[* 2]
(Bleichkalk,
Bleichpulver), ein meist in den Sodafabriken dargestelltes
Präparat, welches
erhalten wird, wenn man
Chlor auf gelöschten
Kalk einwirken läßt. Der
Kalk muß möglichst rein, namentlich von thonigen
und kieseligen
Bestandteilen,
Eisen,
[* 3]
Mangan und
Magnesia möglichst frei sein und nach dem
Brennen vorsichtig gelöscht werden.
Das dabei entstehende
Kalkhydrat muß 6-8 Proz.
Feuchtigkeit, also zusammen mit dem Hydratwasser 29-30
Proz.
Wasser, enthalten.
Die
Kammern, in welchen das
Chlor auf den
Kalk einwirken soll, werden aus Bleiplatten,
Holz,
[* 4]
Sandstein oder Schieferplatten konstruiert
und mit
Teer sorgfältig überzogen. In diesen
Kammern breitet man den
Kalk auf
Etagen in dünner
Schicht aus, man baut aber auch
viel größere
Kammern ausMauerwerk,
Blei
[* 5] oder
Gußeisen und breitet den
Kalk nun auf dem asphaltierten
Fußboden
in 8-10
cm hoher
Schicht aus. In diese
Kammern leitet man nun kaltes, trocknes, salzsäurefreies Chlorgas, welches gewöhnlich
aus
Salzsäure und
Braunstein hergestellt wird, und fährt damit fort, bis bei einem Überschuß von
Chlor in der
Kammer das
Gas nur noch sehr schwach absorbiert wird.
Man unterbricht dann die Zuleitung des
Chlors, läßt den nicht absorbierten Rest in eine zweite und dritte
Kammer treten und
verbindet vor dem Öffnen die
Kammer mit dem
Schornstein oder mit einem mit
Kalkmilch gespeisten Absorptionsturm, in welchen
die chlorhaltige
Luft aus der
Kammer gesaugt wird. Der Chlorkalk enthält jetzt 25 bis höchstens 30 Proz. wirksames
Chlor und wird daher umgeschaufelt und abermals mit
Chlor behandelt, um die im
Handel übliche
Stärke
[* 6] von 35 Proz. zu gewinnen.
Den fertigen Chlorkalk verpackt man sofort bei möglichster Abhaltung des
Lichts, namentlich des Sonnenlichts, inFässer
aus scharf getrocknetem
Holz, deren
Böden nach dem Zuschlagen mit
Gips
[* 7] vergossen werden. Chlorkalk bildet ein weißes, krümeliges,
etwas backendes
Pulver, welches eigentümlich nach unterchloriger
Säure riecht, an der
Luft langsam
Feuchtigkeit anzieht und
endlich ganz zerfließt. Mit wenig
Wasser angemacht, erhitzt
¶
mehr
er sich und ballt sich teigartig zusammen; mit etwa 20 Teilen Wasser angemacht, löst sich der größte Teil, während ein
weißer, schlammiger, größtenteils aus Kalkhydrat bestehender Rückstand bleibt; die Lösung reagiert alkalisch, schmeckt
herb salzig und wirkt bleichend. Chlorkalk zersetzt sich allmählich selbst bei vollkommenem Luftabschuß ^[richtig:
Luftabschluß], viel schneller im Sonnenlicht (unter Entwickelung von Sauerstoff) und an der Luft. An heißen
Sommertagen warm in Fässer verpackter Chlorkalk explodiert bisweilen ohne jede äußere Veranlassung.
Beim Aufbewahren verliert Chlorkalk im ersten Jahr monatlich 0,5-0,9
Proz. wirksames Chlor und zwar am meisten in den heißen Monaten. Beim Erwärmen zerfällt er sowohl in
Substanz als in Lösung in Chlorcalcium und Sauerstoff unter Bildung von etwas chlorsaurem Kalk. Über die Konstitution des Chlorkalks
sind die Ansichten noch geteilt. Die Einwirkung des Chlors auf den Ätzkalk geht niemals so weit wie die auf Kalkmilch. Niemals
erhält man Chlorkalk mit mehr als 40 Proz. wirksamem Chlor, und stets tritt bei Behandlung des Chlorkalks mit
WasserÄtzkalk auf.
Man kann daher annehmen, daß Chlorkalk neben Chlorcalcium basisch unterchlorigsauren Kalk CaOH.OCl enthält, welcher sich bei Berührung
mit Wasser in unterchlorigsauren Kalk und Ätzkalk zersetzt. Die Lösung des Chlorkalks wirkt durch Abgabe von Sauerstoff bleichend.
Säuren entwickeln daraus aber unterchlorige Säure, welche viel kräftiger bleicht. Diese Zersetzung bewirkt
auch schon die Kohlensäure der Luft, und deshalb werden Gewebe,
[* 9] in Chlorkalklösung getaucht, viel schneller gebleicht, wenn
man sie an die Luft hängt, als wenn sie von der Flüssigkeit bedeckt bleiben.
Vortrefflich hat sich Chlorkalk auch als Vorbeugungsmittel gegen
die Klauenseuche bewährt; in Viehställen vertreibt
er in kurzer Zeit alle Stechfliegen, ohne dem Vieh irgendwie schädlich zu sein. Der Chlorkalk hat seiner Transportfähigkeit
wegen den sogen. flüssigen Chlorkalk, d. h. eine Lösung von unterchlorigsaurem Kalk, vollständig verdrängt. Wo aber der Transport
nicht in Frage kommt, ist das flüssige Präparat viel vorteilhafter. Man erhält dasselbe, indem man gewaschenes
Chlor in ein liegendes Faß
[* 10] treten läßt, in welchem Kalkmilch durch eine Flügelwelle stark bewegt wird.
Das über dem Spiegel
[* 11] der Flüssigkeit eintretende Gas wird schnell absorbiert: man muß aber die Operation unterbrechen, bevor
aller Kalk gelöst ist, auch darf die Flüssigkeit höchstens ein spezifisches Gewicht von 1,14 erreichen,
weil sich sonst chlorsaurer Kalk bildet. Flüssiger Chlorkalk wurde zuerst 1798 von Tennant in Glasgow
[* 12] dargestellt, aber schon im
folgenden Jahr durch den trocknen Chlorkalk ersetzt.
(Bleichkalk, Calciumhypochlorat, Calcaria chlorata, Calcium hyperchlorosum, Calcaria oxymuriatica); ein
chemisches Präparat, welches in großen Mengen fabriziert und konsumiert wird; die Darstellung besteht darin, daß
man Chlorgas zu flach ausgebreiteten, mit Wasser zu Pulver gelöschten gebrannten Kalk leitet und zwar so lange, bis letzterer
kein Chlor mehr aufnimmt. Das Chlorgas (Chlor, Chlorine) ist ein gelbes, äußerst stechend riechendes, giftiges Gas, welches
für diesen Zweck durch Erhitzen von Braunstem, Kochsalz und Schwefelsäure oder auch bloß aus Braunstein
und Salzsäure dargestellt wird.
Über die Konstitution des Ch., d. h. die Gruppierung
der Atome der einzelnen Elemente desselben sind die Ansichten der neueren Chemiker geteilt, nach der ältern Anschauungsweise
ist der Chlorkalk ein Gemenge von unterchlorigsaurem Kalk mit Chlorcalcium und mehr oder weniger freiem Kalk.-
Der Ch. ist ein weißes, trocknes Pulver von eigentümlichem Gerüche,
das in Wasser nur teilweise löslich ist; diese Lösung wirkt auf Pflanzenfarben stark bleichend. Man benutzt daher den Ch.
zum Bleichen von Baumwolle, Leinen, Papierzeug etc.; ferner zur Bereitung von Chloroform und als Desinfektionsmittel. Der Handelswert
des Ch. richtet sich nach der Menge von aktivem Chlor welche er
enthält, d. h. derjenigen Menge von Chlor, welche beim Übergießen mit Säuren durch Zersetzung
der unterchlorigen Säure
frei wird.
Man ermittelt den Gehalt an aktiven Chlor mit Hilfe der Chlorimetrie. Guter Ch. enthält
33-36% aktives Chlor; doch gibt es im Handel Sorten, bei denen dieser Gehalt bis zu 20% und weniger herabsinkt.
Die Versendung des Ch. geschieht in Fässern von stark ausgetrocknetem Holze. Derselbe muß an einem trocknen, aber kühlen
und dunklen Orte aufbewahrt werden, da er aus der Luft leicht Feuchtigkeit und Kohlensäure anzieht, durch welche letztere
er zersetzt wird; dies geschieht auch durch das Sonnenlicht, und wenn diese Zersetzung einmal begonnen,
schreitet sie dann auch im Dunkeln weiter fort; es kann dann vorkommen, daß Explosionen des gewöhnlich in den Fässern
stark eingestampften Ch.s eintreten. - Hauptproduzent vom Ch. ist England, in zweiter
Linie erst Frankreich und Deutschland.
Der Ch. kostet jetzt pro 100 kg. 14-16
Mk. Eingeführt wurden im Jahre 1880 in den freien Verkehr des deutschen Reiches für 903000 Mk.
Chlorkalk, ausgeführt nur für 86000 Mk. -
Dem Ch. analoge Verbindungen von bleichender Wirkung und besserer Haltbarkeit als Chlorkalkwasser
werden hergestellt durch Einleiten von Chlorgas in Lösungen von Pottasche oder Soda. Die Flüssigkeiten enthalten dann
als bleichenden Bestandteil unterchlorigsaures Kali resp. Natron und sind diejenigen Bleichwässer, die unter dem Namen Javellesche
Lauge (Eau de Javelle, das Kalipräparat) und Eau de Labarraque (das Natronpräparat) verkäuflich sind. Man stellt dieselben
auch unter Benutzung des Ch.s her, indem man den wässerigen Auszug daraus mit Pottasche resp. Sodalösung mischt,
wobei der Kalkgehalt als unlöslicher kohlensaurer Kalk ausgefällt wird. Man verwendet diese beiden Präparate mehr im kleinen,
als Fleckwasser, zu andern Bleichzwecken aber auch in Fällen, wo ein Kalkgehalt der Bleichflüssigkeit störend sein würde.
- Der Eingangszoll: S. Tarif im Anh. Nr. 5 e.
[* 2] (Bleichkalk, Bleichpulver, Calcaria chlorata), eine Verbindung von Chlor mit Kalkhydrat von ungewisser chem. Konstitution.
Scheele, der Entdecker des Chlors, erkannte bereits die bleichende Wirkung, die dasselbe auf Pflanzenfarben ausübt, die technische
Verwendbarkeit dieser Eigenschaft wurde 1785 von Berthollet gezeigt,
der für diesen Zweck Chlorwasser
anwandte. Da aber das Wasser nur eine verhältnismäßig geringe Menge von Chlor aufnimmt, so sah man sich bald nach einem
andern Absorptionsmittel um, durch welches es zu ermöglichen sein würde, eine größere Menge von Chlor in ein kleineres
Volum zu bringen, um so ein versandfähiges Präparat darstellen zu können.
Als solches wurde schon 1789 eine Lösung von kohlensaurem Kalium angewandt, die unter Bildung von unterchlorigsaurem
Salz
[* 16] das Vierfache an Chlor im Vergleich zum Wasser aufzunehmen vermag; die mit Chlor gesättigte Flüssigkeit bildete lange
unter dem Namen Javellesche Lauge (s. Eau de Javelle, Eau de Labarragque) einen nicht unbedeutenden Handelsartikel. Von
größter Tragweite wurde bald darauf die Entdeckung Tennants, daß das Chlor sich in großen Mengen an Kalkhydrat binden lasse
und damit ein an wirksamem Chlor reiches, trocknes Pulver bilde. Hiermit (Tennants engl. Patent ist vom datiert)
war der Grundstein zu einem der wichtigsten Zweige der chem. Großindustrie
gelegt, die sich von kleinen Anfängen so entwickelt hat, daß die heutige Produktion an Chlorkalk allein in England
gegen 150000 t. jährlich beträgt.
Chlorkalk entsteht immer, wenn Chlor mit Kalkhydrat zusammentrifft, und es läßt sich der dabei stattfindende Prozeß auf einfachste
Weise durch folgende Gleichung ausdrücken:
Ca(OH)2 + 2 Cl = CaOCl2 + H2O.
Über die chem. Konstitution der Verbindung CaOCl2.H2O sind sehr verschiedene Ansichten aufgestellt worden. Sicher ist
nur, daß das Chlor im C. zur Hälfte als unterchlorigsaures Salz, zur andern als Metallchlorür vorhanden ist.
Das zur Chlorkalkbereitung erforderliche Chlor wird meist durch Einwirkung von Salzsäure auf Mangansuperoxyd, Braunstein,
entwickelt, wie im ArtikelChlor beschrieben, nur kommen wegen der Massenproduktion selbstverständlich andere Apparate in Verwendung,
die aus Steingut oder noch besser aus Sandstein hergestellt werden. Der Sandstein muß möglichst dicht und feinkörnig, frei
von Poren sein, darf an Säure, selbst bei langer Digestion, nur kleine Mengen von Substanz abgeben und
muß bei anhaltendem Kochen mit Salzsäure fest und unverändert bleiben, wenn die Apparate nicht nach kurzer Zeit zu Grunde
gehen sollen.
Bei der Konstruktion der Apparate wählt man Formen und Größenverhältnisse so, daß eine Zusammenfügung aus vielen Stücken
möglichst vermieden wird. Eine Form, die sich im praktischen Betriebe sehr gut bewährt hat, ist in
umstehender
[* 17]
Figur dargestellt. Hier bildet der Apparat einen cylindrischen, aus zwei StückenA und B zusammengesetzten Behälter
mit einem aus zwei Sandsteinplatten gefertigten Seihboden C, in der Mitte steht ein aus einem Stück gebohrtes Rohr D. Bei
Abmessungen von 1 m lichter Breite
[* 18] und 2 m Höhe sind die dazu erforderlichen Steinblöcke unschwer zu
beschaffen.
Die einzige Fuge, die hier vorhanden ist, wird gedichtet, indem vor dem Aufsetzen des Oberteils die in den untern Teil eingearbeitete
Nut mit einem Kitt von Teer und Thon ausgestrichen wird. Der obere Verschluß wird durch eine starke Bleiplatte gebildet,
die an den aufwärts gerichteten Rändern mit Teerkitt gedichtet und mit eisernen Klammern
[* 19] befestigt wird. Beim Betriebe wird
der Apparat etwa zur Hälfte mit grobstückigem Braunstein gefüllt und durch das Trichterrohr H
^[Artikel, die man unter l5 vermißt, sind unter K aufzusuchen.]
¶
mehr
5-600 kg Salzsäure zugefügt. Die Entwicklung des Chlors beginnt bereits in der Kälte, das Gas entweicht durch das Rohr F
und wird in den Absorptionsapparat geleitet. Wenn die freiwillige Entwicklung nachläßt, so erwärmt man die Flüssigkeit,
indem man Dampf
[* 21] durch die Röhren
[* 22] E D einbläst.
Das zur Absorption des Chlors bestimmte staubtrocken anzuwendende Kalkhydrat wird in aus Mauerwerk ausgeführten,
innen mit Teer gestrichenen ventilierbaren Kammern auf dem cementierten Boden etwa 15 cm hoch gleichmäßig ausgebreitet und
das Chlorgas hineingeleitet. Man hält den Betrieb am besten so, daß die Kammern zeitig morgens mit Kalkhydrat beschickt
werden. Sobald dies geschehen ist, wird die Chlorentwicklung in Gang
[* 23] gesetzt und bis abends beendet. Die
Kammer bleibt dann verschlossen nachts stehen bis etwa zwei Stunden vor Beginn der Tagesarbeit, um welche Zeit die Thür geöffnet
und gut ventiliert wird.
Morgens wird der fertige Chlorkalk rasch aus der Kammer in einen Vorraum geschafft, wo er mindestens 24 Stunden
bis zur völligen Abkühlung liegen bleibt, ehe er verpackt wird. Die geleerte Kammer wird sofort mit frischem Kalkhydrat beschickt.
In manchen Fabriken werden die Kammern aus Bleiplatten hergestellt. Bei der Absorption des Chlors durch das Kalkhydrat findet
Selbsterwärmung statt, die nicht zu hoch steigen darf, weil sonst das unterchlorigsaure Calcium sich
in Chlorcalcium und chlorsaures Salz, zwei technisch wertlose Verbindungen, umwandelt.
Die Monate der kältern Jahreszeit sind aus diesem Grunde den Fabrikanten weit günstiger als die Sommerzeit. Wegen der Anwesenheit
des Chlorcalcium und des chlorsauren Kalks ist der Wert des Chlorkalk nicht proportional der Gesamtmenge des darin
enthaltenen Chlors, sondern wird bedingt durch die Menge des in der bleichenden Verbindung enthaltenen sog. wirksamen Chlors,
dessen Menge bei guter Ware etwa 35 Proz. beträgt und durch analytische Untersuchung (s.
Chlorometrie) festzustellen ist. Der Chlorkalk kommt in Fässern von 300 kg Inhalt in den Handel und kostet 1893 im Großhandel 21 M.
für 100 kg. Deutschland,
[* 24] England, Rußland und Amerika
[* 25] verkaufen nach Prozenten wirksamen Chlors, während Frankreich nach sog.
Gay-Lussac-Prozenten verkauft; diese geben an, wieviel LiterChlor bezogen auf 0° und 760 mm Druck von 1 kg Chlorkalk entwickelt werden
(35 Proz. Chlor entsprechen 110-111 Gay-Lussac-Graden).