Chinagras
(Fibragrás, Fibre,
Ramé, Ramié,
Rhea
[* 2] fibre, chines.
Tschuma, Kaukhurahanf,
Kalluihanf, Tsio oder Karao), Bastfaser
aus den
Stengeln mehrerer nahe verwandter
Nesselpflanzen, besonders
Boehmeria nivea
Gaud. und B. tenacissima
Gaud., welche behufs
der Fasergewinnung vielfach kultiviert werden (s.
Boehmeria). In der
Regel versteht man unter Chinagras
die feinere
Faser der B. niyea, unter
Ramé die
Faser der B. tenacissima; doch werden diese
Fasern sehr häufig miteinander verwechselt.
Die Gewinnung der Faser erfolgt in verschiedener Weise. In China [* 3] werden die entblätterten Stengel [* 4] durch Schaben von der äußern Rinde befreit und der Sonne [* 5] ausgesetzt. Im Morgentau zieht man dann die Bastschicht ab und trocknet sie. In Indien zerbricht man die entblätterten Stengel, zieht sofort die Rinde mit dem Bast [* 6] ab, legt sie in Wasser, streift nach einiger Zeit die äußere Rinde ab, reinigt die Faser durch Streichen mit einem stumpfen Messer [* 7] und bleicht sie auf dem Rasen.
Der rohe
Bast der B. nivea ist weißlich bis licht bräunlich, bisweilen etwas grünlich, bildet 0,5-2
m lange
Stränge und wird seiner außerordentlichen
Festigkeit
[* 8] halber bisweilen zu Seilerarbeiten benutzt. In der
Regel aber
wird er mit Aschenlauge und Seifenlösung weiterbehandelt und erscheint dann blendend weiß, seidenartig glänzend. Die
gereinigte
Faser (gebleichtes Chinagras
,
Rhea, Ramié) übertrifft alle andern
Pflanzenfasern an
Schönheit und besteht aus 10-22
cm
langen Bastzellen.
Das außerordentlich feine chinesische Grasscloth wird aus ungesponnenen, durch ein Klebmittel endweise aneinander gefügten Bastfasern gewoben und meist in China selbst verbraucht. Indische Nesselfasern kamen zuerst 1810 nach Europa [* 9] und wurden in Leeds [* 10] zu Seilerwaren verarbeitet; Spinnversuche in der Erdmannsdorfer Spinnerei blieben ohne Resultat, aber seit 1851 hat die Faser für die europäische Industrie schnell an Bedeutung gewonnen und wird jetzt aus Ostindien, [* 11] China, Japan, Java und den Sundainseln importiert.
Man hat geeignete
Methoden für die Abscheidung der
Faser und besondere
Maschinen für deren Verarbeitung
konstruiert und benutzt das Chinagras
vielfach zu allerlei Mischgespinsten und Mischgeweben mit
Baumwolle
[* 12] und
Wolle, die alle dadurch
verschönert werden; besonders tauglich ist es für batistartige
Gewebe
[* 13] und
Damaste. Hauptsitz der Fabrikation ist
England und
Schottland, doch hat dieselbe auch anderwärts, namentlich im südlichen
Frankreich, Bedeutung gewonnen.