Choiseul-Amboise
(spr. schŏăsöll angbŏahs’), Etienne François, Herzog von, franz. Staatsmann, geb. 1719, focht als Graf von Stainville im Österreichischen Erbfolgekriege, stieg zum Oberst und Generallieutenant auf, gewann durch Heirat ein gewaltiges Vermögen und kam durch seine Verbindungen mit der Marquise von Pompadour in diplomat. Thätigkeit rasch empor. 1756 wurde er an den röm. Hof als Gesandter geschickt; schon nach wenigen Monaten löste er in Wien den Abbé Bernis, der das Ministerium des Auswärtigen übernahm, ab und folgte diesem im Nov. 1758 auch als Minister.
Die kriegerischen Unternehmungen Frankreichs gegen Preußen und England, die Choiseul-Amboise von Bernis und der Pompadour übernahm, endigten allen militär. und diplomat. Anstrengungen C.s zum Trotz für Frankreich unglücklich. Vergebens war es, daß er 1761 das Ministerium des Krieges selbst übernahm, den Bund mit Osterreich fester knüpfte und Spanien und Italien im Bourbonischen Hausvertrag (s. d.) an die franz. Politik fesselte. Es blieb ihm nur übrig, die Wunden, die der Kampf dem Staate geschlagen, zu heilen.
Hierin entwickelte er seit dem Pariser Frieden (1763) eine vielseitige und rege Thätigkeit. Begabt, glänzend, gedankenreich, aber weder tief noch stetig, hat der geschickte Hofmann und Verwalter eine Anzahl von Zeitideen wenigstens in die Oberfläche des franz. Staatslebens eingeführt. Es gelang ihm, die Flotte neu zu schaffen, Handel und Industrie emporzubringen. Domingo, Martinique, Guadeloupe wurden unter seiner Regierung für das Mutterland von ungeahnter Bedeutung. Er legte Militärschulen an, bildete das Artillerie- und Geniewesen mit Hilfe sachkundigster Berater aus und reformierte die Armee nach den Grundsätzen Friedrichs II. im Sinne der Einheit, der Erhebung aus einer Privatunternehmung zum vollen Staatsinstitut.
Dabei unterließ er nicht, den so gestärkten Einfluß Frankreichs in der europ. Politik aufrecht zu erhalten. So unterstützte er die poln. Konföderation, verwickelte Rußland in den Krieg mit der Pforte und erwarb Corsica. der franz. Krone trotz Englands Eifersucht. Choiseul-Amboise wandte, im Geiste der Physiokraten, dem Ackerbau und Getreidehandel zuerst wieder eifrige Sorge zu;
in seiner Behandlung der Städte zeigt sich ein gleichmachender und liberaler Zug; mit dem Parlament kam er trotz mancher finanziellen Reibungen besser aus als irgend ein Minister seiner Zeit;
ihn verband mit jenem die gleiche antiklerikale Gesinnung.
Dem Parlament nachfolgend hob Choiseul-Amboise, allmählich fortschreitend, die Jesuiten 1764 für Frankreich auf; die Gemeinschaft der bourbonischen Höfe dehnte diese Maßregel über Spanien und die befreundeten Länder bis nach Rom selbst aus: der franz. Gesandte Bernis verpflichtete den neuen Papst Clemens XIV. im voraus zu Handlungen gegen die Jesuiten. Eben an diese kirchliche Politik knüpfte die franz. Opposition wider Choiseul-Amboise an; als die Gräfin Dubarry mit seinen Gegnern, dem Herzog von Aiguillon, Abbé Terray und dem Kanzler Maupeou, sich verbündet hatte, ward er gestürzt. Eine Bewegung der auswärtigen Politik half jener Gruppe; Choiseul-Amboise dankte 1770 ab und lebte auf seinem Landsitz Chanteloup, um so mehr von Popularität umgeben, je verhaßter seine Gegner im Ministerium wurden. Ludwig XVI. rief ihn 1774 nach seiner Thronbesteigung wieder an den Hof, ohne ihm jedoch ein Ministerium zu geben. Choiseul-Amboise starb -
Vgl. K. von Schlözer, Choiseul-Amboise und seine Zeit (Berl. 1848);
Filon, L’Ambassade de à Vienne 1757 et 1758 (Par. 1872);
Jobez, La France sous Louis XV, Bd. 5 u. 6 (ebd. 1869-73);
Masson, Le Cardinal de Bernis (ebd. 1884).