Chrétien
de
Troyes (spr. kretjäng de
troá), altfranz. Dichter, geb. zwischen 1140 und 1150 wahrscheinlich
zu
Troyes, erhielt eine gelehrte
Bildung, lebte lange als Hofdichter bei Philipp von Elsaß,
Grafen von
Flandern
und
Vermandois (1168-91) und starb wahrscheinlich vor 1191. Chrétien
war als
Lyriker einer der
ersten
Trouvères (s. d.).
Sein Ruhm und sein Einfluß auf die
Entwicklung der
nordfranz.
Poesie beruhen jedoch auf epischen
Dichtungen, besonders
auf
den
«Contes» aus dem Sagenkreise von
Artus und der
Tafelrunde, die überall, namentlich in
Deutschland,
[* 2] Bearbeiter und Nachahmer fanden.
Sein Epos «Del roi Marc et d'Ysalt la blonde» (Tristansage) ist verloren. Erhalten haben sich «Li Contes d'Erec» (hg. von W. Foerster, Halle [* 3] 1890),
worin er den Stoff zu Hartmanns von Aue «Erec» bot;
«Li Contes de Cliges» (hg. von W. Foerster, ebd. 1884; s. Clies),
«Li Romans del Chevalier de la Charrete» (beendet von Godefroy de Laigny),
zur Sage von Lancelot gehörig und von Jonckbloet (Haag [* 4] 1846-50) veröffentlicht;
«Li Romans dou Chevalier au Lyon» [* 5] (hg. von Foerster, Halle 1887),
ebenfalls durch Hartmann von Aue im «Iwein» auf deutschen Boden verpflanzt;
endlich das bedeutendste, von Wolfram von Eschenbach (Parzival) benutzte Werk C.s: «Li Contes del Graal» oder der Roman von «Perceval le Gallois», der mit den Fortsetzungen von Gautier de Doulens, Manesier und Gerbert in vielen Handschriften erhalten ist (hg. von Potvin, 6 Bde., Mons [* 6] 1865-72; die Fortsetzungen von C.s «Perceval le Gallois» nach den Pariser Handschriften behandelt Waitz, Straßb. 1890).
Den
Stoff zu diesen
Dichtungen fand Chrétien
in den durch bretonische
Spielleute verbreiteten
Artuserzählungen, die man aber aus den von Chrétien
bereits beeinflußten walisischen «Mabinogion»
(s. d.) nicht kennen lernt. Die Graldichtung beruht auf einem ältern Gedicht
Roberts de Boron über Perceval, das nur in einer altfranz. Prosabearbeitung (hg. von Hucher, 3 Bde.,
Par. 1875-79) erhalten ist und den dritten
Teil einer umfangreichen Graldichtung bildete, deren von
Joseph von
Arimathia handelnder
Anfang allein noch vorliegt (hg. von
Michel, ebd. 1841).
Vgl. hierüber Birch-Hirschfeld, Die Sage vom Gral (Lpz. 1877).
Chrétien
verhielt sich diesen
Quellen gegenüber schöpferisch frei;
C.s Verhältnis zum welschen Peredur und
zum engl.
Sir Parceval behandelt
Golther (in den
«Abhandlungen der
Münchener
Akademie», 1890). Einer Legende entnahm Chrétien
den
Stoff
zu dem «Contes del Roi
Guillaume d'Engleterre», der übrigens Chrétien
auch abgesprochen wird (hg. von
Michel in
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den «Chroniques anglonormandes», Bd. 3, Rouen [* 8] 1840),
wovon Keller in den «Altfranz. Sagen» (2 Bde.,
Tüb. 1839-40) eine deutsche Bearbeitung gegeben hat. Auf letzterer beruht O. Schönhuths «Historie
von König Wilhelm und seinen Söhnen» (Reutl. 1852). Nicht nur in stofflicher, sondern auch in formeller Hinsicht ist Chrétien
der
erste unter den nordfranz. Trouvères; seine Sprache
[* 9] und sein Versbau wurden von seinen Fachgenossen als
Muster aufgestellt, Episoden, Motive, Situationen, Charaktere und Wendungen wurden von Dichtern des Artussagenkreises und von
Verfassern von Abenteuerromanen ihm bis ans Ende des 13. Jahrh. entlehnt; er darf als Begründer
des höfischen Erzählerstils des Mittelalters betrachtet werden. -
Vgl. Holland, Chrestien von Troies.
Eine litteraturgeschichtliche Untersuchung (Tüb. 1854); Potvin, Bibliographie de C (Brüss. 1863).