Chinarinden
(Fieberrinden), Stamm- und Zweig- (auch Wurzel-) Rinden zahlreicher Arten der Gattung Cinchona (s. d.), welche in den Wäldern der Kordilleren von Südamerika [* 2] zwischen 10° nördl. und 22° südl. Br. wachsen. Beim Einsammeln der Rinde reinigt man die Bäume von Schling- und Schmarotzerpflanzen, [* 3] entfernt meist auch zugleich die saftlose Borke, reißt mit einem Meißel [* 4] Längs- und Querschnitte in die innere brauchbare Rinde, löst diese ab, soweit sie erreichbar ist, und fällt dann den Baum, um nach vorherigem Klopfen mit einem Schlägel [* 5] die Stamm- und Astrinde vollständig abzulösen, die an der Sonne [* 6] oder auf Hürden über Feuer getrocknet wird.
Handelsgebräuche bedingen mancherlei Abänderungen des Verfahrens, und oft unterbleibt z. B. die Abschälung der Borke. Die dünnere Rinde schwächerer Stammteile rollt sich beim Trocknen zu Röhren [* 7] auf, während von stärkern Stämmen geschälte und aufeinander geschichtete und belastete Stücke zu ebenen Platten austrocknen. Ein Baum von 20 m Höhe und 1,2 m Durchmesser liefert etwa 10 Ztr. trockne Rinde. In regelmäßigen Beständen von Cinchonen, wie sie sich jetzt besonders in Indien finden, geschieht die Rindengewinnung rationeller.
Nach der einen
Methode löst man von den
Stämmen jährlich nur einen etwa 4
cm breiten vertikalen Rindenstreifen
ab und hüllt dann den
Stamm in
Moos ein, unter welchem sich sehr bald neue, stärkere und an Akaloiden reichere
Rinde aus der
geschälten
Stelle bildet. Die andre, besonders aus
Java und
Ceylon
[* 8] übliche
Methode ähnelt unserm Schlagwaldbetrieb.
Man fällt die etwa achtjährigen
Stämme 15
cm über dem
Grund und schält sie, worauf sich Seitentriebe entwickeln, die nach
acht
Jahren wieder alkaloidreiche
Rinde liefern. Im
Handel unterscheidet man sehr zahlreiche
Sorten von Chinarinden
, doch ist nicht von
allen die Abstammung bekannt, und manche
Sorten sind im
Lauf der
Zeiten nicht immer von denselben
Cinchona-Arten
gewonnen worden.
Als Hauptmerkmal für die
Einteilung der Chinarinden
hat die
Farbe gegolten, bis das
Studium ihres anatomischen
Baues in den
Vordergrund
trat.
Rinden jüngerer
Stämme und der
Zweige sind vorherrschend gräulich, bald hell, bald schwärzlich. Die Oberfläche dickerer
Stämme dagegen zeigt mehr eine charakteristische braune, gelbe oder rötliche
Farbe, welche besonders
nach
Entfernung der Korkschichten zu
Tage tritt. Man unterscheidet danach gelbe, rote und braune Chinarinden.
Unter den hauptsächlichsten
Sorten, welche bisher aus
Südamerika kamen und vorzugsweise zu pharmazeutischer Verwendung gelangten, sind besonders zu nennen:
China
[* 9]
Calisaya,
Königschina, von
Cinchona
Calisaya stammend, und zwar a)
Cortex
Chinae regius convolutus, die
vollständigen Zweigrinden, 3-4
cm starke
Röhren, meist von beiden Rändern her eingerollt, dunkel graubraun bis weißlich,
äußerlich durch
Furchen und
Risse gefeldert, mit in Form
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der Felder leicht abspringender Borke, auf der Innenfläche braungelblich, vertikal hell gestreift. Die Rinde der indischen Chinchona Ledgeriana bietet durch ihren viel höhern Alkaloidgehalt nunmehr vollen Ersatz für die amerikanische Rinde. b) Der Bast [* 11] des Stammes von China ragia plana aus Bolivia, [* 12] einen oder mehrere Fuß lange, oft gegen 20 cm breite, 5-15 mm dicke, flache Stücke, rein gelbbraun, auf der Außenfläche durch abgesprungene Borkenschuppen muschelig vertieft, auf der Innenfläche gestreift, sehr mürbe, stand bis vor wenigen Jahren in hohem Ansehen, ist aber in letzter Zeit mit sehr verringertem Alkaloidgehalt auf den Markt gekommen.
Sehr ähnlich ist ihr die wohl regelmäßig geringhaltige Rinde von Cinchona scrobiculata H. et B. aus Südperu,
welche als leichte, rötliche Calisaya, Carabaya, rote Cuscorinde, China peruviana in den Handel kommt. Die botanisch sehr veränderliche
Cinchona lancifolia in Kolumbien
[* 13] (Neugranada) liefert auch Rinden von sehr verschiedenem Aussehen. Zu denselben gehören die
als Flava fibrosa bezeichneten Sorten, die Calisaya von Santa Fé de Bogotá. Die roten Chinarinden
stammen von Cinchona
succirubra und besitzen eine Borke, die viel schwerer abgeworfen wird als bei Chinarinden
Calisaya, so daß selbst mächtige Stammrinden
noch festhaftende, mehr grauschwärzliche als rote Bekleidung tragen.
Diese Rinde kommt jetzt hauptsächlich aus Ceylon, Ostindien [* 14] und den übrigen Cinchona-Pflanzungen in den Handel. Jüngere Rinden der meisten Cinchona-Arten pflegen mit gräulichweißem bis bräunlichem oder beinahe schwärzlichem Kork [* 15] bedeckt zu sein. Noch unbestimmter und vorherrschend bräunlich ist die Farbe des innern Gewebes, so daß Gemenge der verschiedensten jüngern Rindenröhren als Cortex Chinae fuscus (griseus, pallidus) in den Handel kommen. Am wichtigsten ist die aus der Gegend von Guanuco in Mittelperu über Lima [* 16] ausgeführte Rinde, welche früher von Cinchona nitida stammte. Sie ist graubräunlich, im ganzen ziemlich hell, etwas längsfurchig, querrissig, oft noch mit weißlichem Kork belegt, auf der Innenfläche hell zimtfarben, häufig sehr fein weiß gesprenkelt. Die Loxarinde ist vorherrschend dunkler bräunlich, mit mehr grauer als weißlicher Bedeckung, Längsrunzeln und zahlreichen Querrissen, oft reichlich mit Flechten [* 17] besetzt.
Die Pflanzungen der Cinchonen in Indien, Jamaica und andern Gegenden liefern einstweilen meist noch jüngere Rinden, welchen
sehr ausgeprägte Eigentümlichkeiten fehlen. Die holländische Regierung hat daher angefangen, den größten Posten der javanischen
Rinden die Ergebnisse der Bestimmung des Alkaloidgehalts und die Bezeichnung der Stammpflanze beizugeben.
Der Kreis
[* 18] der in der Pharmazie benutzten Chinarinden
beschränkte sich einerseits auf die mittlern oder jüngern Röhren weniger Arten,
anderseits auf die roten Stammrinden und die Bastplatten der Calisaya; die »Pharm. germanica« läßt nur Stamm- und Zweigrinden
kultivierter Cinchonen, vorzüglich der Cinchona succirubra, zu und verlangt, daß dieselbe mindestens
3,5 Proz. Alkaloide enthalte.
Die zahlreichen übrigen Sorten der Chinarinden
haben nur für die chemische Industrie, d. h. für die Darstellung des Chinins, Bedeutung.
Als unechte Chinarinden
kamen und kommen Rinden südamerikanischer Bäume in den Handel, welche der Gattung Cinchona nahe
verwandt sind. Diese Rinden enthalten aber kein Chinin, manche überhaupt kein Alkaloid und sind daher ziemlich wertlos. Viel
wichtiger ist die sogen. China cuprea, welche meist in kleinen Bruchstücken in den Handel kommt, in der Farbe angelaufenem
Kupfer
[* 19] gleicht und 1-2 Proz. Chinin liefert.
Sie stammt von Remijia pedunculata, vielleicht auch von R.
Purdieana und wird auf Chinin verarbeitet.
Die Chinarinden
sind nicht ganz geruchlos, sondern besitzen ein sehr schwaches Aroma, die jüngern Rinden schmecken vorherrschend herb,
die Stammrinden stark und rein bitter. Sie liefern 0,75-3 Proz. Asche und enthalten außer den gewöhnlichen Pflanzenbestandteilen
bis 4 Proz. Chinagerbsäure, von welcher sich das reichlich vorhandene Chinarot ableitet, Chinasäure, einen
unkristallisierbaren Bitterstoff, das Chinovin, welches sich leicht in Zucker
[* 20] (Mannitan) und Chinovasäure spaltet und mit
letzterer gemengt auch in allen andern Teilen der Cinchonen vorkommt. Am wichtigsten sind die Alkaloide.
Von diesen finden sich in ansehnlicher Menge: Chinin C20H24N2O2 , Chinidin von
gleicher Zusammensetzung, Cinchonin C19H22N2O und Cinchonidin von gleicher Zusammensetzung. In
geringer Menge enthalten die Chinarinden
ferner Cinchonamin C19H24N2O in Remijia Purdieana, Homochinin
C19H22N2O2 in China cuprea, Chinamin C19H24N2O2 ,
Conchinamin von gleicher Zusammensetzung, Cinchamidin C20H26N2O . Diese eigentlichen Chinaalkaloide
zeigen eine gewisse Übereinstimmung, auch wohl in physiologischer Beziehung, während vollständig abweichen
das Aricin C23H26N2O4 , Paytin C21H24N2O , Cusconin, Cusconidin,
Cuscamin, Cuscamidin, Paricin etc. Der Gehalt der Chinarinden
an Alkaloiden schwankt bedeutend. Die Rinde von auf Java gewachsener Calisaya
Ledgeriana gab im Minimum 1,09, im Maximum 12,5 Proz. Alkaloide, doch nur in 13 Fällen weniger als 5 Proz.
Das Chinin schwankte zwischen 0,8 u. 11,6
Proz. Als Maximum hat man bei kultivierten Cinchonen einen Chiningehalt von 13 Proz. beobachtet. Die
Wurzelrinden scheinen regelmäßig alkaloidreicher zu sein als die Stammrinden. - Der jährliche Bedarf an Chinarinden
auf der ganzen
Erde kann auf mehr als 6 Mill. kg geschätzt werden.
Davon liefert der nördliche Teil Südamerikas auch heute noch den größten Teil, aber die Ausfuhr Indiens und Javas ist in
schnellem und sehr starkem Steigen begriffen, und seit 1880 liefert auch Jamaica Chinarinden
auf den Markt. Der Hauptplatz für den
Chinarinden
handel ist London,
[* 21] wohin 1881 über 6 Mill. kg gebracht wurden. Rechnet man noch dazu, was
außerdem in Paris,
[* 22] New York, Hamburg,
[* 23] Amsterdam
[* 24] eingeführt wurde, so kann die Gesamternte an Chinarinden
für 1881 auf 9 Mill. kg geschätzt
werden.
Die Fabriken verarbeiten etwa 4,3 Mill. kg Rinde und gewinnen daraus, wenn man einen durchschnittlichen Gehalt von 2 Proz. annimmt,
86,400 kg Alkaloide, welche etwa 120,000 kg Chininsulfat und andern Salzen des Chinins und der übrigen Alkaloide entsprechen.
Man benutzt Chinarinden
medizinisch in Form von Pulver, Abkochung, Tinktur und Extrakt. Ihre Wirkung stimmt im wesentlichen mit der des
Chinins überein, wird aber vielfach stark modifiziert durch die andern Rindenbestandteile.
Diese wirken nicht selten günstig, z. B. bei atonischer Verdauungsschwäche, bei Schwächezuständen,
Skorbut etc., bisweilen aber auch ungünstig, wie bei längerm Gebrauch, wo die Rinde mehr als das Alkaloid die Verdauung stört.
Da nun der Chiningehalt der Rinde überdies schwankt, so zieht man meist das Alkaloid vor, welches eine sichere Dosierung gestattet.
Äußerlich benutzt man Chinarinden
wohl als adstringierendes Mittel bei schlaffen Geschwüren, Gangräne, als Zusatz zu Zahnpulvern
etc.; doch gibt es andre Mittel, welche in solchen Fällen günstiger wirken und überdies billiger sind. Geschichtliches über
die Chinarinden
und Litteratur s. Cinchona.
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