Chlorwasse
rstoff
[* 1] HCl findet sich in den
Gasen, welche manche
Vulkane
[* 2] aushauchen, auch gelöst in
Quellen, die auf vulkanischem
Boden entspringen, und entsteht direkt aus
Chlor und
Wasserstoff, welche sich im Sonnenlicht unter
Explosion,
im zerstreuten Tageslicht allmählich, aber nicht im
Dunkeln miteinander verbinden. Auch der elektrische
Funke,
Platinschwamm
oder eine
Flamme
[* 3] bewirken die augenblickliche Vereinigung der beiden
Gase.
[* 4] Chlorwasse
rstoff entsteht außerdem sehr allgemein bei Einwirkung
von
Chlor auf wasserstoffhaltige
Körper, von
Sauerstoffsäuren auf
Chlormetalle und oft auch bei der
Zersetzung
von Chlorverbindungen durch
Wasser.
Dargestellt wird er ausschließlich durch Behandeln von
Chlornatrium
(Kochsalz) mit
Schwefelsäure,
[* 5] wobei schwefelsaures
Natron
entsteht und Chlorwasse
rstoff entweicht. Chlorwasse
rstoff bildet ein farbloses
Gas, riecht stechend, bildet an der
Luft dichte
Nebel, indem er die
Feuchtigkeit
der
Luft anzieht, besitzt das
spez. Gew. 1,255, so daß 1
Lit. 1,632 g wiegt; er ist nicht brennbar, reagiert
stark sauer und wird bei 10° durch einen
Druck von 40
Atmosphären zu einer farblosen
Flüssigkeit verdichtet. Er wird durch
Hitze nicht zerlegt, gibt aber mit vielen
Metalloxyden
Chlorid und
Wasser, mit
Metallen
Chlorid und
Wasserstoff, und wenn man
ihn mit
Sauerstoff oder
Luft erhitzt, so entsteht
Chlor und
Wasser (s.
Chlor).
Alkohol absorbiert sehr reichlich Chlorwasse
rstoff unter
Bildung von
Äthylchlorür; alkoholische
Lösungen vieler
Säuren liefern bei Behandlung
mit Chlorwasse
rstoff zusammengesetzte
Äther. (Leitet man z. B. Chlorwasse
rstoff in alkoholische Benzoesäurelösung,
so entsteht Benzoesäureäthyläther.) Sehr energisch wird Chlorwasserstoff
von
Wasser absorbiert, und diese
Lösung
bildet die Chlorwasserstoff
säure oder
Salzsäure. Diese entsteht in sehr großen
Mengen als Nebenprodukt in der Sodafabrikation,
wo man
Chlornatrium mit
Schwefelsäure zersetzt, um das erhaltene schwefelsaure
Natron
(Sulfat) durch
Schmelzen mit
Kohle und kohlensaurem
Natron in kohlensaures
Natron zu verwandeln.
Die Sulfatbildung vollzieht sich in zwei Stadien. Die
Arbeit beginnt in geschlossenen
Schalen, aus welchen
die
Gase entweichen, und wird im
Muffel- oder Flammofen bei höherer
Temperatur vollendet. Da reines Chlorwasserstoffgas
sehr
leicht, mit
Luft gemischtes aber viel schwerer von
Wasser absorbiert wird, so muß man, wenn sämtlicher in einer
Fabrik erzeugter
Chlorwasserstoff
in
Salzsäure von 20 oder 22° B. (für den
Handel) verwandelt werden soll, die Sulfatbildung nur im
Muffelofen vornehmen, weil sich im Flammofen und namentlich bei der
Feuerung mit
Steinkohlen dem Chlorwasserstoff
zuviel
Luft beimengt und
dann nur schwache
Säure von 2-4° B. erhalten wird.
Die
Absorption des Chlorwasserstoffs
durch
Wasser geschieht in niedrigen, aus Sandsteinplatten (die eventuell
in
Teer gekocht wurden) konstruierten, mit
Wasser gefüllten und durch
Röhren
[* 6] b miteinander verbundenen Trögen a
[* 1]
(Fig. 1),
welche terrassenförmig aufgestellt werden. Der Chlorwasserstoff
tritt in den untersten
Trog ein u. strömt dem
Wasser entgegen, welches
vom obersten
Trog aus allmählich durch den ganzen
Apparat fließt und den untersten
Trog in Form starker
Salzsäure verläßt. Sehr häufig benutzt man statt der Tröge auch
Woulfesche
Flaschen
(Bombonnes, Touries,
[* 1]
Fig. 2) aus
Steinzeug,
die bis 300
Lit. fassen, in großer Zahl durch
Röhren zu
Strängen verbunden und ebenfalls terrassenförmig aufgestellt werden,
damit auch in ihnen der Gasstrom einem Wasserstrom begegnen kann. Diese
Apparate reichen, namentlich bei
sehr großem Betrieb, nicht aus und werden daher meist nur in
Verbindung mit 1,5-36 m hohen, aus Sandsteinplatten konstruierten
Kokstürmen angewandt, in welchen
Wasser in seiner Verteilung über
Koks herabrieselt, während Chlorwasserstoff
unten in den
Turm
[* 7]
¶
mehr
eintritt und dem Wasser entgegenströmt. Die Tröge oder Flaschen werden dann zwischen Ofen und Turm eingeschaltet, um den Chlorwasserstoff
möglichst
abgekühlt in den Turm gelangen zu lassen.
Die rohe Salzsäure bildet eine durch Eisengehalt gelb gefärbte, an der Luft rauchende, mit Schwefelsäure, schwefliger Säure,
Chlor und Arsen verunreinigte Flüssigkeit, welche durch Behandlung mit Schwefelwasserstoff oder durch Versetzen
mit 0,5 Proz. unterschwefligsaurem Natron, Filtrieren
[* 9] und Destillieren gereinigt werden kann. Reine Salzsäure erhält man durch
Destillation
[* 10] von Kochsalz mit arsenfreier Schwefelsäure und Wasser aus Glasgefäßen, wobei man das entwickelte Chlorwasserstoffgas
in destilliertes Wasser leitet. 1 g Wasser löst C.
bei | 0°: | 0.825 | Gramm | bei | 40°: | 0.633 | Gramm |
" | 8°: | 0.783 | " | " | 48°: | 0.603 | " |
" | 16°: | 0.742 | " | " | 56°: | 0.575 | " |
" | 24°: | 0.700 | " | " | 60°: | 0.561 | " |
" | 32°: | 0.665 | " |
Über den Gehalt der reinen Salzsäure bei verschiedenem spezifischen Gewicht (bei 15°) gibt folgende Tabelle Auskunft.
100 Teile enthalten | Chlorwasserstoff | ||
---|---|---|---|
Grade Baumé | Spezifisches Gewicht | bei 0° | bei 15° |
0 | 1,000 | 0.0 | 0.1 |
1 | 1,007 | 1.4 | 1.5 |
2 | 1,014 | 2.7 | 2.9 |
3 | 1,022 | 4.2 | 4.5 |
4 | 1,029 | 5.5 | 5.8 |
5 | 1,036 | 6.9 | 7.3 |
6 | 1,044 | 8.4 | 8.9 |
7 | 1,052 | 9.9 | 10.4 |
8 | 1,060 | 11.4 | 12.0 |
9 | 1,067 | 12.7 | 13.4 |
10 | 1,075 | 14.2 | 15.0 |
11 | 1,083 | 15.7 | 16.5 |
12 | 1,091 | 17.2 | 18.1 |
13 | 1,100 | 18.9 | 19.9 |
14 | 1,108 | 20.4 | 21.5 |
15 | 1,116 | 21.9 | 23.1 |
16 | 1,125 | 23.6 | 24.8 |
17 | 1,134 | 25.2 | 26.6 |
18 | 1,143 | 27.0 | 28.4 |
19 | 1,152 | 28.7 | 30.2 |
19.5 | 1,157 | 29.7 | 31.2 |
20.0 | 1,161 | 30.4 | 32.0 |
20.5 | 1,166 | 31.4 | 33.0 |
21.0 | 1,171 | 32.3 | 33.9 |
21.5 | 1,175 | 33.0 | 34.7 |
22.0 | 1,180 | 34.1 | 35.7 |
22.5 | 1,185 | 35.1 | 36.8 |
23.0 | 1,190 | 36.1 | 37.9 |
23.5 | 1,195 | 37.1 | 39.0 |
24.0 | 1,199 | 38.0 | 39.8 |
24.5 | 1,205 | 39.1 | 41.2 |
25.0 | 1,210 | 40.2 | 42.4 |
25.5 | 1,212 | 40.7 | 42.9 |
Reine Salzsäure ist farblos, raucht an der Luft, riecht stechend und schmeckt stark sauer; beim Erhitzen gibt starke Salzsäure
ab, während sehr schwache Salzsäure beim Kochen Wasser verliert und stärker wird. Zuletzt destilliert in beiden Fällen eine
Säure, die bei 110° siedet und 20,24 Proz. Chlorwasserstoff
enthält.
Salzsäure löst verschiedene Metalle und Metalloxyde zu Chlormetallen (Chlorüren, Chloriden), gibt mit Schwefelmetallen
Schwefelwasserstoff und Chlormetalle, zersetzt Kohlensäuresalze ebenfalls unter Bildung von Chlormetallen und entwickelt mit
Sauerstoffverbindungen, welche
Sauerstoff lose gebunden enthalten, z. B. mit Mangansuperoxyd, Chlor.
Die Salzsäure der deutschen Pharmakopöe besitzt das spez. Gew. 1,124. Man benutzt Salzsäure zur Bereitung von Chlor, Chlorkalk, [* 11] chlorsaurem Kali, Bleichsalzen, Salmiak, Chlorbaryum, Chlorzink, Zinnsalz, Chlorantimon, Bleioxychlorid, Königswasser, Leim, Phosphor, Superphosphat, gereinigtem Beinschwarz, Kohlensäure etc., zum Reinigen der Knochenkohle in Zuckerfabriken, bei der Verarbeitung der Rübenmelasse, in der Bleicherei, Färberei und Zeugdruckerei, in der Teerfarbenindustrie, als Beizmittel in der Metalltechnik, zu Kältemischungen, zum Reinigen eisenhaltigen Sandes und Thons für die Glas- und Thonwarenindustrie, zum Reinigen von Koks und Weinstein, zur Abscheidung fetter Säuren aus Seifenwassern, zur Gewinnung von Kupfer, [* 12] Nickel, Kadmium, Wismut auf hydrometallurgischem Weg, zur Reinigung der Eisenerze von Phosphorsäure und der Zinkerze, als Lötwasser, zur Beseitigung des Kesselsteins, zur Verarbeitung der Sodarückstände auf Schwefel etc. Als Arzneimittel dient sie zur Belebung der Verdauung, zur Anregung der Nerventhätigkeit bei typhoidem Fieber, Scharlach, Leber-, Nieren- und Magenleiden.
Die arabischen Chemiker bereiteten Königswasser durch Destillation von Salpeter, Salmiak und Vitriol, kannten aber nicht die Salzsäure, welche zuerst Basilius Valentinus im 15. Jahrh. durch Destillation von Kochsalz mit Vitriol darstellte. Glauber erhielt im 17. Jahrh. die Säure aus Kochsalz und Schwefelsäure, Hales stellte zuerst Chlorwasserstoffgas dar, Priestley erhielt dasselbe in reinem Zustand, und Davy zeigte 1810, daß es aus Chlor und Wasserstoff besteht. Größere Bedeutung gewann die Salzsäure erst durch die Sodafabrikation, als die Fabrikanten gezwungen wurden, das massenhaft entweichende Gas, welches die benachbarte Vegetation zerstörte, zu verdichten und nun für die gewonnene Salzsäure Verwendung zu suchen.
Vgl. Lunge, [* 13] Handbuch der Sodaindustrie (Braunschw. 1879, 2 Bde.).