Chinesische
Litteratur
, s.
Chinesische Sprache ^[= und Litteratur. Der südöstliche Teil des asiatischen Festlandes, China, Hinterindien mit Ausnahme ...] und Litteratur.
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Titel
Chinesische
Sprache
[* 5] und Litteratur.
Der südöstliche Teil des asiatischen Festlandes, China,
[* 6] Hinterindien
[* 7] mit Ausnahme
der Halbinsel Malakka, Tibet und die zwischen diesem und Hinterindien liegenden kleinern
Länder, bildet das Gebiet einer Menge
von Völkerschaften, die wie physiologisch, so auch sprachlich zusammengehören, und deren Idiome man unter
dem Namen des indochinesischen
Sprachstammes und der monosyllabisch isolierenden Sprachklasse zusammenzufassen pflegt.
Unter diesen Sprachen ist die chinesische
die ausgebreitetste und wichtigste, denn sie wird von etwa einem Viertel der Menschen
gesprochen, ist auch außerhalb ihres eigentlichen Gebiets unter den Gebildeten von Japan, Korea und Anam
vielfach im Gebrauch und hat eine der ältesten und wahrscheinlich die größte Litteratur
der Welt. Sie ist aber auch diejenige,
in welcher sich der Charakter ihrer Klasse am schärfsten ausgeprägt darstellt; denn mindestens in ihrer ältern Gestalt kennt
sie nur einsilbige Wortstämme, kaum zusammengesetzte Wörter und vermag die grammatischen Werte der Wörter,
ihre Anwendung als Substantiva, Adjektiva, Verba etc. und das, was unsre Sprachen durch Beugungen zum Ausdruck zu bringen pflegen,
nur durch Wortstellungsgesetze und selbständige Hilfswörter kenntlich zu machen.
Natürlich hat sie im Lauf der Zeiten vielfache Veränderungen erlitten. Der Gebrauch zusammengesetzter Ausdrücke statt früherer Monosyllaben und die Anwendung der Partikeln haben immer mehr überhandgenommen, alte Ausdrücke sind ungebräuchlich geworden oder werden jetzt in veränderter Bedeutung gebraucht, und vor allen Dingen macht das Lautwesen der heutigen gebildeten Umgangssprache den Eindruck großer Abgeschliffenheit. Wäre die Sprache zu der Zeit, wo die ältesten auf uns gekommenen Volkslieder gesungen wurden, nicht viel lautreicher gewesen, so wären diese Lieder von allem Anfang an den Zuhörern unverständlich gewesen, wie sie es heute sind.
Das Chinesische zerfällt in eine Menge Dialekte, die sich nicht nur lautlich, sondern auch grammatikalisch und lexikalisch oft sehr erheblich voneinander unterscheiden. Die der Provinzen Kuangtung und Fukian sind die für die Europäer wichtigsten und daher bei uns bekanntesten; innerhalb dieser Dialekte variieren aber die Mundarten oft so, daß Leute, die nur wenige Meilen voneinander heimisch sind, Mühe haben sollen, einander im mündlichen Verkehr zu verstehen.
Hätten die Chinesen nicht eine Schrift, die ähnlich unsern Zahlzeichen von jedem in seiner Zunge gelesen
werden kann, so wäre es nie zu der nun Jahrtausende alten Kultureinheit eines so riesigen Ländergebiets gekommen. Frühzeitig
gewann der Dialekt der Hauptstadt Nanking, als der des Hofs, vor den übrigen die Oberhand; er wurde für die Gebildeten des
Reichs »gemeinsame Verkehrssprache« - dies (nicht,
wie man früher fälschlich übersetzt hat, »Mandarinendialekt«) ist der
Sinn des Ausdrucks Kuānhoá -, und unter der Mongolendynastie (1280-1368) begann man ihn in Werken der leichtern Litteratur
als Schriftsprache zu verwenden. So bezeichnet Kuānhoá zugleich den Gegensatz zu den Provinzialdialekten und den zu dem
kurzen, markigen alten Bücherstil (Kùwên).
Daß auch er innerhalb der sechs Jahrhunderte vielfachen Wandlungen unterlegen, versteht sich von selbst.
Neuerdings kommt die Mundart von Peking
[* 8] als nördlicher Kuānhoá in immer allgemeinere Aufnahme. Der »alte Stil« aber ist noch
heute der der ernstern Litteratur.
Wêntschâng ist eine Mittelform zwischen Kùwên und Kuānhoá. Was das Lautsystem im
Chinesischen betrifft, so sind die Vokale a, e, i, o, u, ü und ï (ein dumpfes e oder i), wozu noch mundartlich
manche Zwischenschattierungen kommen, wie å, ä, o etc. Sie können
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in einer Silbe (Stammworte) bis zu vieren gehäuft werden und sind dann zwar jeder besonders zu hören, doch so auszusprechen, daß sie in Eine Silbe verschmelzen, z. B. ai, iü, iua, iuei. Die Konsonanten dagegen treten stets einzeln auf: im Anlaut k, kh, h;
p, ph, f;
t, th;
tsch, tschh;
ts, ths;
l, m, n;
s, sch, j (= weich sch);
ng, w, y;
dialektisch auch g, b, dsch, d;
im Auslaut n, ng;
überdies in den Dialekten m, p, k, t. Dazu kommt im Kuānhoá noch eine selbständige Silbe, die aus einem vokalisierten gutturalen r besteht. Es ergibt sich daraus, wie arm die Sprache an Silben sein muß;
im Kuānhoá zählt man deren kaum 500. Die südlichen Dialekte sind zwar, dank der größern Zahl ihrer Auslautskonsonanten, hierin reicher (der von Kanton [* 10] besitzt etwa 700, der von Fukian gegen 850 verschiedene Silben);
allein was will das besagen gegenüber dem Wortbedürfnis eines Kulturvolkes? Die bloßen Lautkombinationen würden nicht genügen, um einen hinreichenden Silbenschatz herzustellen, nähme nicht das Chinesische noch einen Faktor zu Hilfe, den wir nur als rhetorischen zu verwerten pflegen, den Ton oder die Stimmbiegungen (Accente).
Der Kuānhoá kennt deren vier oder fünf: den gleichen (meist wieder in hohen ¯ und tiefen ^ geschieden), den steigenden ´, den fallenden ` und den kurzen ǎ. Im folgenden Beispiel wird das deutsche Wort »ja« nacheinander in vieren dieser Accente gesprochen. A. fragt: »Jà« B. antwortet: »Já«. Darauf A.: »Jâ, dann freilich! das hättest du mir jâ gleich sagen können!« Für uns ist jedes dieser »Ja« das nämliche Wort;
der Chinese aber verbindet mit derselben Silbe, je nachdem sie in der einen oder andern Tonmodulation gesprochen wird, ganz verschiedene Begriffe. So bedeutet tschì wissen, Spinne, Zweig, Fett;
tschì anhalten, Insel, Papier, Hagedorn etc.;
tschí wollen, gedenken, erreichen, Raubvogel, Pfand, straucheln, Schwein [* 11] etc.;
tschĭ niederwerfen, fesseln, Saft, aufsteigen, Substanz, Axt u. v. a. Das sind nun freilich Mehrdeutigkeiten die Hülle und Fülle, und ohne den steten Gebrauch zahlreicher zusammengesetzter, mehrsilbiger Ausdrücke würde der Kuānhoá trotz der etwa 1500 Silben, die er nun vermöge der Stimmbiegungen besitzt, nicht seinem Zweck als Konversationssprache genügen.
Die Dialekte, namentlich die des Südens, sind auch an Tonmodulationen reicher. Die Grammatik des Chinesischen ist in ihren Elementen sehr einfach. Einheimische Gelehrte teilen die Wörter ein in volle und leere (wir würden etwa sagen: Stoffwörter und Form- oder Hilfswörter) und erstere wieder in lebendige, d. h. Verben, und tote, wozu alle übrigen vollen Wörter gehören. Eine so durchgreifende Scheidung der Wörter nach Redeteilen, wie wir sie in unsern Sprachen haben, kennt das Chinesische nicht, am wenigsten im alten Stil. So kann das Wort ngān entweder Substantiv (»Ruhe«) sein, oder Adjektiv (»ruhig«),
oder transitives Verbum (»beruhigen«),
oder Verbum neutrum (»ruhig sein, ruhen«),
oder Passivum (»beruhigt werden«),
oder Adverb (»beständig«); immer ist es dasselbe Wort, und nur aus der Konstruktion läßt sich sein jeweiliger Wert erkennen. Die Gesetze der Konstruktion, d. h. der Wortstellung, lassen sich auf vier zurückführen; es tritt nämlich 1) das Subjekt vor das Prädikat, 2) das Objekt hinter sein Regens (aktives Verbum oder Präposition), 3) jedes Wort, das ein andres näher bestimmt, vor dieses letztere, also der Genitiv vor sein Regimen, das Adjektiv und Zahlwort vor das Substantiv, das Adverb vor das Verbum; nur 4) die Apposition wird nachgesetzt.
Diese Gesetze gelten in der Hauptsache auch für die Anordnung der Sätze selbst, und sie gestatten nur ganz vereinzelte, vielleicht nur scheinbare Ausnahmen. Und doch würden sie in den meisten Fällen allein nicht hinreichen, um die Funktionen der einzelnen Satzteile erkennen zu lehren. Vor allem helfen hier die Partikeln als wahre Hilfswörter. Diese scheinen ihrer Abstammung und ursprünglichen Bedeutung nach in drei Hauptarten zu zerfallen:
1) pronominale mit determinativer Bedeutung, 2) verbale mit dem Wert von Präpositionen oder Konjunktionen, 3). Schluß- und Empfindungslaute, welche die Modalität anzeigen. Der Leser denke sich, daß wir im Deutschen jedes Punktum, Komma, Fragezeichen etc. aussprechen wollten, und er hat einen Begriff von dem Werte dieser Laute. Um aber ihre Notwendigkeit zu begreifen, denke er daran, daß im Chinesischen die Betonung [* 12] fest am Wort klebt, und daß die Wortfolge in allen Satzarten die gleiche ist, daß also der Fragesatz sich durch nichts als durch das Fragewort vom behauptenden unterscheidet.
Schließlich ist noch eines wichtigen Verdeutlichungmittels zu gedenken. Der Chinese hat nämlich, besonders in der neuern Sprache, gewisse stereotype Wortverbindungen, z. B. zwei Synonyme, die den ihnen gemeinsamen Begriff, zwei entgegengesetzte Eigenschaftswörter, die das beiden zu Grunde liegende Abstraktum (groß - klein, s. v. w. Quantität) ausdrücken; er determiniert Substantiva durch Appositionen (man denke an Tannenbaum) oder Verba durch Hilfsverba oder konventionelle Objekte u. dgl. m.
So viel von den Mitteln der Sprache, nun einiges von ihrer Verwertung. Ein eigentlicher Artikel ist nicht vorhanden. Das Hauptwort hat kein grammatisches Geschlecht; die Mehrzahl und Allheit wird meist gar nicht, wo nötig, durch unbestimmte oder bestimmte, zuweilen konventionelle Zahlwörter (»die fünf Sinne«) oder durch Adverbien, etwa von der Bedeutung »zusammen«, ausgedrückt, oder man setzt das Substantiv als Genitiv vor ein andres, das Klasse, Gesamtheit bedeutet.
Die Kasus ergeben sich bald aus der Wortstellung allein, wobei Ablativ, Lokativ und Instrumentalis meist wie Adverbien, erstere beide nach gewissen Verben als deren Objekte behandelt werden; bald dienen Partikeln der ersten und zweiten Art zu ihrer Kennzeichnung. Die Steigerung der Adjektiva ergibt sich bald aus dem Zusammenhang, z. B.: X und Y wer klug, d. h. wer ist klüger, X oder Y? oder: Mensch tausend Wesen klug, d. h. der Mensch ist der tausend Wesen kluges, klügstes;
weise im Verhältnis zu X, d. h. weiser als X;
bald drücken Wörter von der Bedeutung »mehr, sehr« den Komparativ oder Superlativ aus.
Die Fürwörter werden fast ganz wie Hauptwörter behandelt. Daß die Verba ebensowenig eine Konjugation wie die Substantiva eine Deklination haben, liegt in der Natur der Sache. Ob ein Verbum als Präsens, Präteritum oder Futurum, ob es als Indikativ, Konjunktiv, Imperativ zu übersetzen, ist oft allein aus dem Zusammenhang, ob es als Aktivum, Passivum oder Neutrum, als Finitum, Partizip oder Infinitiv fungiere, aus der Konstruktion zu entnehmen. Indessen erleichtern, namentlich im neuern Stil, vielfach Adverbien, Hilfsverba und gewisse Partikeln auch hier das Verständnis. Die Konjunktionen »und, oder, wenn« bleiben oft unausgedrückt, ebenso die Kopula, und nicht selten werden auch Personalpronomina verschwiegen. Der häufige Gebrauch von sogen. absoluten Konstruktionen, darin bestehend, daß man Satzteile selbständig stellt, statt sie in den Satz einzufügen, benimmt dem Satzbau die Eintönigkeit. Kürze ¶
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des Ausdrucks, Wohlklang und Ebenmaß der Satzglieder, Schärfe der Antithesen sind Haupteigenschaften des guten, namentlich
des alten Stils. Der chinesischen
Sprache ist eine außerordentliche Dehnbarkeit eigen; man kann in wenigen aneinander gereihten
Monosyllaben einem Gedanken Ausdruck geben, dessen Übersetzung sehr wortreich ausfallen müßte; man kann den Satz durch Hilfswörter
erweitern und schließlich seine Einsilber durch Komposita ersetzen, ohne daß dabei sein Sinn ein andrer
wird. Die chinesischen
Schriftsteller haben es verstanden, diese Macht ihrer Sprache zu nutzen, um stilistische Meisterwerke
zu schaffen, die in den Litteraturen andrer Völker ihresgleichen suchen.
Die Schwierigkeiten der chinesischen
Sprache beruhen, abgesehen von der Aussprache und Schrift, namentlich
in der Konstruktion. Immer und immer kehrt die Frage wieder: sind zwei aufeinander folgende Wörter als ein Kompositum oder als
durch »und« verbunden zu denken? sind sie Subjekt und Prädikat? oder ist eins dem andern subordiniert, etwa a nähere Bestimmung
von b, oder b Regimen von a etc.? Nur eine genaue Kenntnis des Satznexus, des Sprachgebrauchs
und der Eigenartigkeit des Stils vermag solche Zweifel zu lösen.
Die Anfangsgründe der Sprache bewältigt man bei einiger Ausdauer leicht, und der Verstand hat dabei mehr zu thun als das Gedächtnis,
das nicht mit dem Auswendiglernen von Paradigmen oder unregelmäßigen Verben beschwert wird. Sehr bald
kann man mit Zuhilfenahme einer treuen Übersetzung und eines Wörterbuchs an die Lektüre leichter Texte gehen, um sich die
gelernten Regeln einzuprägen und im Geiste dieser so eigenartigen Sprache und Litteratur
heimisch zu werden. An Hilfsmitteln
ist kein Mangel.
Nur hüte man sich, zu bald der Hilfe des Lehrers oder einer Übersetzung entraten zu wollen; ein solcher
Fürwitz pflegt sich durch die ärgerlichsten Mißverständnisse zu rächen. Man bedenke, daß wie jeder Schriftsteller,
so auch der chinesische
zunächst für seine Landsleute schreibt und bei seinen Lesern alle die Kenntnisse voraussetzt, die
man von einem gebildeten Chinesen erwarten kann. Wer ihm also folgen, die zahllosen Citate und Anspielungen,
in denen er sich gefällt, verstehen will, dem muß auch ein mehr oder weniger ergiebiger Schatz realen Wissens zur Verfügung
stehen.
Durch die Schrift aber braucht sich niemand abschrecken zu lassen. Die ersten Schwierigkeiten sind bei einigem Fleiß bald überwunden; was anfangs ein wüstes Wirrsal schien, löst sich nun in eine leichtfaßliche Gruppe einfacher Elemente auf, und ist man erst so weit, so wird sie eher anregend und fördernd als beschwerend und hemmend auf das Studium einwirken. Sie ist eine Wortschrift; ihre Urbestandteile sind rohe, zuweilen symbolische Bilder, z. B. ☉ Sonne, [* 14] ∸ oben, ^ unten.
Dazu kamen dann symbolische Bildergruppen, z. B. zwei Bäume = Wald, zwei Weiber = Zank, Weib und Kind = Liebe, Vogel und Mund = Gesang. Alle diese Zeichen entsprechen nun zwar nur Einem Wort, allein mit dessen Laut haben sie von Haus aus nichts zu schaffen. Nun ist aber die Zahl der Wörter von gleichem Laut und verschiedenem Sinn und derer von verwandter Bedeutung und verschiedenem Laut (Synonymen) eine sehr beträchtliche, und jedes Wort mußte daher mindestens Ein besonderes Schriftzeichen haben.
Dies erreichte man, indem man zu jenen zwei Klassen noch eine dritte (und zwar weitaus die zahlreichste) schuf, welche Begriffs- und Lautdarstellung in sich vereinigt. Man wählte nämlich das meist selbst wieder zusammengesetzte Zeichen eines gleich oder ähnlich lautenden Wortes, fügte aber diesem Zeichen einen sogen. ideographischen Zusatz bei, um die Begriffskategorie des Wortes zu kennzeichnen. So wird in Zusammensetzungen das Symbol »Herz« für geistige und gemütliche Zustände und Thätigkeiten, »Feuer« für Brennen etc. verwandt.
Die Zahl der Schriftzeichen wird alles in allem auf 50-100,000 geschätzt; davon sind jedoch nur die wenigsten in allgemeinem Gebrauch, die meisten bloße Nebenformen (Varianten), viele geradezu fehlerhaft. Wer 2-3000 der gebräuchlichen kennt, wird in der Lektüre selten auf unbekannte stoßen. Da nun die Zeichen teils selbst Elemente, teils aus solchen zusammengesetzt sind, so hat man eine Anzahl der gewöhnlichsten jener Elemente (jetzt 214) als sogen. Radikale oder Schlüssel ausgewählt und unter diesen den ganzen Vorrat der Schriftzeichen in Wörterbüchern übersichtlich geordnet.
Was die Chinesen über Alter und Ursprung ihrer Schrift berichten, muß als Fabel angesehen werden. Die ältesten erhaltenen Inschriften sind nachweislich über 4000 Jahre alt; ehe aber die Schrift die Stufe erreicht hatte, auf der sie sich da schon zeigt, mag wohl eine geraume Zeit verstrichen sein. Mannigfache Formveränderungen hat sie auch später noch erlitten, ehe sie zu dem wurde, wozu Pinsel und Papier sie gemacht. Ihre jetzige Gestalt hat sie etwa seit Anfang unsrer Zeitrechnung, und ebenso alt ist auch die namentlich bei den Geschäftsleuten des südlichen China übliche sogen. »Grasschrift« (thsào), eine Art Tachygraphie oder Schnellschrift, im Grund aber ein flüchtiges, oft inkorrektes und schwer zu lesendes Geschmiere.
Nachbarvölker, deren Kultur auf chinesischer
Grundlage ruht, wie die Japaner, Koreaner und Anamiten, haben ihre Schriftzeichen
den chinesischen entlehnt oder nach deren Vorbild erfunden. Bei ihnen ist aber auch die Sprache des Mittelreichs das geworden,
was ehemals bei uns das Lateinische war, eine Gelehrtensprache, aus welcher massenhafte Fremdwörter in
die Landesidiome aufgenommen wurden. Wir Europäer verdanken unsre ersten genauern Kenntnisse des Chinesischen den katholischen
Sendlingen, von denen einer, der Spanier P. Varo, 1703 die erste Grammatik veröffentlichte.
Von den Franzosen hat Prémare zuerst die Feinheiten des Stils erschlossen; dessen Werk wurde von Abel Rémusat zu einer höchst brauchbaren Elementargrammatik umgearbeitet. Eingehende, freilich ganz unsystematische Erörterungen verdanken wir Rémusats Nachfolger Stanislas Julien (gest. 1873), während dem Deutschen W. Schott das Verdienst gebührt, zuerst die Sprache aus ihrem Wesen heraus und diesem entsprechend grammatisch dargestellt zu haben. Bazin in Paris [* 15] und Edkins in Schanghai [* 16] haben Grammatiken des Kuānhoá geliefert.
Sonst haben sich die Engländer namentlich als Lexikographen Verdienste erworben. Wichtigste Wörterbücher: von Basilé de Glemona [Deguignes] (Par. 1813), Morrison (Macao 1815-23, Schanghai 1865), Gonçalves (Macao 1831-41), Medhurst (Batavia [* 17] 1842-43), Lobscheid (Lond. 1866 ff., 1871), W. Williams (Schanghai 1874), Eitel (Hongkong 1877-83). Grammatiken: von Fourmont (Par. 1742), Marshman (Serampur 1814), Morrison (das. 1815), Rémusat (Par. 1822-57), Prémare (Malakka 1831, Kanton 1847), Hyakinth Bitschurin (Petersb. 1838), Gützlaff (Batavia 1842), Endlicher (Wien [* 18] 1845), Bazin (Par. 1856), Edkins (Schanghai 1857), Schott (Berl. 1857), Summers (Oxford [* 19] 1863), Lobscheid (Hongkong 1864), Julien (Par. 1869-70), G. v. d. ¶