Mauer, der an der Nordgrenze des eigentlichen
China
[* 3] errichtete Schutzwall, das riesenhafteste Verteidigungswerk,
das je aufgeführt worden ist. Sie hat in
China den
Namen Wanlitschangtscheng (»die große
Mauer von 10,000
Li«) und wird in
ihren Anfängen auf
Erdwälle zurückgeführt, die der
Kaiser Schihuangti (246-209) aus der Dynastie
Tschin gegen
die Einfälle der
Tataren aufführen ließ. Vermutlich ist die jetzt existierende
Mauer mit der damaligen auch dem
Ort nach
nur zum geringen Teil identisch.
Der
Bau der erstern datiert nach neuern Forschungen nicht über das Ende des 14. Jahrh. zurück
und erstreckt sich vielleicht über eine längere
Periode während der Dynastie
Ming (1368 bis 1644). Die
gegenwärtige Dynastie (seit 1644) hatte keine Veranlassung, die
GroßeMauer als Grenzverteidigung in stand zu halten; mit
Ausnahme einzelner wichtiger
Pässe, die zu Grenzzollzwecken repariert wurden, blieb daher das alte Bauwerk dem
Verfall überlassen.
Die jetzige
Mauer beginnt im W. der chinesischenProvinzKansu, bei
Sutschou, und zieht sich, am
Rande des
Hochlandes entlang, in einem weiten
Bogen
[* 4] bis zum
Meerbusen von
Petschili und auf der
Grenze von Schinking in nordöstlicher
Richtung
weiter bis zum Sungarifluß.
Ihre ganze
Länge wird zu etwa 3000 km geschätzt. An manchen
Stellen ist sie doppelt, ja dreifach, wie
namentlich in der
Nähe von
Peking.
[* 5] Sie besteht größtenteils aus
Erdwällen mit
Futtermauern, läuft als solide
Mauer an den
steilsten Gebirgswänden und über Abgründe hinweg und macht einen überaus imposanten
Eindruck. Die zweite, innere Reichsmauer
ist höher und solider ausgeführt als die äußere; sie hat 11 m
Höhe bei 7,5 m
Dicke, ist aus Granitplatten
zusammengesetzt und mit
Zinnen aus Ziegelsteinen gekrönt. Auf den höher gelegenen
Punkten erscheint sie durch viereckige
Türme verstärkt; die Eingangsschlucht Hoanhou enthält auf einer
Entfernung von 12-13 km neun
Thore, von denen drei paarweise,
das letzte zu dritt angelegt ist.
Mauer (chines. Wan-li tschang-tschöng, d. i. Mauer von 10000 Li, mongol. Jagan Kerme, d. i. WeißeWand) heißt
die berühmte, in der That nur ungefähr 5000 Li oder 2450 km lange, zum Schutze des eigentlichen China gegen die Einfälle
nördl. Barbaren bestimmte Schutzwehr, das größte Bauwerk der Erde. Über ihren Ursprung schwebt selbst
bei chines. Geschichtschreibern noch ein gewisses Dunkel. Nach einigen wurde sie von dem Stifter der Dynastie Thsin, dem Kaiser
Thsin-schi-Hwang-ti (237-221 v. Chr.), neu erbaut, nach andern aber erweiterte und verbesserte derselbe sie nur.
Marco Polo erwähnt ihrer nicht. Sie nimmt ihren Anfang südwestlich von Su-tschou in Kan-su, verläuft erst
in nördl., dann meist südöstl. Richtung bis zum Hoang-ho, begleitet denselben, sich nach Norden
[* 6] wendend, zuerst auf dem
rechten, dann aus seinem linken Ufer, bildet von der Gegend bei Ning-hia, am Flusse beginnend, die südl. Grenze des Landes
der Ordos, überschreitet den Hoang-ho zum zweitenmal, um in die ProvinzSchan-si einzutreten, spaltet
sich hierauf in zwei sich später wieder vereinigende Arme und erstreckt sich durch die ProvinzPe-tschi-li, um am Golf von
Liau-tung zu enden.
Dieses östl. Ende, das stark befestigte Schan-hai-kwan, oder«Berg- und See-Schluß», ist zuerst im 6. Jahrh. angelegt, da
der alte Grenzwall des Thsin-schi-Hwang-ti weiter nördlich gelegen haben müßte. Im westl.
Teil ist die Mauer mit großer Sorgfalt, in der ProvinzSchan-si dagegen nachlässiger und stellenweise nur aus Erde errichtet.
Ihre Bauart ist bei Peking die der Mauer von Peking und anderer befestigter Städte. Mit Einschluß der 1,5 m hohen, sich von
der 5 m hohen Plattform erhebenden Brustwehr
[* 7] beträgt die ganze Höhe der Mauer 16,5 m, während sie an
ihrem untern Teile 8, an ihrem obern 5 m dick ist. Sie besteht aus zwei Lagen von Backsteinen, von denen jede ⅔ m dick und
deren Zwischenraum mit Erde, Rollsteinen u. s. w. angefüllt ist.
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]
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Zu der Plattform gelangt man durch so bequeme Treppen,
[* 9] daß man sie hinaufreiten kann. In Zwischenräumen befinden sich Türme,
oft aus zwei Stockwerken. Die Hauptthore sind durch Ringmauern geschützt. Nordwestlich von Peking ist die Mauer zweifach, dreifach,
ja so oft aufgeführt, als die Umstände es nötig zu machen scheinen. Sie windet sich über Abgründe
und Bergrücken. An einer Stelle erreicht sie die Höhe von 1700 m. Doch war ihr Nutzen immer ein sehr geringer.
Seitdem die Mandschu Herren von China geworden sind, ist sie völlig überflüssig. Sie ist daher auch teilweise schon verfallen
und verfällt immer mehr. Teilweise scheint von Anfang an nur ein Wall von lose aufgeschichteten Steinen,
teilweise nur ein Lehmwall bestanden zu haben, wie es andererseits ganz aus Granit und Porphyr aufgeführte Strecken giebt.
Gab es schon Jahrhunderte vor Thsin-schi-Hwang-ti derartige Grenzwälle (zur Zeit der Tschou), so erreichten sie doch zur
Zeit der Ming-Herrschaft erst ihr Ende und gerade da, wo Ausländer am meisten die Mauer zu sehen bekamen,
nordwestlich von Peking. Dort in der innern Mauer ist das berühmte Thor Kü-jung-kwan, wo Inschriften in Sanskrit, in chines.,
mongol., uigurischer, tibetischer und shutschi-tungusischer Sprache
[* 10] die innern Wände füllen (vom J. 1345, erneuert 1445).
Die Mauer oder Grenzbefestigung, welche Möng-tien, der Feldherr des Thsin-schi-Hwang-ti, 214 v. Chr. bauen
ließ, hatte im W. einen südlichern und östlichern, im O., wo sie in Liau-tung endete, einen nördlichern Verlauf. -
Vgl.
Möllendorff, Die GroßeMauer von China (in der «Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft», Jahrg. 35);