Chorāl,
eine kirchliche Melodie, die von mehrern einstimmig gesungen wird. Der Name entstand in der kirchlichen Musik des Mittelalters und
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.] ¶
mehr
bezeichnete als musica choralis
den einfachen, durch Papst Gregor d. Gr. gestalteten Gesang der liturgischen Stücke im Gegensatze
zur musica figuralis, dem kunstvollen Tonsatze für mehrere Stimmen. Die alten Melodien der mittelalterlichen Choral
musik,
zwar nicht taktlos, aber doch taktfrei gehalten, sind rhythmisch und namentlich melodisch oft von großer Schönheit. Sie
wurden von der kirchlichen
[* 2]
Figuralmusik als Grundmelodien (Themen) verarbeitet und
heißen cantus firmus (s. Choralbearbeitung).
Eine besondere, von der mittelalterlich kirchlichen Weise abweichende Ausbildung und abgeschlossene liedartige Gestalt erhielt
der Choral
in der luth. Kirche. Luther sammelte alle Hauptmelodien der alten Kirche von dem sog. Ambrosianischen Lobgesange an bis
auf seine Zeit, vermehrte sie durch herrliche eigene Erzeugnisse und regte seine Freunde, Dichter wie
Musiker, zu gleichen Thaten an. Bald entstanden ganze Sammlungen (von denen diejenigen, welche die Melodien enthalten, Choralbücher
[s. d.] genannt werden) und wuchsen nach und nach zu Tausenden an. Luthers bahnbrechende That hatte in kirchlicher wie in
musikalischer Hinsicht gleich große Folgen.
Der Choral
gesang verlieh dem Gottesdienste seiner Anhänger eine feste Gestalt und auszeichnende Eigentümlichkeit; die spätern
ähnlichen Erzeugnisse der Reformierten, der Anglikaner und selbst der Katholiken waren nur eine mehr oder weniger modifizierte
Nachahmung der luth. Vorbilder. Hinsichtlich der Kunstmusik wurde der Choral
im Bereiche der luth.
oder evang. Kirche so herrschend, daß die Geschichte eines Hauptzweigs der deutschen Musik, welchem die größten Meister angehören,
als harmonische Ausgestaltung dieser schönen Kirchenmelodien betrachtet werden kann.
Was man heute Choral
nennt, bezieht sich denn auch vorzugsweise auf die Kirchenlieder der Lutheraner und deutet sowohl die Eigentümlichkeit
wie auch eine gewisse Beschränktheit der prot. Kirchenmusik an. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes
Choral
, als Bezeichnung des vom Chor Gesungenen, hat sich noch im Englischen erhalten. Ein Chorgesangverein heißt in England Choral
Society, und Beethovens 9. Sinfonie wird wegen der Beteiligung des Gesanges dort Choral
Sinfony genannt. -
Vgl. von Winterfeld, Der evang. Kirchengesang (3 Bde., Lpz. 1843-47);
Bäumker, Das kath. deutsche Kirchenlied in seinen Singweisen (2 Bde., Freiburg [* 3] 1883-86);
J. ^[Johannes] Zahn, Die Melodien der deutschen evang. Kirchenlieder (Gütersloh 1888 fg.).