangen dadurch erst ihre volle Weihe und Segen;
es verbreitet sich über sie ein Himmelsglanz, weil sie von dem Geiste des angebeteten Christus durchdrungen werden.
Dies zeigt sich vornehmlich auch in den Gebeten und Liedern: Christuslose sind ohne Kraft und Salbung;
Christusvolle heben, begeistern die Gemüther.
Kurz die Anrufung Christi ist die Seele des Gottesdienstes. §. 7. V. Die Lehre von der Gottheit Christi hat für das praktische Christenthum eine vielseitige Wichtigkeit:
1) in Beziehung auf unsere religiöse Erkennt-niß, da GOtt erst im Lichte dieser Lehre als das ewig liebende Wesen erscheint, ja dessen eigentliches Grundwesen die Liebe ist;
und GOtt erst ewigliebender Vater wird, wenn nüt ihm, in ihm gegründet, der Sahn gleicher Art ist, als ewiges Object seiner Liebe, Joh. 3, 35. c. 17, 24. 26. Dadurch wird die höchste, vollkommenste Offenbarung GOttes vermittelt, wenn er im menschgewordenen Sohne erscheint, und das Bedürfniß der menschlichen Natur, sich ein anschauliches Bild von GOtt zu machen, auf die allein würdige Weise befriedigt;
Joh. 1, 14. 18. c. 14, 9. 1 Tim. 3, 16. das Wort Christi aber, als Wort des Sohnes GOttes, bekommt dadurch das höchste nur denkbare Ansehn, die religiöse Wahrheit die heiligste Sanction und unser Glaube unerschütterliche Festigkeit, Joh. 14, 10. Ebr. 1, 2. 2) in Beziehung auf unsere religiöse Gesinnung. So wie es der höchste, alles uuser Denken übersteigende Beweis der Liebe GOttes ist, seineu Sohn, das Liebste, uns gegeben, dem menschlichen Geschlechte einverleibt zu haben, Joh. 3, 16. Röm. 8, 32. (wobei eben der Grad dieser Liebe ganz abhängig ist von der Hoheit der Person), so muß das auch gegen GOtt eine Liebe einflößen, wie schlechterdings durch nichts Anderes erregt werden kann.
Röm. 5, 5. 8. 1 Joh. 4, 19. Auf gleiche Weise erscheint die herablassende und sich aufopfernde Liebe Christi desto bewundernswürdiger, ein je höheres Wesen er ist, Matth. 20,' 28. Phil. 2, 6. und verpflichtet uns zur innigsten hingebenden Gegenliebe, 2 Cor. 5, 14. Gal. 2, 20. so wie auch durch den Glauben an die lebendige Nähe JEsu die vollste Gemeinschaft der Gläubigen, in der Vereinigung ihrer Herzen in IEsu, im Wirken für seine Werke, und in der Andacht erzeugt wird, Matth. 18, 20. Joh. 17, 21. c. 15, 5. in Beziehung auf unsere religiöse Hoffnung.
Die unauflösliche Vereinigung des Sohnes GOttes mit der Menschheit ist der einzig sichre Grund für die Hoffnung unserer ewigen Vereinigung mit GOtt, mithin unserer Seligkeit, Joh. 14, 21. c. 17, 24. Röm. 8, 28-39. 1 Joh. 3,1-3. Ueber die praktische Kraft der Lehre von der Gottheit Christi findet sich das Beste in: Rambach, Luthers Allserlesene Erbauliche Kleine Schriften.
Berlin 1743. S. 240-46. Starr, über den Zweck der evangel. Gesch. Io-hannis, besonders von S. 491 an.
Koppen, wer ist ein Christ? S. 116. 117. 176-199. Sartorius, Vorles. über die Lehre von Christi Person und Werk. 2te A. Hamb. 1837. The-remin's Predigten II. nr. 6. S. 109-126. von der Gottheit Christi (d. i. über die empörenden Consequenzen des Leugnens dieser Lehre). z. 8. Dieser Glanz der Herrlichkeit GOttes, Gbr. 1, 3. ist auch wahrer Mensch, I) weil er ausdrücklich ein Mensch genannt wird, Joh. 8, 40.").
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231 II) Weil er die wesentlichen Theile eines Menschen, nämlich Seele.
Matth. 26, 38. Luc. 23, 46. und Leib, Joh. 2, 21. Joh. 20. 24. f. Ebr. 2, 14. hat. a) Röm. 9, 5. lß. ß.) Denn es ist Ein GOtt und Ein Mittler zwischen GOtt und den Menschen, nämlich der Mensch Christus IGsuZ, 1 Tim. 8. 9. Christus hat also zwei Naturen, die gött-liche und die menschlich^ und ist doch nur Eine Person, und also nur Ein Christus;
denn die Naturen sind so genau verbunden, verknüpft und vereinigt, daß nur Eine Person, auf eine unaussprechliche Art, daraus geworden, und diese heißt man Oea^.5 («cl)7ro5, Gatlmensch. Christus selbst bezeichnet diese doppelte Natur, Joh. 5,27. Die Vereinigung aber wird die persönliche Vereinigung, Röm, 9, 5. 1 Tim. 2, 5. genannt. Es hat Christus zwar eine doppelte Substanz oder Wesen, aber keine zweifache Subsistenz oder Selbstftändigkeit. In ihm (Christus) wohnet die ganze Fülle der Gottheit, Col. 2, 9. Der Vater hat ihm (dem Sohne) Macht gegeben, auch das Gericht zu halten, darum, daß er des Menschen Sohn ist, Joh. b, Z?. §. 10. Er wird auch in der Schrift a) bald GOttes, Röm. 1, 3. 4. b) bald des Menschen Sohn genannt, Matth. 18, 11. c. 25, 31. c. 26, 2.24. a) Petrus sprach: du bist Christus, des lebendigen GOttes Sohn, Matth. 16, 16. Luc. 9, 20. Wie dünket euch um Christo? Wes Sohn ist er? Sie sprachen: Davids. Er aber sprach: wie nennet ihn denn David im Geist einen HErrn? Matth. 22, 42. Nadbi, du bist GOttes Sohn, du bist der König von Israel, Joh. i, 49. Martha sprach: HErr, ja ich glaube, daß du bist Christus, der Sohn GOtteZ, dex in die Welt gekommen ist, Joh. 11, 27. Und wir haben geglaubet und erkannt, dah du bist Christus, der Sohn des lebendigen GOttes, Joh. 6, 69. Diese aber sind geschrieben, daß ihr glaubet, IEsus sei Christ, der Sohn GOttes, und daß ihr durch den Glauben das Leben habet in seinem Namen, Joh. 20, 31. d) Wer sagen die Leute, daß des Menschen Sohn sei? Matth. 16, 13. Er wird 82 Mal des Menschen Sohn in der Schrift genannt. §. 11. Es kommt ihm also eine doppelte Gebnrt zu, I) die ewige, von. seinem himmlischen Vater (8. 5.) Ps. 2, ^. Joh. 1, 14. Ebr. 1. 3. II) die zeitliche von der Inngfrau Maria, wunderbar durch Neberschattung des heiligen Geistes empfangen und geboren, Esa. 11,1. Jer. 23, 5. f. Luc. 1, 31. Gal. 4, 4. Von beiden Geburten zugleich siehe Esa. 9, 6. Mich. 5, 1. z. 12. Wie es mit der ewigen Geburt zugegangen, wissen wir nicht, Esa. 45, 15. Ps. 139, 6. Huiä 8it nasei, yuiä proo688U8, ws uvsoirs suw. pro-ks38U8. (Hob. Hkläne.) So viel ist fest zu halten, daß das Sein des Sohnes nicht etwas Zufälliges, sondern etwas nothwendig in GOtt Gegründetes und also Ewiges ist. Was seine Menschwerdung, oder seine menschliche Geburt anlangt, so ist diese auf übernatürliche Weise geschehen, damit er von aller sündlichen Befleckung rein geboren würde, und als der Eine Heilige und Nnsündliche unsers Geschlechts, als der zweite geistlicheAdam Allen vorleuchten konnte. In dem Leibe der Jungfrau Maria aber hat der heilige Geist diejenigen Theilchen, aus denen der Leib Christi hat sollen gebildet werden, von allen sündlichen Theilen abgesondert, geheiligt, so disponirt, solche an den gehörigen Ort gebracht, daß eine lebendige Frucht daraus geworden, welche wunderbarer Weise hat können als ein heiliger, unschuldiger, unbefleckter und von den Sünden abgesonderter ge- boren werden, Ebr. 2,14. Joh. 1, 14. Gal. 4, 4. Seine menschliche Natur ist der unsern gleich so^aova'ios) die Sünde allein ausgenommen, wider die Manichäer uuo Valentinianer, welche die wahre Menschheit Ehristi leugnen, und ihm nur einen Schatten des Leibes zuschreiben. z. 13. Nach dieser Gemeinschaft der Naturen (z. 8.) kann ich sagen: der Mensch Christus IGsus ist GOtt, oder hat eine göttliche Natur, und der GOtt Christus ist eiu wahrer Mensch, oder hat eine menschliche Natur, Jer. 23, 5. Matth. 16,16. Matth. 22, 45. Luc. 1, 32. Röm. 1, 3. A.G. 20, 28. 1 Joh. 1, 7. z. 14. Aus dieser persönlichen Bereinigung (z. 8. 12.) der zwei Naturen entsteht die Mittheilung der Eigenschaften, da eine jede Natur die ihr zuge-hörigeu Eigeuschafteu der andern mittheilt nno gleichsam beiden gemein macht, z. B. durch sein Blut hat Christus seine Gemeinde erlöset, GOtt hat kein Blut; und da es nuu Christo, als dem wahren GOtt (§. 6) zugeschrieben wird, so folgt, daß die menschlichen Eigenschaften der göttlichen Natur mitgetheilt werden. (Wider die Calvinisten.) §. 15. Christus hätte bei dem völligen Gebrauch der göttlichen Majestät nicht sterben können, daher erniedrigte er sich nach der menschlichen Natur, nach welcher er auch wieder erhöht wurde; denn die göttliche leidet keine Veränderung. Daher haben wir zweierlei Stand von Christo, nämlich den Stand der Erniedrigung; und den Stand der Erhöhung. Jener besteht darin, daß Christus sich des unbeschränkten Gebrauchs und der vollen Offenbarung seiner majestätisch-göttlichen Kraft enthalten hat, und in Knechtsgestalt seinem Vater bis zum Tode gehorsam war; dieser darin, daß Christus den völligen Gebrauch seiner Majestät wieder angenommen, und nun, sitzend zur rechten Hand GOttes, Alles allgegenwärtig regiert und beherrscht. Im Stande der Erniedrigung mnßte Christus hier leben, um als Heiland wirken, kämpfen, leiden und sterben zu können, und einen Glauben zu erzeugen, der nicht durch den Glanz seiner Majestät erzwuugen, sondern aus freier Ehrfurcht entsprungen war. Die Erhöhung mutzte erfolgeu, da sie ihm gebührte, und zu seiner Auszeichnung und zur unumschränkten und fortgehenden Ausführung seines Heilandsamtes erforderlich war, so wie sie ein Unterpfand der Verherrlichung aller Gläubigen ist. Ein Jeglicher sei gesinnet, wie IEsus Christus auch war, welcher, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt ers nicht für einen Raub, GOtt gleich sein (ist er nicht gleich zugefahren, der ihm mitgetheilten göttlichen Herrlichkeit nach seiner menschlichen Natur begierig zu gebrauchen); sondern äußerte (f. äußern, S. 31.) sich selbst und nahm KnechtZgestalt an, ward gleich wie ein anderer Mensch, und an Geberden als ein Mensch erfunden: Er erniedrigte sich selbst, und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch GOtt erhöhet, Phil. L, 6-3. §. 16. Das Amt des Gottmenschen Christi ist dreifach, I) das Prophetische, da er den Menschen den Rath und Willen GOttes von dem ewigen Heil verkündigt, und den Weg zur Seligkeit zeigt, theils in selbsteigener höchster Person, da Er sein heiligstes Lehramt auf Erden führte, theils durch seine Jünger und Apostel, durch rechtschaffene Lehrer und Prediger bis ans Ende der Welt. Christus aber war deswegen kein neuer Gefetzgeber, Röm. 3, 31. sondern das Gesetz bleibt eine Regel heiligen Lebens. Er heißt der große Prophet, Luc. 7, 16. Joh. 6, 14. vgl. 5 Mos. 18,15. Matth. 21, 11. c. 7, 29. Von diesem seinem Proptzetenamt siehe Esa. 11, 2. cap.